Dienstag, 23. April 2024

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Bilanz von Obamas Kulturpolitik
"Höchstnoten für die gute Figur"

Der ehemalige Leiter des Goethe-Instituts New York, Christoph Bartmann, bewertet die Kulturpolitik des scheidenden US-Präsidenten Obama zweischneidig. In der Symbolpolitik habe er "ungemein viel verändert", sagte Bartmann im DLF. Am System der Kulturförderung habe sich jedoch nichts geändert. Der Stil seiner Auftritte sei "einfach sehr gut" gewesen.

Änne Seidel im Gespräch mit Christoph Bartmann | 19.01.2017
    Eine Nahaufnahme von US-Präsident Barack Obama bei seiner Ankunft in Berlin
    Der scheidende US-Präsident Barack Obama (picture alliance / dpa / Reiner Jensen)
    Änne Seidel: Morgen übergibt der amerikanische Präsident den Staffelstab endgültig an seinen Nachfolger Donald Trump, und das ist für uns Anlass, zu Beginn dieser Sendung zurückzublicken auf die vergangenen acht Jahre. Jahre, in denen das Weiße Haus manchmal eher einem Kulturzentrum als einem Machtzentrum glich. Christoph Bartmann hat die Präsidentschaft Obamas aus nächster Nähe verfolgt. Er war bis vor kurzem Leiter des Goethe-Instituts in New York. Herr Bartmann, ich erinnere mich an Obama, der einen Song von Prince singt. Ich erinnere mich an die Obamas, wie sie mit den Star-Wars-Sturmtruppen im Weißen Haus tanzen. Woran erinnern Sie sich?
    Christoph Bartmann: Mir fallen Beispiele ein, tatsächlich in der Richtung, wie Sie sie jetzt auch beschreiben. Auf YouTube oder wo auch immer Sie schauen, können Sie sehen: Irgendwie ein Jazz-Festival im Weißen Haus und dann singt da Aretha Franklin, und dann spricht Obama ein paar Worte und umarmt sie nachher und tut das alles auf diese unnachahmlich leichtfüßige und elegante Weise. Aber es gibt auch ein ernsthaftes Beispiel und das ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Und zwar ist das der Moment, in dem Obama im Sommer 2015 bei dem Trauergottesdienst in Charleston, South Carolina, plötzlich "Amazing Grace" singt. Das hat ja vor ihm sicher auch noch kein Präsident getan. Und das würden auch nur wenige andere Politiker tun können und tun wollen. Und das Tolle an Obama ist, dass er auch das kann.
    "Viel Sympathie für Kulturakteure"
    Seidel: Das Weiße Haus ist unter Obama zu einer Art Kulturtempel geworden, kann man sagen. Hat sich diese Kultur-Affinität denn auch in seiner Politik niedergeschlagen? Wie ging es der amerikanischen Kulturszene unter Obama?
    Bartmann: Der ging es natürlich einerseits besser als unter Vorgängerpräsidenten, eben deshalb, weil Obama so viel Sympathie für Kulturakteure aufbringt und die so häufig ins Weiße Haus eingeladen hat. Bob Dylan und andere bekommen irgendwie die Freedom Medaille und so weiter und so fort. Gleichzeitig hat sich am System der Kulturförderung in den Vereinigten Staaten in der Ära Obama nichts im Wesentlichen geändert. Die ist weiterhin eher bescheiden. Es gibt das National Endowment for the Arts und das schüttet im Jahr so was wie 200 Millionen aus für Kultur. Das ist vergleichbar sehr überschaubar und daran hat Obama nichts geändert. Aber auf dem Feld der Symbolpolitik hat er natürlich ungemein viel verändert.
    Seidel: Also ist der Popstar Obama das eine, der Politiker Obama dann aber doch mal ein bisschen was anderes?
    Bartmann: In der Bewertung von Obamas Amtszeit gibt es immer Höchstnoten für die gute Figur und, ich sage mal, gemischte Ergebnisse für das, was er politisch geleistet hat. Ich glaube, keiner ist sich dieser Tatsache mehr bewusst als Obama selbst, der ja auch in den letzten Tagen und Wochen seiner Amtszeit durchaus selbstkritisch Bilanz gezogen hat. Sein Prestigeprojekt Obama Care wird wahrscheinlich jetzt zerfleddert von der neuen Regierung. Syrien ist eine Katastrophe für die US-Außenpolitik gewesen. Und es gibt der Beispiele mehr. Auf der anderen Seite steht eine ziemlich positive Wirtschaftsbilanz, an der auch niemand rütteln kann.
    Seidel: Besteht die Gefahr aus Ihrer Sicht, dass nur seine Coolness in Erinnerung bleiben wird und die inhaltlichen Schwächen seiner Präsidentschaft dadurch vielleicht kaschiert werden?
    Bartmann: Ich glaube, man kommt jetzt doch - wie gesagt, Obama auch selbst - zu einer realistischen und manchmal auch selbstkritischen Einschätzung seiner Amtszeit. Insgesamt aber ist ja seine Popularität weiterhin sehr hoch. Und das heißt auch, dass die Amerikanerinnen und Amerikaner den Mann wirklich schätzen und von ihm auch noch einiges erwarten. Von daher denke ich, es ist nicht so sehr eine Frage von Substanz und Hülle, sondern der Mann wird in seiner fabelhaften Hülle auch weiterhin Substanz liefern.
    Obamas Auftritte: "exzellente Schauspielerei und zugleich authentisch"
    Seidel: Wenn man Obama in den vergangenen Jahren so zugeschaut hat bei all seinen Talkshow-Auftritten, all den Späßchen, die er sich ständig erlaubt hat, dann wirkte das ja alles unglaublich echt. Was würden Sie sagen, war es das tatsächlich auch, oder war da doch ein bisschen Schauspielerei dabei?
    Bartmann: Es war beides, denke ich. Es war exzellente Schauspielerei, und es war zugleich authentisch. Obama konnte eben so viel. Er konnte überzeugend "Amazing Grace" in einer Kirche in den Südstaaten singen. Er konnte ganz authentisch eine Romanschriftstellerin nach ihrem Werk befragen in der prestigereichen New York Revue of Books. Er konnte Basketball spielen und allen möglichen Quatsch machen beim Correspondence Dinner im Weißen Haus. Und immer hatte man das Gefühl, dass der Mann und die öffentliche Figur in einer erfrischenden positiven Distanz zueinander standen und das Ganze einfach von uns allen als ziemlich überzeugend wahrgenommen wurde. Ich kenne auch keinen ernsthaften Versuch, Obama am Zeug zu flicken, was das angeht. Er war einfach sehr gut.
    Seidel: Morgen wird Donald Trump dann ins Amt eingeführt. Bei Obamas Inauguration hatten damals Weltstars wie Beyonce zum Beispiel gesungen. Trump konnte nun keinen der großen Popstars für sich gewinnen. Das Weiße Haus als Kulturtempel, ist diese Ära ab morgen endgültig vorbei?
    Bartmann: So sieht es aus. Es ist natürlich ziemlich peinlich für Trump, wenn man es recht betrachtet. Andererseits haben Peinlichkeiten Donald Trump bisher noch nie geschadet, und wahrscheinlich wird er auch diesen Umstand zu seinem Vorteil nutzen. Es ist ja überhaupt interessant, dass die ganze große Nähe von sowohl Barack Obama wie auch von Hillary Clinton zu Celebrities, Popstars und populären Figuren insgesamt in Punkto Wahlsieg nur sehr bedingt geholfen hat. Man muss natürlich auch sagen, nicht Obama hat die Wahlen gegen Trump verloren, sondern Hillary Clinton hat sie verloren. Aber beide stützen sich auf ein ähnliches Reservoir von Prominenten. Und Prominente sind es offensichtlich nicht, die Wahlen entscheiden.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.