Freitag, 29. März 2024

Archiv


Bier statt Kaffee

1781 erließ Friedrich der Große für Preußen ein staatliches Kaffeemonopol. Statt teuren Kaffee zu importieren, sollte das Volk lieber Biersuppe zu sich nehmen und so die einheimische Brauwirtschaft fördern. Doch ein lebhafter Schmuggel sicherte Friedrichs Untertanen weiter ihren täglichen Genuss.

Von Monika Köpcke | 21.01.2006
    "Man bläst, man schlürft, man saugt und rühret,
    man trinkt mit Milch, und auch allein,
    wie jeder bei sich Lust verspüret,
    so schluckt er diesen Nektar ein,
    den Gott den Sterblichen gegeben,
    damit sie hier vergnügter leben."

    Welch ein erhebendes Erlebnis muss für einen armen Landarbeiter der erste frisch aufgebrühte Kaffee seines Lebens gewesen sein: die Müdigkeit wie weggeblasen, der Kopf so klar wie selten. Ganz anders das Bier, das das Gehirn umnebelt, und mit dem aber die Menschen zuvor jahrhundertelang in den Tag starteten. Man trank es in erschreckenden Mengen und löffelte es als Suppen aller Art, zum Frühstück, am Mittag, am Abend.

    In Deutschland wird seit etwa 1680 Kaffee getrunken. Anfänglich ist das braune Heißgetränk ein reiner Modetrank: Man, das heißt, die bessere Gesellschaft, trinkt ihn, um 'en vogue' zu sein. Doch seit dem 18. Jahrhundert wird der Kaffee zum hochgeschätzten Alltagsgetränk aller sozialen Schichten. Die Bürgersfrau trinkt ihn ebenso wie ihr Dienstmädchen, der Adelige ebenso wie der Bauer. Alle Welt genießt Kaffee und reimt selbstironisch:

    "Saufen wir uns auch zu Tode, so geschieht’s doch nach der Mode."

    Der stark zunehmende Kaffeekonsum widersprach der merkantilen preußischen Wirtschaftspolitik, die darauf aus war, möglichst wenig Konsumgüter zu importieren und so das Geld im eigenen Lande zu halten. Kaffee aber war eine teure Importware, die wertvolle Devisen außer Landes brachte. Außerdem hatte der Preußenkönig Friedrich der Große gerade den Siebenjährigen Krieg hinter sich. Krieg ist teuer, und er brauchte Geld. 1766 untersagte er die freie Kaffee-Einfuhr und den freien Handel. Mit Kaffeebohnen handeln durfte in Preußen nur noch der Staat selbst. Kaffee wurde nachträglich in die Luxuskategorie eingeordnet und mit wahnwitzigen Steuern belegt. So wollte der König den Konsum einschränken oder wenigstens mitverdienen am Kaffeelaster seiner Untertanen. Statt Kaffee – so die friderizianische Wirtschaftspolitik – sollte das Volk lieber wieder Biersuppe zu sich nehmen und so die angegriffene einheimische Brauwirtschaft fördern. Doch das Volk zeigte sich wenig einsichtig. Seine Antwort auf diese Maßnahmen war ein sprunghaft ansteigender Kaffeeschmuggel nach Berlin und Preußen. Gegen die List der Schmuggler schien man machtlos.

    "Sie verstecken die Bohnen teils in Sandfuhren, Kohlensäcken, Strohschiffen oder Biertonnen, teils werden sie den Weibern unter die Röcke drapiert, teils gar in Särgen unter den Leichen gebettet."

    Da dem Schmuggel nur schwerlich Einhalt zu gebieten war und auch die Steuerung des Kaffeekonsums durch Luxusbesteuerung sich als wenig effektiv erwies, griff Friedrich der Große zu einer weiteren Maßnahme, seinen Untertanen das Kaffeelaster auszutreiben. Am 21. Januar 1781 ließ er verkünden:

    "Es ist allen und jedem verboten, in den Häusern oder irgend anderswo Kaffee zu brennen, und keinen anderen Kaffee zu führen als denjenigen von der General-Niederlage in Paketen versiegelten und gestempelten Kaffee."

    Neben der Einfuhr und dem Handel hatte der Staat nun also auch das Kaffeerösten unter seine Fittiche genommen. Das private Brennen war bei strenger Strafe verboten, geröstet wurde ausschließlich in der Staatlichen Rösterei in Berlin. Nur die königlichen Zolllager und wenige konzessionierte Lebensmittelhändler durften den gerösteten Kaffee verkaufen – zu horrenden Preisen versteht sich. Zur Kontrolle des Röstverbotes wurden in ganz Preußen 400 dienstentlassene französische Soldaten eingestellt, die so genannten Kaffeeriecher. Ihre Gehälter waren hoch, aufbessern konnten sie diese noch durch anteilige Prämien des erschnüffelten Kaffees. Der Willkür waren Tür und Tor geöffnet. Auf offener Straße durchsuchten die Kaffeeriecher das Gepäck von Reisenden, sie drangen in Häuser ein, um heimlich gebrannten Kaffee zu erschnüffeln und auch gleich die entsprechenden Strafen zu verhängen. Eine Berliner Bürgersfrau über ihre Begegnung mit den Kaffeeriechern:

    "Man stelle sich die Aufregung vor, als ich mit meinen Freundinnen bei Tische saß, die Tür aufgerissen wurde, drei uniformierte Männer in die Stube stürmten, unsere Tassen inspizierten und die Küche auf den Kopf stellten. Zu meinem Glück wurde an diesem Nachmittag nur Tee serviert."

    Die Kaffeeriecher waren die meistgehassten Franzosen im Land. Doch trotz ihrer immer offeneren Willkür und trotz der jährlich anwachsenden Beschwerden preußischer Staatsbürger blieben sie bis 1787. Erst nach dem Tod Friedrichs des Großen schaffte sein Nachfolger die Kaffeeriecher und auch das staatliche Kaffeemonopol ab. Es hatte sich die Einsicht durchgesetzt, dass auch noch so hohe Steuern nicht den Schaden ausgleichen konnten, den der Kaffeeschmuggel für die Staatskasse bedeutete.