Botero und Abu Ghraib – das will auf den ersten Blick so gut zusammenpassen wie ein ausladendes Schlemmerbuffet auf einem Plakat der Welthungerhilfe. Über Jahrzehnte hinweg hat der Künstlerstar aus Südamerika seine drolligen Folklorepuppen mit allem gemästet, was dick macht, um sein Publikum mit berstender Leibesfülle und barocker Sinnlichkeit zu erfreuen. Und jetzt beklagt der professionelle Sonntagsmaler mit heiligem Zorn die schäbigen Praktiken amerikanischer Rekruten im berüchtigten irakischen Sondergefängnis, ohne die Manier seiner drall gefütterten Lebenslust verleugnen zu wollen oder zu können.
Den Verdacht obszöner Verkitschung eines grausigen Themas provoziert die erwartungsgemäß üppige, in Völlerei schwelgende Werkschau der Kunsthalle Würth in der idyllischen Fachwerkstadt Schwäbisch Hall, indem die Abteilung mit den skandalösen Folterszenen von der heilen Welt am Fuße der Anden an einem separierten Ort gleichsam schamvoll abgesondert wird. Die Vorsichtsmaßnahme, versehen mit der Warnung vor extremen Exzessen, erweckt den Anschein, als laufe das Publikum ansonsten Gefahr, den Spaß am burlesken Volkstheater mit dem diesmal blutigen Ernst zu verwechseln. Und die Verwechslungsgefahr ist eben tatsächlich nicht von der Hand zu weisen, sind doch die Körper der Gefangenen so wohl genährt wie die der satten Ehepaare beim Picknick oder beim schwerfälligen Bauerntanz. Das Blut, das da fließt, ist ja genauso tomatensaftrot wie die Festtagskleider herausgeputzter Kleinbürger oder die Mitra des selbstzufriedenen Kirchenfürsten. Und die Höllenhunde in den Gitterkäfigen haben so furchterregende Zähne, als gehörten sie dem bösen Wolf aus dem Märchenbuch.
Gegen die gedankenlose Vereinnahmung des real existierenden Horrors in den bunten Populismus aus einem exotisch fabulierten Lateinamerika jenseits der sozialen Katastrophen, der Umtriebe skrupelloser Drogenbarone und der Guerilla-Attacken spricht allerdings, dass der Kolumbianer mit kaum glaublicher Hartnäckigkeit an seiner selbstgewählten Aufgabe festhält. Seit nunmehr zwei Jahren umkreist Botero die Schande der westlichen Zivilisation mit immer neuen Variationen, um die Untaten im Gedächtnis der Kunst zu verankern. Im Sommer dieses Jahres zeigte er seine Trauerarbeit am Fanal von Abu Ghraib im Palazzo Venezia, Mussolinis ehemaliger Residenz in Rom. Jetzt ist der auf fast sechzig Gemälde und Zeichnungen angewachsene Zyklus in der Kunsthalle Würth erstmals in Deutschland zu sehen. Nach eigener Aussage will sich der Künstler mit Picassos "Guernica" messen, und er wagt das mit einem Instrumentarium, das der mythisch verschlüsselten Strategie des Spaniers entgegengesetzt ist.
Wenn sich massige nackte Körper auf dem Boden des Kerkers winden, mit verbundenen Augen an ihren Fesseln zerren oder wie Schlachtvieh kopfüber an Seilen hängen, erinnert die Szenerie an die drastisch ausgekosteten Martyrien des Mittelalters. Wie die germarterten Heiligen der Spätgotik erdulden die Opfer Stiefeltritte und Knüppelschläge der Henkersknechte, türmen sich zu Bergen aus geschundenem Fleisch und erleiden schmerzverzerrt die Bisse zähnefletschender Ungeheuer. Zum Vorschein kommen die Grundmuster der christlichen Ikonografie wie Geißelung, Dornenkrönung und Kreuzigung, so dass die Bilder der Misshandlung im Rahmen der Kunstgeschichte exemplarische Bedeutung gewinnen. Einzig die aufgezwungene Frauenunterwäsche, die die Erniedrigung grotesk auf die Spitze treibt, verweist auf das aktuelle Geschehen.
Die impertinente Naivität mit ihrer voluminösen Übertreibung, die Botero von den volkstümlichen Schauerschichten der alten Meister ableitet, irritiert und verstört, weil die intellektuelle Traditionslinie des Protestes gegen verletzte Menschenwürde von Goya bis Otto Dix, Max Beckmann, Picasso und Gerhard Richter so selbstbewusst verlassen wird. Aber gerade deshalb zeigen die strotzenden Kraftakte des kolumbianischen Moritatenerzählers eine Wirkung, die im scharfen Kontrast zur Betroffenheitsroutine außergewöhnlich ist.
Den Verdacht obszöner Verkitschung eines grausigen Themas provoziert die erwartungsgemäß üppige, in Völlerei schwelgende Werkschau der Kunsthalle Würth in der idyllischen Fachwerkstadt Schwäbisch Hall, indem die Abteilung mit den skandalösen Folterszenen von der heilen Welt am Fuße der Anden an einem separierten Ort gleichsam schamvoll abgesondert wird. Die Vorsichtsmaßnahme, versehen mit der Warnung vor extremen Exzessen, erweckt den Anschein, als laufe das Publikum ansonsten Gefahr, den Spaß am burlesken Volkstheater mit dem diesmal blutigen Ernst zu verwechseln. Und die Verwechslungsgefahr ist eben tatsächlich nicht von der Hand zu weisen, sind doch die Körper der Gefangenen so wohl genährt wie die der satten Ehepaare beim Picknick oder beim schwerfälligen Bauerntanz. Das Blut, das da fließt, ist ja genauso tomatensaftrot wie die Festtagskleider herausgeputzter Kleinbürger oder die Mitra des selbstzufriedenen Kirchenfürsten. Und die Höllenhunde in den Gitterkäfigen haben so furchterregende Zähne, als gehörten sie dem bösen Wolf aus dem Märchenbuch.
Gegen die gedankenlose Vereinnahmung des real existierenden Horrors in den bunten Populismus aus einem exotisch fabulierten Lateinamerika jenseits der sozialen Katastrophen, der Umtriebe skrupelloser Drogenbarone und der Guerilla-Attacken spricht allerdings, dass der Kolumbianer mit kaum glaublicher Hartnäckigkeit an seiner selbstgewählten Aufgabe festhält. Seit nunmehr zwei Jahren umkreist Botero die Schande der westlichen Zivilisation mit immer neuen Variationen, um die Untaten im Gedächtnis der Kunst zu verankern. Im Sommer dieses Jahres zeigte er seine Trauerarbeit am Fanal von Abu Ghraib im Palazzo Venezia, Mussolinis ehemaliger Residenz in Rom. Jetzt ist der auf fast sechzig Gemälde und Zeichnungen angewachsene Zyklus in der Kunsthalle Würth erstmals in Deutschland zu sehen. Nach eigener Aussage will sich der Künstler mit Picassos "Guernica" messen, und er wagt das mit einem Instrumentarium, das der mythisch verschlüsselten Strategie des Spaniers entgegengesetzt ist.
Wenn sich massige nackte Körper auf dem Boden des Kerkers winden, mit verbundenen Augen an ihren Fesseln zerren oder wie Schlachtvieh kopfüber an Seilen hängen, erinnert die Szenerie an die drastisch ausgekosteten Martyrien des Mittelalters. Wie die germarterten Heiligen der Spätgotik erdulden die Opfer Stiefeltritte und Knüppelschläge der Henkersknechte, türmen sich zu Bergen aus geschundenem Fleisch und erleiden schmerzverzerrt die Bisse zähnefletschender Ungeheuer. Zum Vorschein kommen die Grundmuster der christlichen Ikonografie wie Geißelung, Dornenkrönung und Kreuzigung, so dass die Bilder der Misshandlung im Rahmen der Kunstgeschichte exemplarische Bedeutung gewinnen. Einzig die aufgezwungene Frauenunterwäsche, die die Erniedrigung grotesk auf die Spitze treibt, verweist auf das aktuelle Geschehen.
Die impertinente Naivität mit ihrer voluminösen Übertreibung, die Botero von den volkstümlichen Schauerschichten der alten Meister ableitet, irritiert und verstört, weil die intellektuelle Traditionslinie des Protestes gegen verletzte Menschenwürde von Goya bis Otto Dix, Max Beckmann, Picasso und Gerhard Richter so selbstbewusst verlassen wird. Aber gerade deshalb zeigen die strotzenden Kraftakte des kolumbianischen Moritatenerzählers eine Wirkung, die im scharfen Kontrast zur Betroffenheitsroutine außergewöhnlich ist.