Archiv


Biathlon für jeden

Wir sehen sie zurzeit scheinbar mühelos die winzige Scheibe treffen - doch um Biathlon zu langlaufen und zu schießen bedarf es weit mehr, als das olympische Fernsehen suggeriert. Selbstversuch in Südtirol - mit kulinarischem Sonderabgang.

Von Eva Firzlaff |
    Barbara Felderer
    Barbara Felderer (Eva Firzlaff)
    "Schaust Du hier rein, siehst Du meinen Finger ... ja ... immer noch? ... ja ... da ist ein kleiner Kreis. In den kleinen Ring musst du einen von den fünf schwarzen Scheiben bringen. Nummer Vier sind wir. So ich lade jetzt schon. Schön zielen. Der ganze schwarze Punkt muss schön in der Mitte sein. Und dann abdrücken. Ja, das war nicht gut. Da hast Du die ganze Scheibe verfehlt."

    Rudi ist Schießtrainer in Antholz. Zuerst probieren wir das Schießen. Auf demselben Schießstand wie die Aktiven, mit dem gleichen Gewehr. 50 Meter Abstand zur Scheibe. Und die ist winzig klein, mit einem Durchmesser von gerade 11,5 cm. Ein schwarzer Punkt, weit hinten. Dabei haben wir noch einen Vorteil, denn das ist die große Scheibe, auf die die Biathleten stehend schießen. Die Scheibe für "liegend" misst gerade 4,5 cm.

    "Die Atmung ist auch wichtig. Man soll die Hälfte der Luft ausatmen, blockieren die Atmung, zielen und Schuss. Und nachher erst wieder weiter atmen."

    Was liegend noch ganz gut geht, ist dann stehend hoffnungslos.

    "Also, im Liegen schießen war relativ einfach, durch die Auflage, man wackelt fast nicht. Und im Stehen ist es natürlich schon schwierig. Das Gewehr wird immer schwerer ... Man stellt sich das so einfach vor, weil es so leicht ausschaut im Fernsehen. Aber hier wackelt man halt nur noch rum."

    Mit dabei ist die italienische Biathlon-Meisterin Barbara Felderer, jetzt Fitness-Trainerin im benachbarten Gsiesertal. Sie freut sich, wie mit jedem Schuss unser Respekt vor den Sportlern steigt.

    "Man merkt es erst, wenn man es mal selbst macht, wie schwierig das ist. Beim Zuschauen denkt man, wieso hat der jetzt schon wieder vorbei geschossen. Aber wenn man es dann selbst macht, merkt man, das Gewehr ist nie ruhig."

    Nach dem Schießen teilt uns Barbara ein in zwei Gruppen– für einen kleinen Wettkampf.

    "Die ersten zwei starten zusammen, laufen eine Runde, schießen fünf Schuss, immer liegend. Wenn sie alle getroffen haben, geht es direkt in die zweite Runde. Wenn sie aber einen Fehler haben, gibt's eine Strafrunde, je nach dem – eins, zwei, drei oder auch fünf. Die zweite Runde und wieder Schießen, eventuelle Strafrunden. Und dann wird dem Staffelkollegen übergeben."

    Wobei unsere Laufrunden den Strafrunden der Aktiven entsprechen und unsere Strafrunden recht kurz sind. Im Winter geht das Ganze mit Langlaufski. Und im Rest des Jahres, wenn kein Schnee liegt, dann eben zu Fuß. Auch wenn`s nur Spaß ist, das Wettkampf-Fieber erfasst alle.

    "Ich mache sonst nicht so viel Sport. Es war ziemlich anstrengend, das Laufen, und dann auch wieder beruhigen und auch die Atmung unter Kontrolle halten, weil man ja anvisiert und dann sollte man die Luft anhalten, dann abdrücken und dann kann man wieder ausatmen. Da lernt man die Selbstbeherrschung."

    Biathlon hat seinen Ursprung im Militärsport. Und das Gsiesertal nebenan verweist ebenfalls auf kämpferische Tradition. Ein Denkmal in St. Martin zeigt einen voranstürmenden Geistlichen, der energisch sein Kruzifix schwingt. Pater Haspinger hat zusammen mit Andreas Hofer die Tiroler Freiheitskämpfe angeführt und stammt aus dem Gsiesertal. Dieses Gsiesertal ist ein Südtiroler Kleinod. Für den, der Ruhe, Berge und Landleben sucht, ein Geheimtipp. Es zweigt bei Welsberg ab vom Pustertal, durch das der Verkehr brummt. Das Gsiesertal selbst ist eine Sackgasse. Am Ende von St. Magdalena geht es nur noch zu Fuß weiter. Etliche Wanderwege führen hoch auf die umliegenden 3000er-Gipfel. Im Gsiesertal lebt man immer noch von der Landwirtschaft. Selbst in luftiger Höhe treffen wir auf Kühe.
    Der Wanderweg führt mitten durch die Weide. Gatter auf – rein gehen – Gatter wieder zu.

    "Wir haben 74 bewirtschaftete Almhütten, die man alle erwandern kann. Die sind alle in über 2000 Metern Höhe. Da wird das Vieh im Sommer auf die Alm getrieben. Die Melkkühe bleiben daheim, um die Milch zu liefern. Elf Almhütten sind so bewirtschaftet, dass der Gast auch die einheimischen Gerichte wie Speck, Käse, Kaminwurzen essen kann."

    Was Erich Speck nennt, ist für uns geräucherter Schinken mit wenig Fett. Und Kaminwurzen heißen kleine würzige Knacker.
    Manche Wege sind besonders wasserreich. Alle paar Schritte kreuzt ein neues Rinnsaal den Wanderweg. Über Wiesen und weiches Moos geht es immer höher. Bis dann gar nichts mehr wächst. Wir steigen von Stein zu Stein. Die vielen Wanderwege sind bestens beschildert. Aus 3000 Metern Höhe geht der Blick dann weit über kahle Gipfel und Grashänge - bis zu den Dolomiten, der berühmte Rosengarten leuchtet in der Ferne.
    Und am Abend schmeckt ein spezieller Rotwein. Lagrein.

    "Lagrein ist eine einheimische autochthone Sorte, die es nur in Südtirol gibt, ein bisschen noch im Trentino. Ist verwandt mit Syrah, ein sehr dunkler Wein, robust, wuchtig."

    Dazu bringt Akos Käse. Auch das sind besondere. Viele Bauern im Gsiesertal machen Käse, doch den selbst zu vermarkten, wäre zu aufwendig. Sie geben ihn nach Brixen, dort werden die Käse-Laiber mit zum Beispiel Kräutern oder Apfelraspel eingepackt.

    "Oder zum Beispiel mit Heu. Das hier ist mit Trester aus Lagrein, der andere ist mit Erdmandel verfeinert. Hier haben wir einen Whisky-Käse, der wurde mit Whisky eingerieben und dann gelagert."

    Nach der Bergtour oder eben dem Gaudi-Biathlon in Antholz lassen wir es uns gut gehen.