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Bilanz der UN-Klimakonferenz
Sorgen, Appelle und viel Heuchelei

Ernüchternde Bilanz: Bei der UN-Klimakonferenz in Bonn wurden kaum konkrete Ergebnisse erzielt. Viele Regierungen halten immer noch ihre schützende Hand über die fossile Energiewirtschaft - und scheuen sich vor wirksamen Maßnahmen zum Klimaschutz. Nur Großbritannien geht mit gutem Beispiel voran.

Von Volker Mrasek | 27.06.2019
Dampf steigt aus den Kühltürmen des Braunkohlewerks Jänschwalde in Brandenburg
Die Welt hängt weiter am Tropf fossiler Energieträger, die Reduktion der Kohlendioxid-Emissionen, die zum Erreichen der Ziele des Pariser Klimaabkommens nötig wären, sind in weiter Ferne. (Sean Gallup / Getty Images)
Gute Nachrichten kamen heute nicht aus Bonn, sondern aus London. Als erste größere Industrienation hat sich Großbritannien per Gesetz dazu verpflichtet, bis zur Jahrhundertmitte kein CO2 mehr auszustoßen. Ein Signal auch an andere Staaten, so Archie Young, der Leiter der britischen Delegation auf der Bonner Klimakonferenz:
"Zwischen 1990 bis 2017 hat Großbritannien seine Emissionen um 42 Prozent reduziert. In derselben Zeit wuchs unsere Wirtschaft um 72 Prozent. Beides ist also miteinander vereinbar."
Wirtschaftswachstum und Klimaschutz sind kein Widerspruch
Doch viele andere Industrie- und Schwellenländer nehmen die Sache offenbar nicht so ernst. Nur Schweden und Norwegen haben bisher "Null-Emissions-Gesetze" erlassen. In Frankreich, Spanien und Neuseeland gibt es entsprechende Gesetzesvorlagen und in weiteren neun Ländern zumindest Vorschläge aus dem politischen Raum. Doch die großen Wirtschaftsmächte und Klimasünder China, Indien, Russland und USA sind nicht darunter.
Das ist das Ergebnis einer Recherche der Energy & Climate Intelligence Unit, eines Klima-Informationsbüros in London. Sein Direktor Richard Black präsentierte die Statistik jetzt zum Ende der Bonner Konferenz:
"Wenn die Regierungen eine Erwärmung um mehr als 1,5 Grad Celsius vermeiden wollen, was sie ja im Paris-Abkommen vereinbart haben, dann müssen sie die CO2-Emissionen bis zur Jahrhundertmitte auf Null herunterfahren. Nur dann haben sie eine gewisse Chance. Das sagt uns die Wissenschaft. Wenn ein Land kein entsprechendes Gesetz erlässt, muss man sich fragen, ob es das Paris-Abkommen überhaupt ernst nimmt."
Bisherige Selbstverpflichtungen reichen bei weitem nicht
Noch immer nicht nachgebessert wurden auch die sogenannten NDCs, die freiwilligen Selbstverpflichtungen der einzelnen Länder. Obwohl sie bisher ungenügend sind und uns eher in eine Drei-Grad-Welt führen würden, wie nicht nur der deutsche Physiker Niklas Höhne warnt: "Die Risiken, dass es zu unaufhaltsamem Klimawandel kommt bei drei Grad, sind hoch. Das ist eine Welt, die wir alle nicht haben wollen."
Spürbar ist der Klimawandel aber schon längst. In Bonn äußerten sich Vertreter Indonesiens sehr besorgt über den Anstieg des Meeresspiegels. Schon heute müsse die Bevölkerung auf einigen der unzähligen Staatsinseln umgesiedelt werden. Deshalb stehe außer Frage, dass die NDCs nachgebessert werden müssten. Doch obwohl die Klimakonferenz die geeignete Bühne gewesen wäre: Signale für eine ambitionierte Politik blieben in Bonn aus.
Statt der erhofften Aufbruchsignale - viel Heuchelei
Zu stark protegierten viele Regierungen immer noch die fossile Energieindustrie, wie Beobachter kritisierten. Darunter auch der Physiker Bill Hare, Direktor von Climate Analytics in Berlin:
"Es gibt auch Fälle von unglaublicher Heuchelei. Ein bemerkenswertes Beispiel lieferte Kanada in den letzten Tagen ab. Erst erklärt das Land den Klima-Notstand. Und am nächsten Tag genehmigt es eine Pipeline für den Transport von Schiefer-Öl von Alberta an die Küste. Das ist einer der dreckigsten fossilen Energieträger, die man sich vorstellen kann."
Der Druck auf die Politik wird allerdings immer größer. Nicht nur durch die Jugendbewegung "Fridays for future", sondern jetzt sogar durch die Finanzwirtschaft.