Donnerstag, 02. Mai 2024

Archiv


Bilder für die Musik erfinden

Mit der Krise der Musikindustrie sinkt die Bedeutung von Musiksendern. Aber Musikvideos sind weiter hoch im Kurs, denn sie können im Internet sogar besser verbreitet werden. Im Rahmen der Internationalen Kurzfilmtage in Oberhausen wird nun wieder der MuVi für das beste Musikvideo vergeben.

Von Ina Plodroch | 02.05.2013
    Das Internet hat den Videostar auf dem Gewissen, behaupteten Jan Delay und Knarf Rellöm vor gut vier Jahren. Denn jeder kann seine Heim-Katzen-Videos im Netz posten und Tausende schauen zu. Dafür klicken aber auch Millionen die Videos der Internet-Popstars Lana del Rey oder Psy an. Das Musikvideo hat seine ursprüngliche Heimat "MTV" und "Viva" überlebt - dank Youtube, Facebook und Internetmusiksendern wie tape.tv und Putpat. Ziemlich gut, findet Ekki Maas von der Kölner Band Erdmöbel.

    "Früher musste man im Musikfernsehen vorkommen. Wir wurden immer so als sperrig empfunden, unsere Musik, und da war das sehr schwer, im Musikfernsehen ein Video zu bringen, das hat auch fast nie geklappt. Jetzt ist das so, dass sich das in Fankreisen weiter gegeben hat. Bei Facebook wird das empfohlen, das kann sich durchaus selbstständig machen, das ist eigentlich eine tolle Sache."

    Für eine Band wie Erdmöbel macht ein Musikvideo erst nach dem Musikfernsehen Sinn. Als Werbe- und Imagefilm, aber auch als künstlerisches Ausdrucksmittel, um Bilder für die Musik zu finden.

    Das Video zum Song "Aus meinem Kopf" fasziniert vor allem durch die Stop-Motion-Aufnahmen, die jede Bewegung mechanisch, unflüssig und doch im Takt der Musik erscheinen lassen. Mit diesem Video gewann die Band, beziehungsweise der Produzent Sandeep Mehta, vor einigen Jahren den Publikumspreis für das beste Musikvideo auf dem Internationalen Kurzfilmtagen in Oberhausen. In diesem Jahr wird der Preis zum 15. Mal verliehen. Lars Henrik Gass:

    "Es ging wirklich von der Überlegung aus, wo sind denn eigentlich heute wirklich die kreativen Impulse in den kurzen Formaten? Es wäre mehr als töricht gewesen, diese Filmmacher hier auch nicht darzustellen. Das war damals heftig diskutiert, weil das Musikvideo mit gewissem Recht als ein Werbefilm angesehen wurde, und man Oberhausen immer als einen Tempel der Kunst und der reinen Form ansah."

    Heute regt sich keiner mehr auf, dass Oberhausen neben avantgardistischen Kurzfilmen auch Musikvideos auf großer Leinwand zeigt und prämiert. Was auch an den Möglichkeiten des Internets liegen kann.

    Lars Henrik Gass:
    "Das Musikvideo wurde auf jeden Fall länger, es wurde wilder, sexueller, es wurde gewalttätiger, es wurde von den Inhalten her herausfordernder. Aber auch ästhetisch gesehen, dass man auf einmal Videos hatte, die über weite Strecke überhaupt keine Musik zu hören gaben, die unterbrochen waren durch Spielfilmeinschübe und andere experimentelle Einschübe, die im Musikfernsehen in dieser Form niemals denkbar gewesen wären."

    Lars Henrik Gass will mit dem MuVi-Preis zumindest einmal im Jahr auf die besten Videos aufmerksam machen. Über 200 wurden in diesem Jahr für den Wettbewerb eingereicht, dreimal soviel wie vor fünfzehn Jahren. Die besten zehn zeigen 3D-Experimente zu einem Liars-Song, Retro-Polaroid-Ästhetik untermalt Dub-Klänge der Sängerin Anika und Brandt Brauer Frick inszenieren sich selbst mit vielen Tänzern – die Videos sind spannend, hätten aber scheinbar schon vor ein paar Jahren eingereicht werden können.
    Lars Henrik Gass:

    "Natürlich gibt es auch Ermüdungsphänomene, das will ich nicht verschweigen. Diese Phase so generell in der Popkultur aber auch im Musikfernsehen namentlich in der es eine ganz starke Energie der Innovation gab also um das Jahr 2000 herum, dass das nicht mehr in der Form gegeben ist."

    Gass beschreibt ein aktuelles Phänomen der Popkultur: Retromanie, wie sie Simon Reynold attestierte. Beim Musikvideo könnte es auch an den fehlenden finanziellen Anreizen für die Produzenten liegen. Denn für Plattenfirmen ist das Musikvideo längst nicht mehr so wichtig wie zu Zeiten von MTV und Viva. Heute müssen sich Künstler selbst helfen, berichtet Ekki Maas.

    "Das ist eben auch ein echtes Problem. Früher haben die Plattenfirmen sehr viel Geld für Videos ausgegeben, das machen die nicht mehr. Die zahlen dann so symbolische Preise, dann hat man da mal 2000-3000 Euro zur Verfügung, wenn man das aber mit einem Team filmt, dann ist das in 5 Minuten aufgebraucht. Man muss eigentlich mit Leuten arbeiten, die es umsonst machen."

    Häufig drehen befreundete Filmemacher die Videos, oder Ekki Maas nimmt die Kamera selbst in die Hand. Das Musikvideo als Hobby.
    Das Internet hat den Videostar also nicht getötet – es bietet größte künstlerische Freiheit, geringste Bezahlung und maximale Unübersichtlichkeit.


    Hier sind die zehn nominierten Videos zu sehen .
    Noch bis zum 03. Mai kann online für den Preis abgestimmt werden. Verleihung findet am Samstag, 04. Mai statt im Rahmen der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen.