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Bike Polo: anspruchsvoll und anarchistisch

Das Fahrrad ist mehr als ein Fortbewegungsmittel. Immer neue Trendsportarten entstehen rund ums Rad. Etwa das Bike Polo - Polo auf dem Fahrrad, die urbane Variante des aristokratischen Sports zu Pferde, findet immer mehr Freunde im Asphaltdschungel.

Von Nadia Hanna | 09.08.2012
    "Es spielen immer drei gegen drei, Spiel dauert zehn Minuten, oder fünf erzielte Tore für ein Team, dann wird auch beendet."

    Jan Symann spricht vom Hardcourt Bike Polo, übersetzt etwa "Polo auf dem Rad auf hartem Boden". Der Kölner Radkurier steigt nicht nur für den Job aufs Rad, sondern auch in der Freizeit, und das passt zusammen: Bike Polo ist in der Radkurierszene in Seattle entstanden und entwickelte sich zu einem urbanen Insidersport, der immer mehr Anhänger findet.

    Gespielt wird irgendwo draußen, auf einem Stück Asphalt in der Größe eines Tennisplatzes. Die Spieler sitzen auf dem Rad, in einer Hand halten sie den Schläger, etwa so lang wie ein Skistock, und versuchen, einen Hockeyball ins gegnerische Tor zu befördern. Bodenkontakt ist verboten - wenn es doch passiert, muss der Spieler vom Feld und am Spielfeldrand eine Hupe drücken. Schnell ist das Spiel, und akrobatisch sieht es aus, wenn die Spieler kehrt wenden, um die Tore flitzen oder sekundenlang auf dem Fahrrad auf der Stelle stehen. Hagen Müller ist Sportstudent und gehört ebenfalls zum Team von Velo Polo Cologne

    "Der Reiz liegt darin, dass man sowohl Fahrrad als auch den Ball beherrschen muss, is ne technisch relativ anspruchsvolle Sportart würde ich sagen, weil's eben diese zwei Sachen zusammen kommen."

    Was beim Polo das Pferd, ist beim Bike Polo das Rad: Das Herzstück mit Seele. Und das wird gehegt und gepflegt: Bike-Polo-Spieler schrauben in der Regel selbst und kümmern sich um ihren Gefährte. Längst sind es nicht mehr nur Radkuriere, die den Sport betreiben, auch aus dem Rennradsport oder dem Triathlon kommen die Spieler und Spielerinnen oder sind einfach Bikefans - Frauen übrigens in der Minderheit.

    "Generell ist es so, dass natürlich jeder mit irgend einem Fahrrad spielen darf, da kann auch ne Schaltung dran sein, obwohl der Gang nicht gewechselt werden darf während einem Spiel, aber wenn man sich jetzt die Fahrräder anschaut, dann sieht man, dass die schon individuell gestaltet sind: Die Leute machen sich Aufkleber drauf, haben eben diese Scheiben vorne drin, die irgendwie beklebt werden."

    In den Anfängen des Bike Polo war alles "Do It Yourself". Das Lebensgefühl der Radkuriere fand seine Entsprechung in ihrem Sport: Draußen sein, Mut zu Geschwindigkeit, eine gewisse Anarchie.

    "Also wir haben damals mit Holzstöcken angefangen, mit nem Besenstiel mit Holzklotz unten dran. Mittlerweile wiegt ein Schläger vielleicht noch ein Zehntel von dem, wo wir mit angefangen haben. Aber das meiste ist noch Eigenbau, auch wenn es natürlich aus der Szene heraus schon Leute gibt, die die Sachen auch verkaufen, die sie für sich selber dann herstellen. Die Fahrräder werden immer spezieller, zwei Bremsen zum Beispiel mit einem Bremsgriff bedienbar, weil man ja nur eine Hand am Lenker hat, ist ja irgendwie logisch."

    Bike Polo hat sich übers Internet verbreitet, auch Hagen Müller hat Filme aus der US-Szene im Netz gesehen und sich dann auf die Suche nach Spielern gemacht. Die Community ist gut vernetzt, noch ist die Szene überschaubar und organisiert sich selbst, zum Beispiel Turniere. Weltweit wird inzwischen in fast 300 Städten Hardcourt Bike Polo gespielt

    "Es hat sich jetzt in den zwei Jahren schon ein bisschen rauskristallisiert, dass eben wie in Amerika, wo der Sport schon deutlich weiter ist, das wirklich Richtung Sport geht. Andererseits gibt's auch wieder so ne Seite, wo man sagt 'Ja, lass es hier lieber klein halten, lass es nicht so zum Mainstreamsport verkommen, und lass uns nicht verkaufen."

    EHBPC 2011 Final from Jon Marshall on Vimeo.