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Big Brother Award 2005

Im ostwestfälischen Bielefeld haben sich rund 120 kritische Geister dem Datenschutz verschrieben. Bekannt geworden ist der FoeBud, der Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs vor allem durch seinen jährlichen Negativ Preis für den Datenschutz. Zum fünften Mal wurde gestern Abend der Big Brother Award verliehen.

Von Wolfgang Noelke |
    Gleichberechtigt sind sie alle, die Big-Brother-Awards, die Negativpreise, die der Bielefelder Verein zur "Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs", abgekürzt FoeBuD seit fünf Jahren verleiht. Jurymitglied Dr. Rolf Gössner von der internationalen Liga für Menschenrechte verrät erst zum Schluss der zweistündigen Veranstaltung den Lieblingspreisträger der Jury:

    " Otto Schily erhält den Big Brother Livetime-Award 2005 für die übereilte Einführung des biometrischen E- Passes... (Applaus) ...des biometrischen E- Passes mit unausgereifter Technologie und ohne parlamentarische Legitimation. Darüber hinaus für seine Verdienste des europäischen Überwachungssystems auf Kosten der Bürger- und Freiheitsrechte, sowie für seine hartnäckigen Bemühungen um die Aushöhlungen des Datenschutzes und der informellen Selbstbestimmung unter dem Deckmantel von Sicherheit und Terrorbekämpfung. "

    Schily verschmäht seinen so genannten "Überwachungs-Oscar" und erscheint ebenso wenig zur Preisverleihung, wie fast alle anderen Preisträger vor ihm. Nur vor drei Jahren springt die Firma Microsoft über den Schatten der Negativbewertung und entsendet einen Firmensprecher nach Bielefeld. Dadurch entstand ein für beide Seiten fruchtbarer Dialog, sagt FoeBuD- Gründungsmitglied "padeluun":

    " Deutsche Unternehmen kriegen das in der Regel nicht hin. Sie haben immer das Gefühl, dass wir sagen wollen: Ihr seid böse! Aber nein, wir sagen nur: Ihr habt Euch nur böse verhalten. Ändert das, verbessert das! Und das kommt noch nicht an, dass ein Diskurs wirklich darin besteht, nicht nur dass zwei Leute eine Meinung haben und wer der Schwächere ist, verliert, sondern dass es darum geht, tatsächlich gemeinsam was zu entwickeln und eine lebenswerte Welt zu gestalten."

    An der Datensammelwut, so das Fazit der gestrigen Veranstaltung ändert die goldene Zitrone des Datenschutzes wenig: Spätestens mit der Fußball- Weltmeisterschaft würden der Big- Brother- Preisträger "Deutscher Fußball Bund" die RFID-Funk-Schnüffelchips flächendeckend einführen. Bereits bei der Bestellung der WM-Karten würde der DFB sinnlose Daten speichern, kritisiert FoeBuD-Gründungsmitglied Rena Tangens. Gesetzlich verboten sei beispielsweise die Ausweis-Seriennummer zur Personenerkennung zu verwenden.

    " Doch das störte das WM-OK des DFB wenig. Und das WM-OK fühlt sich beim Datenmissbrauch offensichtlich sicher. Denn Innenminister Otto Schily höchstpersönlich sitzt mit im Organisationskomitee der Fußball-WM und deckte die Abgabe der Ausweisnummer, ja vermutlich forderte er sie sogar. Die Personalausweis-Nummer wird gespeichert und kann in einer Datenbank mit der Nummer des RFID-Chip verknüpft werden, der in die Eintrittskarten integriert ist. Sehr praktisch! "

    ... in erster Linie für Adressen-Händler und die Werbeindustrie. Erst nach einer vom Verbraucherschutzverband "vzbv" initiierten Abmahnung lenkt der DFB ein. Seitdem muss man einer werblichen Nutzung seiner Daten erst zustimmen, doch die sinnlose Angabe der Personalausweisnummer bestünde weiterhin und differenziere die Karteninteressenten jetzt schon mal in Datenverweigerer und Unbedarfte - und wer gar nichts bestelle, sei als Fußballmuffel ebenfalls interessant für Adresshändler.

    " Wer braucht diese Daten? Wer bekommt sie und was passiert damit? Sie gehen auf jeden Fall an die FIFA, den Weltfußballverband, von dort an die Sponsoren, als da wären Coca Cola, Mastercard, Gillette, Philips, die Airline der Arabischen Emirate, die Telekom, McDonalds und und "

    Auch diejenigen, die angeblich "nichts zu verbergen hätten", lebten gefährdet: Wer in einem Ort telefoniere, in dem gerade ein Mord geschieht, gerät in Schleswig-Holstein leicht in den Kreis der Verdächtigen und sollte ein gutes Alibi haben. In Hessen hingegen würden Handys von Kindern, die eine Straftat begehen "könnten" schon mal präventiv abgehört, und die Bonner Saatgut-Treuhand Verwaltungs-GmbH nutze Daten der Raiffeisen-Genossenschaften, um Bauern zu disziplinieren. Schleichend, aber selbst vor öffentlichen Umkleidekabinen nicht mehr aufzuhalten, so die Jury sei die flächendeckende Videoüberwachung, deswegen habe man diesmal den extra ausgelobten Technik-Preis allen "Vidioten" verliehen.