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Big Beautys in Baku

Seit 1936 beherbergt das Kunstmuseum in Baku die staatlichen Kunstsammlungen von Aserbaidschan. Das Museum verfügt über eine profunde Sammlung aserischer Kunst vom 11. Jahrhundert bis zu zeitgenössischen Arbeiten. Doch viele der ausgehängten Werke sind in einem schlimmen Zustand: Die Leinwände der Bilder sind teilweise nur mit Klebeband zusammen gehalten; bei anderen Werken fehlt die Datierung. Baku will deshalb seine Zusammenarbeit mit deutschen Museen ausbauen.

Von Antje Allroggen |
    Von Baku erwartet man als westeuropäischer Tourist eigentlich nichts. Auf dem Stadtplan, den es immerhin für die wenigen ausländischen Gäste zu kaufen gibt, ist gerade einmal das Teppich-Museum verzeichnet. Dann noch seine Altstadt, die immerhin seit sieben Jahren zum Welterbe der Unesco zählt. Dort, in der ummauerten Stadt, steht der Palast der Khane von Schirwan und der aus dem 11. Jahrhundert stammende Jungfrauenturm. Beide Monumente erlitten allerdings im Jahr 2000 durch ein Erdbeben erhebliche Schäden. Weil die aserische Regierung über drei Jahre lang keinen überzeugenden Konservierungsplan für das Areal vorlegte, wurde die Altstadt im Juli 2003 von der Unesco als gefährdet eingestuft. Seitdem steht Baku auf der Roten Welterbeliste.

    Doch seit kurzem scheint der Weg aus der kulturellen Krise gebannt: Der neue aserische Kulturminister ist jung und hat Geld. Seine Mehreinnahmen resultieren aus dem wirtschaftlichen Wachstum des Landes. Vom neuen Ölboom Aserbaidschans soll auch die Kultur profitieren: Viele der neogotischen Villen, in denen die Ölbarone des 19. Jahrhunderts in Baku einst residierten, werden aufwendig saniert. Heute befinden sich in den Bürgerhäusern vor allem Brandname-Boutiquen, die den neuen Reichtum der Stadt eindrücklich demonstrieren.

    Im Kunstmuseum von Baku ist von Aufbruchstimmung noch wenig zu erahnen. Seine Fassade, auch dieses Gebäude wurde im Stil der Gründerzeit erbaut, hat sich im Laufe der Jahre hinter einer hässlichen schwarzen Rußpartikelschicht versteckt. Ein Gerüst umhüllt das Museum; in den kommenden Jahren soll es renoviert werden. Die Villa hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich, erzählt der Museumsdirektor Israfil Israfilov. Erbaut wurde sie von einem holländischen Millionär. Später nutzte kein Geringerer als Baron von Rothschild das Gebäude als Büro. Israfil Israfilov:

    "Nach der Revolution wurde das Gebäude unterschiedlich genutzt. Die kommunistische Partei hatte hier ihren Sitz, und einer ihrer Anführer wohnte auch in dem Haus."

    Seit 1936 befinden sich die staatlichen Kunstsammlungen Bakus in diesem Gebäude. Das Museum verfügt über eine profunde Sammlung aserischer Kunst, die vom 11. Jahrhundert bis zu zeitgenössischen Arbeiten reicht und auf die das Haus spürbar stolz ist. Den nicht minder hochwertigen weiteren Sammlungsschwerpunkt des Hauses dagegen verschweigen selbst die Broschüren, die es im Museum zu kaufen gibt - übrigens nur in aseri oder russisch erhältlich. Vielleicht deshalb, weil viele der Kunstwerke, hervorragende europäische Malereien aus dem 16. bis 19. Jahrhundert, illegal nach Baku kamen: Als Teil der so genannten Baldin-Sammlung wurden im Jahr 2000 immerhin 14 Zeichnungen, die im Kunstmuseum Baku hingen, an ihren Heimatort Deutschland zurückgegeben. Unter den Zeichnungen befand sich unter anderem eine Madonnenskizze Raffaels, vor allem aber Dürers berühmtes "Frauenbad". Die Rückführung dieser Bilder zeige den guten Willen des Landes, so der Museumsdirektor staatsmännisch:

    Andere Werke wie etwa eine Genreszene des spanischen Barockmalers Bartolomé Esteban Murillo habe die Sammlung nur einem etwas peinlichen Zufall zu verdanken, erzählt Israfilov:

    "Das Gemälde stellte uns die Eremitage in Sankt Petersburg zur Verfügung. Natürlich meinte das Museum, uns eine Kopie geschickt zu haben. Erst vor einigen Jahren stellte sich dann heraus, dass man irrtümlich statt einer Kopie das Original nach Baku geschickt hatte. Aus juristischen Gründen steht aber nun Aserbaidschan das Original zu, also hängt es weiterhin bei uns in Baku, als eine der Perlen unserer Sammlung."

    Noch immer befinden sich viele der im Kunstmuseum Baku ausgehängten Werke in einem schlimmen Zustand: Die Leinwände der Bilder sind teilweise nur mit Tesa-Film zusammen gehalten; bei anderen Werken fehlt die Datierung. Baku will seine Zusammenarbeit mit den deutschen Museen ausbauen. Und, um ehrlich zu sein, bislang gäbe es kein einziges deutsches Haus, mit dem man kooperiere, gesteht Museumsdirektor Israfil Israfilov. Noch allerdings hat das aserische Kunstmuseum den Anschluss an europäische Standards nicht gefunden.

    Im Vorgarten des Bakuer Museums zwinkert eine große Statue von Karl Marx dem europäischen Besucher zum Abschied zu. Über ein Depot für solche Altlasten verfügt das Haus anscheinend nicht. Weiteren Exponaten aus dem Fundus des Museums hat man übrigens einfach Plastiktüten übergestülpt und verwahrt sie gutgläubig im Hausflur der Villa, der für jeden Besucher zugänglich ist.

    Hinter seiner Eingangstür wird ein Teil Lebensgeschichte des kommunistischen Regimes wieder lebendig: Zwei uniformierte Polizisten weisen den Besucher ins Innere des Gebäudes hinein. An der Garderobe sitzt ein altes Mütterchen, bekleidet mit Kopftuch und Goldzähnen. Auf dem Tresen steht eine alte Herdplatte, auf der abgestandenes Teewasser köchelt.