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"Big Blue´s" neue Hardware für das Internet

Die Reihen der ambitionierten Prozessorschieden lichten sich zusehends: Compaq gibt seinen "ALPHA" auf, Silicon Graphics zieht "MIPS" aus dem Rennen und Hewlett-Packard mottet "PA RISC" ein. So bleiben neben dem übermächtigen Intel-Konzern schließlich nur noch AMD, IBM und Sun übrig. Für Aufmerksamkeit unter Experten und Analysten sorgte jetzt IBM: Big Blue, so der Spitzname des Büromaschinengiganten, veröffentlichte jetzt Einzelheiten zu seiner neuen Prozessorgeneration.

Achim Killer |
    "Power" heißen die IBM-eigenen Prozessoren und sollen dementsprechend Kraft und Leistung vermitteln. Doch richtig populär wurde davon eigentlich nur eine Variante: der Power-PC, den IBM zusammen mit Motorola entwickelte, bringt vor allem Apple-Rechner auf Trab. Die eigentlichen Power-Prozessoren hingegen stecken in Unix-Workstations und Servern von IBM. Jetzt stellte das Unternehmen mit Power 5 die nächste Generation dieser Ahnenreihe vor. Ihre herausragendste Eigenschaft taufte der weltgrößte Computer-Konzern auf "Fast Path" - schneller Pfad: Bei dieser Technologie werden einige kleine, aber häufig benutzte Funktionen des Betriebssystems quasi in Hardware gegossen. Dazu gehören ein Teil der Internet-Protokoll-Verarbeitung sowie die Speichervirtualisierung, bei der ein Teil des stets begrenzten und knappen Arbeitsspeichers meist umständlich auf die Festplatte ausgelagert wird. Weil die entsprechenden Befehle nicht erst dekodiert werden müssen, sondern sofort als Hardwarefunktion bereit stehen, erzielt der Chip einen beträchtlichen Zeitgewinn.

    Dass "Power 5" dieses Feature mit auf den Weg bekommen hat, erstaunt die Fachwelt etwas, handelt es sich bei dem Produkt doch um so genannte RISC-Chips. Das Akronym steht für Reduced Instruction Set Computing und besagt eigentlich, dass die Prozessoren nur wenige Befehle verstehen, diese aber dafür sehr effektiv abarbeiten können. Dennoch erweiterte IBM den knappen Befehlssatz seiner Chips. Den Grund vermuten Experten in der besonderen Stärke des Konzerns auf dem Gebiet der Halbleiter-Technologien. So ist IBM in der Lage, sehr viele Funktionen auf seine Chips zu packen. In der aktuellen Power-Generation wurden beispielsweise gleich zwei Prozessor-Kerne auf einem Chip integriert - kein zweites Unternehmen geht mit Silizium vergleichbar virtuos um. Hinsichtlich der Prozessor-Logik sei das Unternehmen weniger originell, meint zumindest Ian Brown, Analyst der Unternehmensberatung Gartner Group: "IBM ist sicherlich sehr gut, was die Technik anbelangt, etwa bei der Umsetzung des Silicon-on-Insulator-Verfahren sowie bei der Kupferverdrahtung ihrer Prozessoren. Dabei besitzt IBM größtenteils einen Vorsprung vor der Konkurrenz. Andererseits kommt das Unternehmen auch hinsichtlich des Chip-Designs voran, doch dabei ist IBM vielleicht nicht ganz so innovativ wie eine einige der Konkurrenten."

    Darüber hinaus wird der Power 5 das so genannte "simultaneous multithreading" beherrschen und damit in der Lage sein, mehrere Programmstränge – "Threads" - gleichzeitig zu verarbeiten. Der Vorteil dabei: Wartet ein Thread auf Daten aus dem Arbeitsspeicher, kann ein anderer Programmstrang derweil schon vorgezogen werden. Bis vor kurzem war diese Technik weltweit nur in acht Chips eines Cray-Supercomputers realisiert. Seit Anfang des Jahres beherrschen allerdings auch Intels Server-Prozessoren das "simultaneous multithreading". Bei dem Wettstreit geht es dabei allerdings nicht nur um die Demonstration von Leistungsfähigkeit und Knowhow, sondern um blanken Existenzkampf. So warfen einige Prozessorschmieden das Handtuch, nachdem Intel seinen Hochleistungs-Chip Itanium angekündigt hatte. Doch die anhaltenden Verzögerungen dabei räumen Sun und IBM neue Chancen ein, meint Brown: "Unter den gegenwärtigen Gegebenheiten auf dem Markt sehen wir Platz für Power und einen für Sparc. Sicherlich sind beide Architekturen zumindest innerhalb der kommenden fünf Jahre lebensfähig."