Da kommt er plötzlich um die Ecke gerauscht, braun gebrannt, leger in gemütlich weiten Jeans und himmelblauem Hemd. Bestellt im Gehen ein Mineralwasser "mit Leben", also bloß nix ohne Kohlensäure. "WoBo" sprudelt vor Energie. Und wieder mal hat der Mann keine Minute zu verlieren. Nur einen gesunden Löffel Mandarinenquark, den genehmigt er sich fix.
Hotel Malerwinkel im vornehmen Bensberg, mitten im rheinisch-bergischen Kreis vor den Toren Kölns – das hier ist "Bosbach-Land": 50 Prozent der Erststimmen hat der CDU-Politiker hier 2009 geholt – das will er am 22. September wiederholen.
"Ich würde mich für Angela Merkel in jede Schlacht werfen",
sagt Bosbach, der herzkrank ist und Krebs hat. Aber keine Scheu, darüber zu reden.
"Ich hab ja keine Presseerklärung abgegeben. Sehen Sie mal, wenn ich beim Onkologen im Wartezimmer sitze, dann hab ich garantiert keine Halsschmerzen. Und wenn ich 30 Mal hintereinander mich einer Bestrahlung unterziehen muss, dann wird man doch gesehen im Wartezimmer."
Es gibt noch einen zweiten Grund für Bosbachs Offenheit. Den erklärt er, während hinter seinem Rücken eine große Kaffeemaschine spuckt und brummt:
"Dann sagt der Erste, der ist ernsthaft krank. Dann sagt der Zweite, der ist gefährlich erkrankt. Der Dritte sagt, der ist lebensgefährlich erkrankt. Und der Vierte fragt, wann ist denn die Beerdigung? Aber wenn man sagt, was Sache ist, dann gibt es auch keine Nachfrage und keine Heimlichtuerei."
Der 61-Jährige will selbst bestimmen, wie und wie viel die Öffentlichkeit über seine Krankheiten erfährt. Und warum er trotzdem weitermacht mit der Politik, jedenfalls so lange es geht.
"Ich habe mir bewusst Zeit gelassen für eine Entscheidung, ob ich zum sechsten Mal für den Deutschen Bundestag kandidieren soll und dann kam die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen mit einem bitteren Ergebnis für die CDU. Und ich wusste genau, wenn du jetzt ins Kreishaus fährst, dann werden dich die Journalisten sofort fragen: Na Herr Bosbach, haben Sie denn noch Lust zur Bundestagswahl? Und auf der Fahrt von zu Hause habe ich gewusst, du musst dich entscheiden, sonst sieht es ja so aus – da macht sich einer vom Acker, wenn es eng wird. Und so was hab ich im Leben noch nie gemacht."
Das würde auch Ministerpräsident Matthias Platzeck aus Brandenburg niemand vorwerfen, dennoch hat sich der Sozialdemokrat anders entschieden. Pflichterfüllung schön und gut, aber nicht auf Kosten der Gesundheit. Kommende Woche wird Platzeck seine Ämter niederlegen – Christdemokrat Bosbach nimmt Anteil:
"Ich habe ihn immer wieder dafür bewundert, dass er immer wieder zurückgekehrt ist, immer wieder einen neuen Versuch gestartet hat. Mit alter Kraft in die Politik zurückzukehren. Aber wenn man selber merkt, es geht nicht mehr, dann muss man loslassen, auch wenn es eine schwere Entscheidung ist."
Dieses Interview hat Bosbach sofort zugesagt. Natürlich sieht ein alter Politprofi wie er ein solches Gespräch auch als Wahlkampftermin. Aber eben nicht nur. Bosbach spricht schon seit Jahren offen über Schwäche, Schmerzen und Gebrechen – über all das also, was im deutschen Politikbetrieb tabu ist. Doch es geht ihm nicht um Provokation, und auch nicht darum, Sympathien zu erheischen.
"Ich poste ja nichts, ich stelle ja auf meiner Homepage nichts ein. Es gilt im Persönlichen das, was im Politischen auch gilt: Es gibt Fragen. Und diese Fragen beantworte ich und rede nicht drum herum."
Egal, ob es nun um die Euro-Rettungspakete der Kanzlerin geht, die Bosbach ausdrücklich kritisiert. Oder wie derzeit die Flüchtlingsunterbringung in Berlin-Hellersdorf. Oder eben seinen Prostatakrebs – der Rheinländer Bosbach spricht aus, was ihn bewegt. Auftrumpfen will er keinesfalls. Und auch kein "Held der Arbeit" sein – klar trete er jetzt ein bisschen kürzer als früher. Trotzdem gab es da im März diesen Zusammenbruch auf dem Parteitag in Münster. Doch so wie Bosbach es erzählt, klingt es wie ein Happening – alles halb so wild:
"Ich musste auch noch lachen, weil ich die erste SMS bekam, da lag ich noch auf dem Boden. Also bevor die Sanitäter des Roten Kreuzes Hand anlegen konnten, hatte mir schon einer gute Besserung gewünscht. Das war jetzt auch kein Wunder. Auf dem Landesparteitag der CDU waren natürlich alle Medien vertreten. Und wenn wir mit den modernen Medien in diesem Tempo weitermachen, beim nächsten Mal bekomme ich wahrscheinlich eine SMS: Achtung, in einer Stunde schockt Dein Defi!"
Mit dem "Defi" ist Bosbach seit sechs Jahren zusammen, der Defibrillator wurde ihm nach dem ersten Herzanfall eingesetzt. Vormittags schluckt er jetzt jeden Tag sieben Tabletten und eine noch mal abends. Sie haben unerfreuliche Nebenwirkungen. Und Kölsch darf er auch nicht mehr trinken. Das Schlimmste aber – Mitleid – ist ihm bisher erspart geblieben:
"Glücklicherweise! Das würde mich auch bedrücken, wenn ich das Gefühl hätte, dass sich die Leute mir nähern mit dem Gefühl, och der arme Kerl, also den müssen wir aber jetzt schonen. Ich erlebe immer genau das Gegenteil, ich muss immer schmunzeln über die Kollegen, die kommen und sagen, Mensch, du hast ja andere Sorgen, und denk auch mal an dich und deine Familie. Jetzt schon dich mal, übrigens wär sehr nett, wenn du zu unserem Neujahrsempfang des CDU-Kreisverbandes kommen könntest. Und dann sag ich: Jaja, ich komme."
Der "Spiegel" hat letztes Jahr ein mehrseitiges Interview mit ihm abgedruckt, die erste Frage lautete, wie lange er, Bosbach, noch zu leben habe. Der Patient ist geradezu erleichtert, dass auch die Journalisten ihn nicht schonen, sondern weiterhin hart nachfragen, ob es nun um Politik oder um den Krebs geht. Ein Problem gibt es allerdings:
"Man bekommt unzählige Ratschläge. Und jeder meint es natürlich gut. Aber mittlerweile hab ich Tausende von Ratschlägen bekommen. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Sehr schön fand ich den Wünschelrutengänger, der mir helfen wollte."
Zum Schluss die Frage nach den Grenzen, wo trennen sich das Politische und das Private? Beim Schlafanzug, sagt Wolfgang Bosbach: Bilder vom Krankenbett wird es mit ihm nicht geben.
Hotel Malerwinkel im vornehmen Bensberg, mitten im rheinisch-bergischen Kreis vor den Toren Kölns – das hier ist "Bosbach-Land": 50 Prozent der Erststimmen hat der CDU-Politiker hier 2009 geholt – das will er am 22. September wiederholen.
"Ich würde mich für Angela Merkel in jede Schlacht werfen",
sagt Bosbach, der herzkrank ist und Krebs hat. Aber keine Scheu, darüber zu reden.
"Ich hab ja keine Presseerklärung abgegeben. Sehen Sie mal, wenn ich beim Onkologen im Wartezimmer sitze, dann hab ich garantiert keine Halsschmerzen. Und wenn ich 30 Mal hintereinander mich einer Bestrahlung unterziehen muss, dann wird man doch gesehen im Wartezimmer."
Es gibt noch einen zweiten Grund für Bosbachs Offenheit. Den erklärt er, während hinter seinem Rücken eine große Kaffeemaschine spuckt und brummt:
"Dann sagt der Erste, der ist ernsthaft krank. Dann sagt der Zweite, der ist gefährlich erkrankt. Der Dritte sagt, der ist lebensgefährlich erkrankt. Und der Vierte fragt, wann ist denn die Beerdigung? Aber wenn man sagt, was Sache ist, dann gibt es auch keine Nachfrage und keine Heimlichtuerei."
Der 61-Jährige will selbst bestimmen, wie und wie viel die Öffentlichkeit über seine Krankheiten erfährt. Und warum er trotzdem weitermacht mit der Politik, jedenfalls so lange es geht.
"Ich habe mir bewusst Zeit gelassen für eine Entscheidung, ob ich zum sechsten Mal für den Deutschen Bundestag kandidieren soll und dann kam die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen mit einem bitteren Ergebnis für die CDU. Und ich wusste genau, wenn du jetzt ins Kreishaus fährst, dann werden dich die Journalisten sofort fragen: Na Herr Bosbach, haben Sie denn noch Lust zur Bundestagswahl? Und auf der Fahrt von zu Hause habe ich gewusst, du musst dich entscheiden, sonst sieht es ja so aus – da macht sich einer vom Acker, wenn es eng wird. Und so was hab ich im Leben noch nie gemacht."
Das würde auch Ministerpräsident Matthias Platzeck aus Brandenburg niemand vorwerfen, dennoch hat sich der Sozialdemokrat anders entschieden. Pflichterfüllung schön und gut, aber nicht auf Kosten der Gesundheit. Kommende Woche wird Platzeck seine Ämter niederlegen – Christdemokrat Bosbach nimmt Anteil:
"Ich habe ihn immer wieder dafür bewundert, dass er immer wieder zurückgekehrt ist, immer wieder einen neuen Versuch gestartet hat. Mit alter Kraft in die Politik zurückzukehren. Aber wenn man selber merkt, es geht nicht mehr, dann muss man loslassen, auch wenn es eine schwere Entscheidung ist."
Dieses Interview hat Bosbach sofort zugesagt. Natürlich sieht ein alter Politprofi wie er ein solches Gespräch auch als Wahlkampftermin. Aber eben nicht nur. Bosbach spricht schon seit Jahren offen über Schwäche, Schmerzen und Gebrechen – über all das also, was im deutschen Politikbetrieb tabu ist. Doch es geht ihm nicht um Provokation, und auch nicht darum, Sympathien zu erheischen.
"Ich poste ja nichts, ich stelle ja auf meiner Homepage nichts ein. Es gilt im Persönlichen das, was im Politischen auch gilt: Es gibt Fragen. Und diese Fragen beantworte ich und rede nicht drum herum."
Egal, ob es nun um die Euro-Rettungspakete der Kanzlerin geht, die Bosbach ausdrücklich kritisiert. Oder wie derzeit die Flüchtlingsunterbringung in Berlin-Hellersdorf. Oder eben seinen Prostatakrebs – der Rheinländer Bosbach spricht aus, was ihn bewegt. Auftrumpfen will er keinesfalls. Und auch kein "Held der Arbeit" sein – klar trete er jetzt ein bisschen kürzer als früher. Trotzdem gab es da im März diesen Zusammenbruch auf dem Parteitag in Münster. Doch so wie Bosbach es erzählt, klingt es wie ein Happening – alles halb so wild:
"Ich musste auch noch lachen, weil ich die erste SMS bekam, da lag ich noch auf dem Boden. Also bevor die Sanitäter des Roten Kreuzes Hand anlegen konnten, hatte mir schon einer gute Besserung gewünscht. Das war jetzt auch kein Wunder. Auf dem Landesparteitag der CDU waren natürlich alle Medien vertreten. Und wenn wir mit den modernen Medien in diesem Tempo weitermachen, beim nächsten Mal bekomme ich wahrscheinlich eine SMS: Achtung, in einer Stunde schockt Dein Defi!"
Mit dem "Defi" ist Bosbach seit sechs Jahren zusammen, der Defibrillator wurde ihm nach dem ersten Herzanfall eingesetzt. Vormittags schluckt er jetzt jeden Tag sieben Tabletten und eine noch mal abends. Sie haben unerfreuliche Nebenwirkungen. Und Kölsch darf er auch nicht mehr trinken. Das Schlimmste aber – Mitleid – ist ihm bisher erspart geblieben:
"Glücklicherweise! Das würde mich auch bedrücken, wenn ich das Gefühl hätte, dass sich die Leute mir nähern mit dem Gefühl, och der arme Kerl, also den müssen wir aber jetzt schonen. Ich erlebe immer genau das Gegenteil, ich muss immer schmunzeln über die Kollegen, die kommen und sagen, Mensch, du hast ja andere Sorgen, und denk auch mal an dich und deine Familie. Jetzt schon dich mal, übrigens wär sehr nett, wenn du zu unserem Neujahrsempfang des CDU-Kreisverbandes kommen könntest. Und dann sag ich: Jaja, ich komme."
Der "Spiegel" hat letztes Jahr ein mehrseitiges Interview mit ihm abgedruckt, die erste Frage lautete, wie lange er, Bosbach, noch zu leben habe. Der Patient ist geradezu erleichtert, dass auch die Journalisten ihn nicht schonen, sondern weiterhin hart nachfragen, ob es nun um Politik oder um den Krebs geht. Ein Problem gibt es allerdings:
"Man bekommt unzählige Ratschläge. Und jeder meint es natürlich gut. Aber mittlerweile hab ich Tausende von Ratschlägen bekommen. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Sehr schön fand ich den Wünschelrutengänger, der mir helfen wollte."
Zum Schluss die Frage nach den Grenzen, wo trennen sich das Politische und das Private? Beim Schlafanzug, sagt Wolfgang Bosbach: Bilder vom Krankenbett wird es mit ihm nicht geben.