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Biene für freien Zugang

Internet.- Zum nunmehr sechsten Mal haben die Stiftung Digitale Chancen und die Aktion Mensch ihre sogenannten Bienen verliehen. Dabei werden Webseiten und Anwendungen ausgezeichnet, die eine gute Barrierefreiheit vorweisen können.

Von Wolfgang Noelke | 05.12.2009
    Als Preis gibt es eine Plexiglas-Skulptur für die Vitrine. Mehr nicht. Die Biene ist dennoch eine der begehrtesten Medienpreise, gerade wegen der strengen 150 Kriterien, die sich ständig der, für Behinderte, wie auch für Nichtbehinderte ändernden Web-Wirklichkeit anpassen. Prof. Herbert Kubicek vom Bremer Institut für Informationsmanagement:

    "Zum Beispiel die verschiedenen Registrierungsmöglichkeiten, wie die sogenannten Catchas, die sicherstellen sollen, dass keine Roboter auf eine Internetseite gehen, sind Bilder, die für blinde Menschen nicht übersetzt werden können im Gegensatz zu anderen Bildern. Wir haben aber auch sehr interessante Nutzungsformen gefunden, dass zum Beispiel YouTube ein Kommunikationsmedium für gehörlose Menschen ist, indem sie sich nämlich selbst filmen mit der Gebärdensprache und jetzt nicht an die Öffentlichkeit, sondern an andere, Bekannte dann über die Gebärdensprache und das Video sich wenden und so Rückantworten bekommen. Es bilden sich neue Netze und die Menschen mit Behinderungen eignen sich bestimmte Technologien in ihrer Eigenart an und das muss man natürlich dann, wenn man im nächsten Jahr die Biene vergibt, dann auch als Beurteilungskriterium mit berücksichtigen."

    Erste reine Gebärdensprache-Videos beispielsweise über die Biene- Preisverleihung sind schon bei YouTube veröffentlicht und das erste kommunale Angebot, mit ihren gehörlosen Bürgern per Gebärdensprache zu kommunizieren, leistet sich die Stadt Bonn. Rolf Bockshecker ist dort Projektkoordinator für eGovernment:

    "Es sieht im Moment so aus, dass die Stadtverwaltung eine Anfrage bekommt und das Video, das der Gehörlose einreicht wird durch die Firma 'Gebärdenwerk' durch einen Gehörlosen übersetzt in Schriftsprache und an die Stadtverwaltung übermittelt. Die Stadtverwaltung recherchiert und antwortet in Schriftsprache und dort wird dann auch wieder 'Gebärdenwerk' tätig, nimmt ein Video auf und übersetzt mit einem Gebärdendolmetscher, wie das auch heute bei der Veranstaltung war. Für die Stadtverwaltung ändert sich eigentlich in der Art und weise, wie sie arbeiten muss gar nichts. Die Sachbearbeiter müssen nach wie vor antworten mit einer e-mail, genau, wie es jetzt ist, wenn sie eine e-mail- Anfrage bekommen. Das heißt: Mehraufwand für die Verwaltung entsteht an dieser Stelle nicht. Was wir finanziell leisten müssen, ist die Übersetzungstätigkeit für dieses Video. Aber das hält sich wirklich in kleinen Rahmen."

    Nur für Nichtbehinderte scheint es absurd zu sein, dass Gehörlose, die ohne Schwierigkeiten auch lesen könnten, diesen komplizierten Umweg benötigen. Gebärdensprache ist aber, im Gegensatz zum üblichen Schriftdeutsch eine grammatikalische Fremdsprache, mit ähnlichem Schwierigkeitsgrad, als müsste ein Oberbayer mit einem Friesen schriftlich im jeweiligen Dialekt kommunizieren. Bereits an der, in Bayern üblichen doppelten Verneinung könnte das scheitern. Dass auch Nichtbehinderte von einer, zunächst mal für Sehbehinderte geschaffenen Lösungen profitieren, beweist die silberne Biene für das Bankhaus Credite Suisse, deren sehbehinderter System- Entwickler Alireza Darvishy das Captcha-Problem dadurch löste..:

    "...dass man den Code, den man normalerweise eingibt, dann per SMS bekommt. Die Sehbehinderten, die haben normalerweise auch so ein Vorlese-Programm auf ihrem Handy, das dies gleich vorliest. Dann können sie auch diesen Code eingeben."

    Damit wäre das System gleichzeitig sicherer, auch für Nichtbehinderte. Allgemeiner Trend ist, dass Websites zunehmend ohne animierte Datenlast auskommen. Ein Tribut an mobile, aber auch behinderte Nutzer.