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Bibelchat und virtueller Altar

Während das Internet aus praktisch keinem Betrieb mehr wegzudenken ist, tut sich das "Unternehmen Kirche" immer noch schwer, das neue Kommunikationsmedium auch im Sinne von "Kundenbindung" einzusetzen. Auf dem 30. Deutschen Evangelischen Kirchentag, der am 29. Mai in Hannover zu Ende geht, sind es demzufolge nur kleine und lokal begrenzte Initiativen, die das Internet als ein wichtiges Bindeglied zwischen Kirche und Gemeinde begreifen und auch einsetzen.

Von Michael Engel | 28.05.2005
    Kirchentag in Hannover - Messehalle 15. Von der Aktionsbühne dringt laute Musik direkt ins benachbarte "Internet-Cafe", das nur durch Stellwände optisch abgegrenzt wurde. Die Jugendlichen, dicht gedrängt vor den rund 100 Rechnern, scheinen die Musik nicht zu hören: ganz vertieft surfen sie im Internet. Eine 16-jährige Schülerin aus Karlsruhe klickt gerade auf die Homepage der Evangelischen Kirche:

    " Ich dene’, dass es ein gutes Angebot ist. Weil man sitzt vor dem PC und dann schaut man sich das eher schon mal an, wenn man sowieso im Internet ist, also das auf jeden Fall. "

    So wie Valerie Kraft verhalten sich viele junge Christen: Sie suchen eher spielerisch nach religiösen Inhalten im Internet. Und bleiben auf der Homepage, wenn’s interessant ist. Ein wenig mehr als nur "Bibelzitate" wollte Eric Heeren ins Internet stellen. Der 29-jährige Lehramts-Referendar für Religion ist der Leiter des Internet-Cafes auf dem Kirchentag in Hannover. Daheim in Oldenburg kreierte er eine Homepage, um die evangelisch reformierte Jugend der Region besser zu erreichen.

    " Wir bieten Materialbörsen an, auch Erfahrungsberichte. Auch Gebete, die während einer Freizeit geschrieben worden sind, kann man sich angucken. Texte, die man gebrauchen kann für Gruppenstunden. Der Computer ist hier ein Übermittlungsmedium. Und es wird sehr gut besucht. Wir haben im Augenblick so an die 3000 Besucher im Monat. Das ist für so eine lokale Seite doch eigentlich ganz gut. Und die Resonanzen im Gästebuch sind doch sehr gut, also man bekommt auch einen regen Austausch. "

    Mittlerweile erkundigen sich Jugendliche aus ganz Deutschland nach den kirchlichen Freizeitangeboten - Made in Ostfriesland. Bislang sind solche Initiativen das Werk einzelner, vor allem junger Christen, die mit dem Internet aufgewachsen sind. Die sprichwörtliche "Kirche im Dorf" hat das Internet noch nicht entdeckt:

    " Die Pfarrer haben ihre traditionelle Gemeinde, ihre traditionellen Strukturen und sind damit auch meistens völlig ausgelastet, weil sie immer mehr Arbeit bekommen auf diesem Gebiet, Verwaltungsarbeit, immer mehr Dörfer dazu bekommen, die können nicht noch so kreativ sein, dass sie so etwas aufziehen. Das bedeutet, dass man täglich daran arbeitet, das bedeutet, sehr viel zu investieren an Kraft und Zeit, da müßte man wieder jemanden hauptamtlich abstellen. "

    So das Urteil von Dorothea Kähler aus Berlin. Sie ist die Pressesprecherin von linet-c, einem "Internetzwerk für christliche Lesben". Wichtigstes Anliegen ist der "Bibelchat" - ein Diskussionsforum über die Bibel. Auf dem Kirchentag in Hannover präsentiert sich die Gruppe das erste Mal einer realen Öffentlichkeit. "Heidrun" aus Bayern chattet auch, …

    "… weil ich auf diese Weise mit anderen lesbischen Frauen christliche Themen austauschen kann auf dieser Basis der Anonymität. Viele haben einfach Probleme in ihren kirchlichen Berufen. Man kann sich persönlich schlecht treffen, weil man auch nicht so nah beieinander auch nicht ist, sondern in ganz Deutschland verbreitet ist. "

    Und vielleicht ist noch etwas ganz anderes möglich: Dass nämlich über die virtuelle Welt wieder mehr Menschen an die real existierenden Kirche herangeführt werden können. Mit diesem Anspruch jedenfalls geht Eric Heeren - der junge Religionslehrer aus Oldenburg - ans digitale Werk.

    " Ich denke mir schon, weil wir dadurch die Jugendlichen ja etwas lockerer an die Kirche heran holen. Kirche ist kein verstaubtes Ding, was da irgendwo ist. Aber die kommen langsam rein, allein die Ranführung. Zu zeigen Kirche kann auch anders. "