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Bienenplage
Bücherskorpion gegen Varroamilbe

Die Varroamilbe gilt seit einigen Jahren als eine der größten Bedrohungen für Bienenvölker. Die Imker bekämpfen sie vor allem mit chemischen Mitteln. Doch ein Hamburger Biologielehrer erprobt derzeit einen alternativen Ansatz. Er setzt auf den Bücherskorpion, ein Spinnentier, das sich von Kleinstlebewesen ernährt und auch auf die Varroamilbe Jagd macht.

Von Julian Bohne | 28.03.2014
    Es herrscht geschäftiges Treiben in der Schulimkerei der Otto-Hahn-Schule in Hamburg-Jenfeld. An Arbeitstischen führen Schülergruppen Versuche mit Bücherskorpionen durch. Die dunkelbraunen Spinnentiere sind bis zu fünf Millimeter groß und verdanken ihren Namen den beiden langen Scherenarmen, die sie vorne am Kopf tragen und mit denen sie unter anderem Bücherläuse jagen. Die Schülerin Nathalie untersucht mit ihrer Arbeitsgruppe, wie die Tiere auf verschiedene Temperaturen reagieren.
    "Der Sinn ist, dass wir gucken möchten, wo die Tierchen am aktivsten sind und wo sie sich am wohlsten fühlen. Wenn sie sich am wohlsten fühlen, dann pflanzen sie sich natürlich eher fort als wenn nicht."
    Im Rahmen des Wettbewerbs Jugend Forscht erarbeiten die Schüler, unter welchen Bedingungen sich Bücherskorpione am besten in Bienenstöcken ansiedeln lassen. Dort sollen sie dabei helfen, die Varroa-Milbe zu bekämpfen, nach Meinung vieler Forscher einer der größten Bienenschädlinge überhaupt. Angeleitet werden die Schüler von ihrem Biologielehrer Torben Schiffer.
    "Bis zu 30 Prozent der Bienenbestände werden jedes Jahr alleine durch Varroamilben vernichtet. Und die Imker benutzen normalerweise Chemie, um diese Milben loszuwerden. Die Bücherskorpione machen diesen Job ganz ohne Chemie. Die jagen sozusagen innerhalb des Bienenstocks die Milben und entlausen die Bienen auch richtig."
    Unter dem Mikroskop sieht man, wie die Bücherskorpione mit den Milben kurzen Prozess machen. Zielstrebig bewegen sie sich auf ihre Beute zu, packen und lähmen sie mit ihren Scherenarmen und saugen sie dann aus. Bereits 1951 schrieb der österreichische Zoologe Max Beier unter dem Titel "Der Bücherskorpion, ein willkommener Gast der Bienenvölker" über die nützliche Wirkung der sogenannten Pseudoskorpione. Doch aus der modernen Imkerei sind die Tiere nahezu verschwunden. Schuld sind Torben Schiffer zufolge die aggressiven Chemikalien, mit denen die Varroamilbe seit ihrer Einschleppung nach Europa im Jahr 1977 bekämpft wird. Auch seien moderne Bienenstöcke aus Hartschaum kein geeigneter Lebensraum.
    "Der Bücherskorpion braucht eine Vielzahl von Kleinstlebewesen, auf die er in seinem Lebenskreislauf angewiesen ist. In Plastik lebt allerdings gar nichts, das ist ein totes Material. Wenn man Holz oder Stroh nimmt, dann hat man da ein wunderbares Substrat für eine Vielzahl von Kleinstlebewesen, die auch in der Natur so früher vorgekommen sind, zum Beispiel in hohlen Baumstämmen, wo ja Bienen früher drin gelebt haben."
    Seine Erkenntnisse zum Bücherskorpion veröffentlicht Torben Schiffer auf seiner Internetseite. Doch in der Fachwelt stößt der Ansatz des engagierten Biologielehrers und Imkers bisher eher auf Skepsis. Peter Rosenkranz leitet die baden-württembergische Landesanstalt für Bienenkunde an der Universität Hohenheim.
    "Es ist natürlich beeindruckend, wenn man sieht, dass dieser Bücherskorpion in der Petrischale Varroamilben dann tatsächlich angreift und auch aussaugt. Aber eine wirkliche Wirksamkeit erfordert eben mehr, als dass einige Varroamilben abgetötet werden. Die Varroamilbe kann sich vom Frühjahr bis zum Herbst um den Faktor 50 oder mehr vermehren. Also muss permanent Druck auf die Varroamilbe ausgeübt werden. Und aufgrund der bisher vorliegenden Daten habe ich Zweifel, ob der Bücherskorpion das tatsächlich leisten kann."
    Um tatsächlich als wirksames Mittel gegen die Milben in Frage zu kommen, wären pro Bienenvolk wohl wesentlich mehr Bücherskorpione nötig, als ursprünglich von Max Beier beobachtet, vermutet Peter Rosenkranz. Der Ansatz müsse daher zunächst unter praxisnahen Bedingungen wissenschaftlich erforscht werden – auch um negative Auswirkungen auf die Bienen selbst auszuschließen.
    "In dem Moment, wo ich mit Prädatoren, also mit Feinden, wirklich in das Bienenvolk gehe, müssen auch die Risiken berücksichtigt werden. Es gibt in diesem Zusammenhang auch andere Ansätze mit Nematoden oder mit milbenpathogenen Pilzen. Und auch hier ist immer das Problem, dass man sich überlegen muss, was man auch tatsächlich später im Bienenvolk anwenden darf."
    Grundsätzlich würde Peter Rosenkranz entsprechende Forschungsanträge unterstützen. Auf den Segen der renommierten Bienenforschungsinstitute will Torben Schiffer jedoch nicht warten. Er ist fest entschlossen, sein Wissen über den Bücherskorpion auf eigene Faust zu erweitern. Zur Zeit gründet er einen gemeinnützigen Verein. Sein Ziel: Er will interessierte Imker auf seinen Ansatz aufmerksam machen.