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Bienchen, komm tanz mit mir...

Technologie.- Findet eine Biene einen tollen Futterplatz, teilt sie das ihren Artgenossen im Bienenstock durch den Schwänzeltanz mit. Noch immer geben diese Bewegungen Wissenschaftlern Rätsel auf. Nun sollen Informatiker den wundersamen Reigen entschlüsseln.

Von Marieke Degen |
    "Wir hatten den Roboter ja zu uns gedreht, dass wir genau sehen konnten, was für Komponenten da sind, jetzt muss ich ihn aber zum Stock drehen, das mach ich hier mit dem Gestänge. So."

    Ein Gartenhäuschen in Berlin-Dahlem, auf dem Gelände der Freien Universität. Auf dem Tisch ein Versuchsbienenstock, 2000 Bienen tummeln sich hinter Plexiglas. Tim Landgraf rückt ein Gestell aus Aluminium vor den Bienenstock. Vom Gestell aus ragt eine dünnes Gestänge nach vorne, um das sich Kabel und Drähte winden. An seiner Spitze: eine lebensgroße Biene aus Plastik. Tim Landgraf öffnet ein Türchen in der Plexiglasscheibe.

    "Jetzt bewege ich quasi manuell diesen Rahmen und führe die Biene ein, muss mich dazu ein bisschen rüberbeugen, dass ich das besser sehe damit ich keine erdrücke."

    Es ist komplett dunkel im Gartenhäuschen. Natürliche Bedingungen, im Bienenstock ist es schließlich auch nicht hell. Nur ein Rotlicht leuchtet schwach im Hintergrund.

    "Die scheinen jetzt nicht sonderlich genervt davon zu sein, bewegen sich aber weg. Eine kommt an und betatscht und befühlt hinten das Abdomen und die Flügel, und steigt auch ein bisschen drauf, das scheint aber okay zu sein."

    Tim Landgrafs Zeigefinger wandert zum schwarzen Knopf auf seinem Joystick.

    "So, alle bereit? Dann geht’s los. Drei, zwei eins und start."

    Die Motoren am Alugestell setzen sich in Gang, das Gestänge beginnt, sich rhythmisch zu drehen. Mit ihm die Plastikbiene an seiner Spitze. Die Biene scheint kleine Kreise zu laufen, mal rechtsherum, mal linksherum. Alle paar Sekunden hält sie kurz inne und wackelt mit ihrem Hinterteil. Übersetzt in Bienensprache heißt das: Aufgepasst, ich habe eine prima Futterquelle gefunden! Die Roboterbiene tanzt den berühmten Schwänzeltanz.

    "Und jetzt, wo es etwas höher tönt, macht er diese Schwänzelbewegung, der Körper wird hin und hergeworfen, und in diesen längeren Phasen fährt er wieder zurück zum Anfang. Das ist der Tanz."

    Tim Landgraf ist Informatiker an der FU Berlin, er hat die RoboBee entwickelt. Er und sein Team wollen ein Rätsel lösen, an dem sich ganze Generationen von Bienenforschern die Zähne ausgebissen haben: Wie genau geben die Tänzerinnen Informationen an ihre Kolleginnen weiter?

    Bienenexperten gehen davon aus, dass schon in den Tanzbewegungen bestimmte Informationen codiert sind, nämlich wie weit die Futterquelle entfernt ist, und in welcher Richtung sie liegt. Die Tanzschritte allein reichen aber wahrscheinlich nicht aus, um die anderen Bienen zu mobilisieren. Spielt die erhöhte Körpertemperatur der Tänzerin eine Rolle? Der Duft, den tanzende Bienen verströmen? Oder kleine Luftströme, die die Tänzerin mit ihren Flügeln erzeugt? Robobee soll den Forschern dabei helfen, das herauszufinden. Deshalb kann die Plastikbiene ebenfalls ihre Flügel bewegen, und nicht nur das. Andreas Kirbach, Neurobiologe an der FU Berlin:

    "Also einmal ist in dem Modell eine kleine Heizung eingebaut, um die Körpertemperatur entsprechend zu erhöhen. Wir haben verschiedene Düfte, die wir ausprobieren, die werden auf dem ganzen Roboter verteilt, so dass die Bienen, wenn sie den Roboter mit ihren Antennen berühren, die Düfte auch wahrnehmen können."

    Jetzt müssen die Forscher ihre Bienen nur noch dazu bringen, den Roboter zu akzeptieren. Und dann genau in die Richtung zu fliegen, die er ihnen vorgetanzt hat.

    "Es ist tatsächlich am Anfang passiert, dass die Bienen recht aggressiv drauf reagiert haben. Die haben gebissen und gestochen. Also zum Beispiel ist der Roboter nicht in der Lage gewesen, den Bienen auszuweichen, hat die weggestoßen, und da sind sie natürlich aggressiv geworden, das kann man sich ja vorstellen. Oder er hat nicht richtig gerochen, die haben ihn als Fremdkörper angesehen."

    Aggressiv sind die Bienen heute nicht, aber auch nicht sonderlich interessiert. Sie sind zurückgewichen, keine will die Kollegin aus Plastik mit ihren Antennen befühlen. Einsam zieht die Roboterbiene ihre Kreise, wie ein Pogotänzer auf einem Rockkonzert.

    "Aha... so jetzt haben wir uns einen Weg freigeräumt, quasi drei mal drei Zentimeter Fläche, die frei ist, und hin und wieder Bienen, die zum Roboter stoßen, aber das Folgeverhalten, wie wir es kennen, bei normalen Tänzen, sehen wir nicht."

    Vielleicht wird es die Roboterbiene doch irgendwann schaffen, die Bienen zu überzeugen. Tim Landgraf und Andreas Kirbach sind zuversichtlich. Schließlich hat der Sommer gerade erst begonnen.

    www.robobee.eu