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BGH-Urteil zu Clickbaiting
Keine ungefragte Werbung mit Jauch und Co.

Prominente gelten als Personen der Zeitgeschichte, Fotos von ihnen dürfen also ungefragt veröffentlicht werden. Wenn solche Bilder allerdings dazu genutzt werden, etwa online für Inhalte zu werben, verstößt das gegen geltendes Recht. Das entschied der Bundesgerichtshof nun im Sinne zweier Fernsehgrößen.

Von Thomas Wagner | 21.01.2021
Zeichnung von Händen an einem Laptop, aus dessen Bildschirm ein Lautsprechersymbol herausragt.
Viele Internetseiten versuchen mit Clickbaiting Nutzer zu locken (imago)
Ein Hauch von "Show-Business"-Luft liegt im Gerichtssaal: "In den beiden Verfahren gibt’s beide Male um Prominente, einmal um den Fernsehmoderator Günther Jauch und in dem anderen Fall um den Schauspieler Sascha Hehn, die eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild beklagen", und zwar zu Recht, findet Professor Thomas Koch, Vorsitzender Richter am Ersten Zivilsenat des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe.
Zwar gelten Günther Jauch und Sascha Hehn als "Prominente"; Fotos von ihnen dürfen als "Bildnisse der Zeitgeschichte" grundsätzlich veröffentlicht werden – allerdings eben, und das ist der Kernsatz des heutigen BGH-Urteils, nicht in jedem Fall.

"Unerlaubte Nutzung für Werbezwecke"

Bei den letztlich erfolgreichen Klagen des Moderators und des Schauspielers ging es, so der Vorsitzende Richter, um "unerlaubte Nutzung ihres Bildes durch Verlage für Werbezwecke."
Konkret habe es sich bei den beanstandeten Fotos nicht um irgendwelche Schnappschüsse gehandelt, sondern um Fotos, die die Verlage ungefragt zu Werbezwecken nutzten. Im Fall von Günther Jauch betraf das einen Facebook-Post der Zeitschrift TV Movie, die wiederum von Bauer Media herausgegeben wird. In diesem Post veröffentlichte die Zeitschrift am 18. August 2015 ein Bild von mehreren Prominenten, darunter auch von Günther Jauch. Im erläuternden Text hieß es: "Einer dieser TV-Moderatoren muss sich wegen Krebserkrankung zurückziehen. Wir wünschen, dass es ihm bald wieder gutgeht."
Günther Jauch litt definitiv nicht an einer Krebserkrankung. Die Veröffentlichung seines Porträtfotos in diesem Zusammenhang erfüllte, so die Begründung des Vorsitzenden Richters nun, die Funktion eines sogenannten "Click-Köders".

Eingriff in das Recht am eigenen Bild

"Solche Click-Köder liegen im Internet aus, um die Aufmerksamkeit auf werbefinanzierte Beiträge zu lenken. Und wir haben entschieden, dass die Nutzung des Bildnisses eines Prominenten zu dem Zweck, die Aufmerksamkeit auf einen Beitrag zu lenken, der keinerlei Bezug zu dem Prominenten hat, dass das in das Recht des Prominenten am eigenen Bild eingreift und das den Verlag zur Schadensersatz verpflichtet."
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Und zwar in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr von 20.000 Euro im vorliegenden Fall, so das Urteil. Ausschlaggebend für diese Entscheidung sei ein Punkt gewesen, der sich auch in einem vorinstanzlichen Urteil wiederfinde, nämlich "dass in dem Beitrag keinerlei Informationen, keinerlei Berichterstattung über den Kläger erfolgt ist und das Bildnis damit alleine dem Zweck diente, die Aufmerksamkeit der Leser auf ihr Presseerzeugnis zu lenken. Und eine solche Nutzung greift in das Recht am eigenen Bild ein."
Ähnlich verhielt es sich auch im zweiten verhandelten Fall. Geklagt hatte der Schauspieler Sascha Hehn, unter anderem bekannt als Darsteller des Traumschiff-Kapitäns Viktor Burger. Doch ganz unversehens musste Hehn am 18. Februar 2018 sein Konterfei in der "Bild am Sonntag" entdecken – als Werbung für ein sogenanntes "Urlaubs-Lotto."

"Ruf des Klägers wurde genutzt"

"Und unter der Überschrift befand sich ein Foto, auf dem der Kläger als Kapitän mit zwei weiteren Schauspielern der Serie in ihren jeweiligen Rollen abgebildet war. Das wurde durch eine Bildunterschrift ergänzt, in der auch der bürgerliche Name des Klägers, Sascha Hehn, genannt war."
Für den 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes liegt auch hier der Fall klar: Das Foto sei zu reinen Werbezwecken veröffentlicht worden.
"Und zwar haben wir es hier mit einer Form von Werbung zu tun, die zu einem Imagetransfer geführt hat. Der Ruf des Klägers wurde in seiner beliebten Serienrolle auf den Hauptgewinn des Preisausschreibens übergeleitet. Dieser Eingriff ist rechtswidrig, eine Einwilligung lag nicht vor."

Berichterstattung als Voraussetzung

Für die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung spreche nach Ansicht von Richter Thomas Koch im Übrigen auch, "dass diese Illustration keinen nennenswerten Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leistet, sondern dass es sich hier um eine kommerzielle Nutzung des Bildnissess des Klägers geht."
Entscheidend bei beiden heute verkündeten Urteilen: Sowohl im Fall von Günther Jauch als auch in dem von Sascha Hehn wurden deren Konterfeis zu rein werblichen Zwecken veröffentlicht - ohne das Einverständnis der Betroffenen. Das an sich wäre allerdings, so Richter Thomas Koch, noch kein k.o.-Kriterium für eine öffentliche Abbildung der beiden. Denn:
"Es ist eine Werbung mit Personen zulässig, wenn dann auch eine Berichterstattung geliefert wird, die mit im Zusammenhang steht. Also: Verboten wird die Werbung in einen solchen konkreten Fall, in dem das Bildnis in keinerlei Zusammenhang zu einem Beitrag steht."