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Bilanz einer Koalition mit der FPÖ

Im Jahr 2000 bildete die rechtspopulistische FPÖ zusammen mit der konservativen ÖVP die Regierung in Österreich. Eine Aufsatzsammlung überwiegend konservativer Autoren versucht, diese Form der Koalition als normal und wenig gefährlich zu beschreiben.

Von Norbert Mappes-Niedieck |
    Fast sieben Jahre lang, von Anfang 2000 bis Ende 2006, regierte in Österreich eine Koalition unter Einschluss der freiheitlichen FPÖ – einer Partei, die ihre Wahlkämpfe erfolgreich mit Ausländerfeindlichkeit bestritten hatte und deren Vorsitzender Jörg Haider immer wieder Gefallen daran fand, mit dem Nationalsozialismus zu kokettieren. Ganz Europa erschrak, und die übrigen – damals noch 14 – EU-Mitglieder verhängten gegen das 15. eine Reihe von protokollarischen Sanktionen. Alles nur ein Irrtum, ein Sturm im Wasserglas? Jetzt, sieben Jahre nachdem die Regierung des Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel wieder abgewählt wurde, haben österreichische Sozial- und Politikwissenschaftler, überwiegend dem konservativen Lager entstammend, eine Bilanz dieser kurzen Epoche vorgelegt. Der Salzburger Politikprofessor Robert Kriechbaumer, einer der beiden Herausgeber, fasst das Ergebnis und wohl auch die Intention des 850 Seiten starken Wälzers zusammen:

    "Eine historische Analyse muss ganz klar sagen, dass erstens sowohl zur damaligen Zeit, also im Frühjahr des Jahres 2000, diese Aufregung in keinster Weise gerechtfertigt gewesen ist. Und im Rückblick, muss man sagen, noch viel weniger!"

    Tatsache ist, das macht der Band überzeugend deutlich, dass die konservative Revolution ausblieb. Außenpolitisch blieb Wien fest auf Europa- und auf Erweiterungskurs, obwohl es nach der Rhetorik der stärksten Regierungspartei, der FPÖ, genau in die umgekehrte Richtung hätte gehen müssen. In der Wirtschafts-, der Finanz-, Sozialpolitik setzte die Regierung Schüssel einige Deregulierungen durch, am Anfang etwas rascher, in der Bilanz aber nicht mehr als die sozialdemokratisch geführte Vorgängerin. Auf die Lebensumstände der österreichischen Bevölkerung hatte der Regierungswechsel wenig Einfluss, zum Glück auch nicht auf die der Ausländer im Lande, wie der Migrationsforscher Heinz Fassmann in seinem Beitrag nüchtern nachweist. Die Analysen zum Regierungsstil und zu den einzelnen Politikfeldern rücken die schwarz-blaue Phase mit Recht in ein historisches Kontinuum ohne große Brüche, zu dem Erregung, Endzeitgeschrei und schlechte Laune in bisweilen komischem Kontrast stehen.
    Tatsache ist allerdings auch, dass wenigstens dem konservativen Österreich auch heute noch der Sinn dafür fehlt, wo auf dem politischen Spielfeld die rote Linie verläuft. Zur Vorgeschichte der Regierungsbildung gibt Schüssel selbst in einem langen Interview aufschlussreiche Details preis. Eigentlich wäre ja eine Koalition der Rechten mit den Sozialdemokraten damals logischer gewesen, meint der Ex-Kanzler und verrät so, dass auch er die Aufregung des Jahres 2000 nicht verstanden hat. Zwar befassen sich immerhin drei der 20 Beiträge mit ihr. Aber statt sich über die Unterschiede in der Wahrnehmung Gedanken zu machen, baden die Autoren lieber in dem Gefühl, Recht behalten zu haben. Am Ende bleibt der Eindruck, dass in der Wiener Politik Reden und Handeln eben nichts miteinander zu tun haben.

    Im September wird wieder gewählt. Diesmal ist es der Milliardär Frank Stronach, der die Szene aufmischt. Nachdem der konservative Schüssel der FPÖ ihre Inhalte abgekauft hatte, hatte die FPÖ sich gespalten, Stimmen verloren und sich schließlich wieder gefangen – bis Stronach kam und ihr sowie dem heutigen FPÖ-Chef Strache das Allerwichtigste stahl: die Show. Der Politologe Kriechbaumer sieht in populistischem Auftritt und Regierungsbeteiligung ein unauflösliches Dilemma, das ihn als Konservativen ruhig schlafen lässt.

    ""Daher ist sehr die Frage, ob derzeit Strache ein großes Interesse daran hätte, überhaupt in eine solche Regierung einzutreten, weil er sich dessen bewusst sein muss, dass er zwei Dinge nicht kann: Er kann nicht die Opposition in der Regierung spielen, dann ist diese Regierung innerhalb kürzester Zeit rücktrittsreif. Und er kann andererseits nicht völlig auf eine pragmatische Politik setzen, weil er sonst einen solchen Wählerschwund hat, dass ihm jene Verdrossenen, die er teilweise jetzt schon an das Team Stronach verliert, ihm in Scharen weglaufen und dann die FPÖ zu einer Partei herabsinkt, die um die zehn Prozent hat.""

    Gegner des Zusammengehens mit der extremen Rechten kommen in dem Band nicht zu Wort, aber auch die Rechten selbst nicht. So ist das Ziel des publizistischen Großprojekts leicht zu erkennen: Es gilt, künftige Koalitionen mit der FPÖ in die Normalität zu holen - nicht, um in Österreich eine rechte, europa- und ausländerfeindliche Politik durchzusetzen, sondern einfach um der konservativen Volkspartei, der ÖVP, eine Alternative zur ewigen großen Koalition zu eröffnen. Seht her, es war ja alles nicht so schlimm: Dass die Rechten am Ende nicht geliefert haben, was sie versprachen, ist noch das beste Argument für eine Neuauflage von Schwarz-Blau. So reden die Konservativen lieber von den unspektakulären Gesetzen der Ära Schüssel, während die Sozialdemokraten und die Linken die wilde Rhetorik der Rechten und ihre Korruptionsskandale hervorheben – ein jeder in seinem Sammelband.

    Buchinfos:
    Robert Kriechbaumer, Franz Schausberger (Hrsg.): "Die umstrittene Wende: Österreich 2000 - 2006", Verlag Böhlau Wien, 848 Seiten, Preis: 59 Euro