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Bienen allein reichen nicht

Umwelt. - Honigbienen sind für die menschliche Landwirtschaft unersetzliche Partner, doch nicht nur sie. Ein internationales Forscherteam hat jetzt in einer weltweiten Studie ermittelt, welche Rolle andere, wilde Insektenarten bei der Pollenverbreitung spielen. Ihre Ergebnisse machen deutlich: Bienen allein reichen nicht, um auf Dauer gute Ernten einzufahren.

Von Lucian Haas | 01.03.2013
    Wenn es um die Sicherung der Ernteerträge in der Landwirtschaft geht, denken Bauern klassischerweise an ausreichend Wasser, Dünger und möglicherweise auch die passenden Pestizide, um Schädlinge fern zu halten. Doch es gibt noch einen weiteren wichtigen Faktor, den der argentinische Ökologe Lucas Garibaldi im Podcast des Fachmagazins "Science" beschreibt – die Pollenversorgung:

    "Blüten brauchen Pollen, um sich zu Früchten und Samen zu entwickeln. Und wilde Insekten, aber auch Honigbienen helfen dabei, den Pollen von einer Blüte zur anderen zu tragen. Dabei ist nicht nur die Menge an Pollen wichtig, die sie liefern, sondern auch die Qualität. Indem sie die Pollenversorgung verbessern, erhöhen die Insekten die landwirtschaftliche Produktion."

    Es macht also Sinn, sich um die bestäubenden Insekten zu kümmern. Die größte Beachtung erfahren dabei domestizierte Honigbienen. Doch es gibt eine Vielzahl anderer wilder Insektenarten, die zur Bestäubung beitragen. Lucas Garibaldi hat eine internationale Studie geleitet, bei der 50 Forscher erstmals auf allen Kontinenten – bis auf die Antarktis – in unterschiedlichsten landwirtschaftlichen Produktionssystemen erfassten, welchen Anteil wilde Insekten an der Bestäubungsleistung haben. Garibaldi:

    "Wir haben beobachtet, dass in Landschaften mit geringerer Vielfalt und geringerem Vorkommen von wilden Insekten die Pflanzen weniger Samen und Früchte ansetzen. Das trifft sogar auf Felder zu, auf denen es viele Honigbienen gibt. Das heißt, dass Honigbienen hinsichtlich der Qualität und Quantität der Pollenversorgung die wilden Insekten nicht ersetzen können, egal wie viele Honigbienen es gibt."

    Andersherum gesagt: Überall dort, wo es viele Wildinsekten auf den Feldern gab, verzeichneten die Forscher bei den untersuchten Pflanzen eine höhere Fruchtbarkeit samt höherer Erträge. Dabei korrelierte die Zahl der Wildinsekten stets mit einer größeren Strukturvielfalt in der Agrarlandschaft. Für Lucas Garibaldi ergibt sich daraus eine klare Botschaft: Sich allein auf Bienenvölker zu verlassen, die von Vertragsimkern an den Rand riesiger Felder mit Monokulturen gefahren werden, wie es heute schon in vielen Regionen der USA üblich ist, stellt keine nachhaltige Lösung dar.

    "Wir brauchen heterogenere Landschaften, nicht nur Monokulturen. Wir brauchen mehr Fruchtwechsel. Und wir können auch gezielte Maßnahmen ergreifen, um die Bestäuber zu fördern, indem wir ihnen Blumen und Nistplätze bieten oder beispielsweise Pestizide nicht mehr während der Blütezeit versprühen."

    Wie wichtig ein solches Umdenken wäre, zeigt eine weitere Studie, die auch in der aktuellen Ausgabe von Science erschienen ist. Die US-Ökologin Laura Burkle von der Washington University in St. Louis hat in einer Agrarregion bei Carlinville im Bundesstaat Illinois minutiös erfasst, welche wilden Bienenarten dort vorkommen und welche Pflanzen sie bestäuben. Ihre Daten verglich sie mit den Ergebnissen früherer Erhebungen am gleichen Ort, die Forscherkollegen einmal in den 1970er Jahren und dann sogar bereits Ende des 19. Jahrhunderts durchgeführt hatten. Dabei zeigte sich: In der heute viel monotoneren Landschaft, in der über die Jahre viele Waldflächen in große Ackerflächen umgewandelt wurden, ist nur noch knapp die Hälfte der einst über 100 erfassten Bienenarten präsent. So wie Lucas Garibaldi warnt deshalb auch Laura Burkle:

    "Verschiedene Bienenarten für die Bestäubungsdienstleistung nutzen zu können ist wirklich entscheidend für unsere Ernährungssicherheit. Dieser massive Rückgang der Vielfalt der Bienenarten, den wir hier beobachten, ist beunruhigend. Das ist etwas, um das wir uns kümmern sollten."