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Big Google is watching you

Vor zehn Jahren war der Internetsuchdienst Google noch ein Kleinunternehmen und bestand aus den beiden Gründern und einem Computer. Heute hat Google 5000 Mitarbeiter und verdient jedes Jahr drei Milliarden Dollar netto. Der Konzern nahezu eine Monopolstellung im Internet erreicht und wird nicht wenigen langsam unheimlich. Vor allem, weil Google nicht nur Informationen herausgibt, sondern auch die Daten seiner Nutzer sammelt und auswertet, sehen Bürgerrechtler, Datenschützer und Künstler hier ein Überwachungsinstrument Orwellschen Ausmaßes heranwachsen. An der der Berliner Akademie der Künste wurde das "System Google" auf einem Symposium diskutiert.

Von Frank Hessenland | 01.10.2008
    "Big Brother is watching you", so droht der allgegenwärtige staatliche Geheimdienst in George Orwells Roman "1984". In Orwells finsterer Vision ist der Slogan auf jede Hauswand geschrieben. Er beschreibt das zentrale Kontrollinstrument einer Zukunftsdiktatur: es sind zweikanalige Fernseher, mit denen nicht nur die Zuschauer zu Hause die Informationen der Programmmacher anschauen können, sondern auch die Programmmacher ihre Zuschauer zu Hause in ihrem Privatleben -im Wohn- und Schlafzimmer - zu überwachen imstande sind. Sprechen, Lesen oder Tun die Individuen in "1984" etwas unerwünschtes, so sieht das Big Brother, schickt seine Schergen los, verhaftet und foltert die Frevler in Geheimgefängnissen. Soweit Orwell. Schenkt man der gestrigen Podiumsdiskussion in der Berliner Akademie der Künste Glauben, stehen wir heute im Zeitalter der Google-Revolution im Internet kurz vor der technischen Verwirklichung von Big Brother durch ebendiesen Konzern. Da behauptet zum Beispiel Gerald Reichl, Publizist und Buchautor:

    "Google ist cool, aber die Datensammelleidenschaft, die ist uncool. Sie ist nicht nur unkontrolliert, sie ist auch unkontrollierbar. Google ist eine unkontrollierbare Weltmacht."

    Auch der Bundesdatenbeauftragte Peter Schaar und Klaus Staeck, politischer Künstler, Präsident der Akademie der Künste und Hausherr der Veranstaltung, assistieren.

    "Wenn ich beim CIA wäre oder beim FBI, dann würde ich sagen, das ist mein Partner."

    Sie alle spielen auf eine wenig beachtete Tatsache an: Wann immer jemand im Internet eine Information über Google abruft, speichert das Unternehmen die IP-Adresse des verwendeten Computers, den regionalen Aufenthaltsort und die Sprache des Nutzers. Es verbindet diese Daten dann mit den eingegebenen Suchschlagworten und speichert auch diese. Da Google neben dem Suchdienst inzwischen auch ein E-Mail-Programm, einen Landkartendienst, einen Browser, einen Terminkalender, einen Gesundheitsdienst, einen Internethandel, ein Musikportal und demnächst ein Handy anbietet und sämtliche Daten der Nutzer zusammenführt, ist der Konzern technisch in der Lage, für jeden Einzelnen ein exaktes Persönlichkeitsprofil zu konstruieren. Sexuelle Vorlieben, Krankheiten, Wohn- und Urlaubsorte, Freunde, Bewegungsprofile. Der zweikanalige Fernseher aus 1984 ist Wirklichkeit geworden, ohne dass wir es merkten. Die Stasi hätte sich danach gesehnt, die chinesischen Behörden werden versuchen, an die Daten heranzukommen. Nach dem Patriot Act, der Anti-Terror Gesetzgebung in den USA haben Behörden auch dort Zugriff auf diese Daten, auch wenn sie dies nach den Informationen von Annette Kroeber-Riehl, der Sprecherin des European Policy Council von Google, nicht nutzen sollen:

    "Meines Wissens gab es bislang keine solche Anfrage von Seiten der Regierung, auch wenn das technisch möglich ist."

    Unbestritten folgt Google aber bereits den Zensurbestimmungen verschiedener Regierungen, sagt Kroeber-Riehl und meint damit auch die deutsche.

    "Deutschland ist in Europa ein Ausnahmeland. Da haben wir den Index jugendgefährdender Schriften implementiert. In China haben wir uns zu einem ähnlichen Schritt entschieden. Ich weiß ehrlich gesagt nicht so richtig, ob wir das in muslimischen Ländern machen. Ich vermute schon. Was wir da genau machen, weiß ich nicht. In Europa ist Deutschland eine Ausnahme und vergleichbar mit China in der Tat."

    Die gesellschaftliche Diskussion um die Bewertung der Monopolstellung von Google im Internet steht erst am Anfang. Die Auseinandersetzung gestern in der Berliner Akademie der Künste machte aber deutlich, dass sie geführt werden sollte. Sie zeigte auch einen Lösungsweg auf. Das Unternehmen könnte verpflichtet werden einen Schalter auf seiner Suchmaschine anzubringen, so dass jeder selbst entscheiden kann, ob seine Daten gesammelt und gespeichert werden sollen oder nicht. Peter Schaar, Bundesdatenschutzbeauftrager:

    "Ich habe so eine ganz altmodische Vorstellung, dass ich ein Netzbürger bin, das heißt, ich verlange von denen, die mit dem Internet sehr viel Geld verdienen, dass sie mir die Möglichkeit geben, frei von Manipulation, frei von Beobachtung, frei von vermeidbaren Risiken mich zu bewegen und dass ich dann nicht mit der chinesischen Regierung verbunden werde, die dann meine IP-Adresse bekommt und dann die Schergen losschicken kann, und diese Beihilfe finde ich nicht gut."