Bildband 'Freedom’
"Wir sprechen über Texas" schrieb der New York Times-Kolumnist Bob Herbert vergangene Woche "einen Staat der es bevorzugt erst mal zu schießen und auf keinen Fall Fragen zu stellen". Diese Kritik galt diesmal nicht der durch keinerlei vernünftige Einsicht zu beeinflussenden Kriegspolitik von Bush Junior, sie galt der geplanten Hinrichtung eines schwarzen Bürgers, der nachweislich unschuldig, seit 23 Jahren in der Todeszelle sitzt. Es sollte die 300ste Exekution seit 1982 in Texas werden, dem Südstaat mit den meisten Hinrichtungen in den USA. Auch in diesem Fall war der in einem - jedenfalls im alten Europa - kaum als rechtsstaatlich zu bezeichnenden Gerichtsprozess Verurteilte, Delma Banks, ein Schwarzer, das Opfer weiss. Ein rassistisches Muster prangert Herbert in seinem Kommentar an, das von den Tagen der Sklaverei in den Vereinigten Staaten bis heute wirksam geblieben ist. Ein ausdruckskräftiges Zeugnis der Geschichte dieser rassistischen Nichtbeziehung zwischen schwarz und weiß in den USA legt ein großartiger Photoband ab, der unlängst im Phaidon Verlag in Berlin erschienen ist. Er dokumentiert den Kampf der heute als Afro-Amerikaner bezeichneten schwarzen Bürger um ihre Rechte von 1840 bis heute. Der 512 Seiten starke Band beginnt mit einem Photo von den Baumwollfeldern South Carolinas. In Sonntagskleidung , mit ihren Bündeln auf dem Kopf überqueren ganze Sklavenfamilien in Reih und Glied ein Feld. Am Schluss steht das Bild einer älteren Frau, die mit ausgebreiteten Armen am Strand von Coney Island bei New York 'Juneteenth’ feiert, das Fest der Befreiung, das an den 19. Juni 1865 erinnert, den Tag, an dem die Sklaverei in Texas abgeschafft wurde. Dazwischen bietet das Buch Einblicke in alle Aspekte schwarzen Lebens in den USA, von der Lynchjustiz, über die Ausbeutung, über die Bürgerrechtsbewegung und die Erfolge schwarzer Künstler und Sportler bis hin zur Manipulation der Präsidentschaftswahl 2000, durch den Ausschluss der Stimmen schwarzer Bürger in Florida. Instruktive Texte erläutern in englisch die jeweils abgelichteten Situationen und ihren politischen und gesellschaftlichen Kontext. Auf Seite 259 z.B. kann man die Männer einer rein weißen Jury in Mississippi betrachten, die im Jahr 1955 die weißen Mörder des 14 jährigen Emmett Till freisprachen. Das Vergehen des Opfers: Der schwarze Junge hatte sich vertraut in der Öffentlichkeit mit einer 21jährigen Weißen unterhalten. Seine schrecklich zugerichtete Leiche fand man wenige Tage später in einem Fluss. Und 50 Jahre später: Die Exekution von Delma Banks wurde am vergangenen Mittwoch 10 Minuten vor dem angesetzten Termin ohne Angabe von Gründen aufgeschoben. Bob Herbert hatte in seinem Kommentar von der rassistisch motivierten Todesstrafe als einer staatlich sanktionierten Barbarei gesprochen: Die Geschichte dieser Barbarei und ihre Kontinuität kann man im Bildband 'Freedom’ eingehend betrachten. Das sehr empfehlenswerte Buch mit 546 Photos ist im Phaidon Verlag erschienen, hat 512 Seiten und kostet 65 €.