Mittwoch, 24. April 2024

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Bilderbuch-Illustrator Jonas Lauströer
"Bei Tieren in Bewegung kann man viel kaschieren"

Fliegen, laufen, jagen: Der Bilderbuch-Illustrator Jonas Lauströer gestaltet am liebsten Tiere in Bewegung. Beim Zeichnen von Vierbeinern müsse er nicht so perfektionistisch sein, weil die Menschen Fehler meist nicht bemerkten, erklärte er im Dlf.

Moderation: Ute Wegmann | 30.09.2017
    Der Kinderbuchautor Jonas Lauströer
    Der Kinderbuchautor Jonas Lauströer (Jörg Stroisch / Deutschlandfunk)
    Ute Wegmann: Sein Personal sind oft Tiere, seine bevorzugten Farbe Braun-, Schwarz, Dunkelblau-Töne. Und man kann sagen, mein Gast ist ein Meister der Bewegungszeichnung. Wo die Schnecke in" Wandas Glück" entlang kriecht, wie der Rabe in Wilhelm Buschs "Hans Huckebein" flattert, von Fuchs und Hund in "Reineke Der Fuchs" oder der Wettlauf zwischen "Hase und Igel" im Märchen der Brüder Grimm. Alle diese Tier sind ins Bild gesetzt von Jonas Lauströer, geboren 1979 in Hamburg, studiert hat er an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg und seit 2006 ist er auch dort Lehrbeauftragter.
    Im Jahr 2009 begann die Buchkarriere mit "Wandas Glück", eine gereimte Geschichte über eine Nacktschnecke. Es folgte ein Sachbuch "Wie fing alles an? Die Entwicklungsgeschichte des Menschen - Vom Affen zum Homo Sapiens". Dieses Buch hat ein interessantes Titelbild: Schimpanse im Profil, dahinter in gleicher Körperhaltung – Kinn auf verschränkten Armen – ein Mann, dieser aber nur skizziert. Gearbeitet in Kohle, Buntstift und Wasserfarben.
    Diese Technik, Jonas Lauströer, dieser Stil - man den kennt das aus Comics, das Skizzierte, Schraffierte signalisiert Bewegungsabläufe - dieser Stil taucht immer wieder in Ihren Büchern auf und geht weit darüber hinaus.
    "Ich nähere mich selber dem Thema durch Skizzieren"
    Jonas Lauströer: Das stimmt. Dieser Skizziereffekt ist eine Forschung. Ich nähere mich selber dem Thema durch Skizzieren und dadurch, dass ich die Skizze stehen lasse, beziehe ich den Betrachter ein an dem Verstehen teilzunehmen und er kann nachvollziehen, wie das Bild entsteht. Und das ist das, was reizt.
    Wegmann: Diese Skizze hier, das Titelbild ist ja nicht nur eine Vorstufe, sondern die hat ja ein Eigenleben.
    Lauströer: Ganz klar ist die Bewegung da mit drin, durch dieses Wiederholen von Strichen. Und was den Titel des Evolutionsbuches betrifft: Wir wissen natürlich nicht genau, wo wir herkommen. Wir wissen nur, dass es die Schimpansenhäute gibt. Das Profil des Menschen bin natürlich ich. So spiegelt sich, der Betrachter kann seine Fantasie einschalten und die Gemeinsamkeit entdecken, aber man kann sie nicht zeichnen. Würde man das tun, wäre sie viel zu konkret.
    Der Bilderbuch-Illustrator Jonas Lauströer im Struwwelpetermuseum in Frankfurt
    Der Bilderbuch-Illustrator Jonas Lauströer im Struwwelpetermuseum in Frankfurt (imago/Michael Schick)
    Wegmann: Ein weiteres Beispiel aus "Hans Huckebein, der Unglücksrabe" – der kleine Fritz hat den tiefschwarzen Raben in seiner Kappe gefangen und steht nun der alten Tante gegenüber. Da erwächst, skizziert aus dem weichen Tantengesicht, das scharfkantige Rabenprofil. Symbol für Nähe zwischen Mensch und Tier?
    Lauströer: Die Assoziation, dass der schlüpfende Vogel geprägt wird auf eine Mutter, hier kommt der Vogel in das Haus, in die neue Familie. Und ich dachte, dass die Frau die neue Mutter des Vogels ist, oder die Perspektive des Vogels, dass er die alte Frau mit dem Hut auch als Vogel wahrnimmt.
    "Der Betrachter guckt beim Menschen viel genauer"
    Wegmann: Wo liegt der Reiz in der Studie des Tieres? Wo in der Studie des Menschen?
    Lauströer: Tiere sind enorm spannend, weil sie so unterschiedliche Bewegungen machen können. Der Vogel ist der Meister des Fliegens, das sind Gestiken und Körper, die unglaublich vielseitig sind. Der Mensch ist im Vergleich zum Tier schwieriger, weil man da sehr viel schneller Fehler erkennt. Der Betrachter guckt beim Menschen viel genauer, er guckt auf Mimik, auf den Mund. Beim Zebra ist das was anderes, denn in echt weiß keiner genau, wie ein Zebra aussieht. Man kann da Fehler machen, das ist ein dankbares Motiv. Beim Menschen rasten immer ganz schnell unsere Erfahrungen ein.
    Wegmann: Weil wir die Wirklichkeit mit dem Bild abgleichen.
    Lauströer: Genau.
    Wegmann: Ich habe Sie schon zu Beginn als den Meister der Bewegungszeichnung betitelt. Es ist phänomenal, welche Kraft ein flatternder Rabe, eine fauchend-springende Katze, ein hechelnd-laufender Hund in ihren Bildern haben. Als Betrachter spürt man die Anspannung der Muskeln und Sehnen. Wie gelingt Ihnen das, haben Sie Anatomie- oder Medizin studiert?
    Lauströer: Nee, studiert nicht, aber ich hab jahrelang mit Morphologen in Jena zusammengearbeitet, die sich nur mit den Bewegungsabläufen von Tieren beschäftigen und die Röntgenfilme machen mit Hochgeschwindigkeitskameras. Und da bin ich sehr involviert und hab da 3D-Animationen gemacht und versucht, diese ganzen wissenschaftlichen Daten zu koppeln, also CT- und Röntgendaten, und dadurch bin ich nah an die Wissenschaftler herangekommen, hab mit denen präpariert. Das Paradebeispiel ist dieser Hund, der von Grund auf aufgebaut ist mit handmodellierten Muskeln und verschiedenen wissenschaftlichen Daten und der läuft am Ende. Das heißt, man kann am laufenden Hund die aktiven Muskeln zu jedem Moment der Bewegung sehen.
    Wegmann: Sie haben dazu einen 3D-Film erstellt? Eine Animation?
    Lauströer: Richtig!
    Wegmann: Und wie kam es zu dieser Zusammenarbeit? Haben Sie die Zusammenarbeit forciert, weil Sie das alles lernen wollten?
    Lauströer: Mein Interesse für Bewegung fing mit meiner Diplomarbeit an. Da hab ich mich dem Vogelflug laienhaft genähert, hab Fachliteratur gelesen und während meines Studiums ein gewisses Niveau erreicht.
    Mit dieser Arbeit hab ich mich nach dem Studium beworben und hab interessanterweise zwei Aufträge bekommen: einmal aus dem Fiction-Bereich, das war Hans Huckebein, und parallel dazu das Buch "Hunde in Bewegung", ein Buch über die Fortbewegung von Hunden, das auf der Jenaer Studie basiert, eine Arbeit über 300 verschiedene Hunde, die dort untersucht wurden. Das war dann ein Hin-und-Her-Spiel. Ich hab die Bilder aus der Diplomarbeit für eine Bilderbuchgeschichte genutzt und auch für die wissenschaftlichen Präsentationen. Das hat sich immer wieder gegenseitig befruchtet.
    Ein Kind blättert in einem Bilderbuich mit Illustrationen von Jonas Lauströer.
    Ein Kind blättert in einem Bilderbuich mit Illustrationen von Jonas Lauströer. (imago/Michael Schick)
    Wegmann: Sie haben es gerade erwähnt, Sie haben ein Sachbuch gemacht. "Hunde in Bewegung" ist der Titel. Ein umfangreiches Buch mit beeindruckenden Bewegungsstudien. Ob Münsterländer, Schäferhund oder Terrier. Wie viele, sagten Sie, sind es?
    Lauströer: Ich glaube, es waren über 300 Hunde aus dreißig verschiedenen Rassen. Eine unvorstellbare große Zahl an Hunden, die bringen diese Vielfalt mit. Große, kleine, breite, dünne – da kann man die Bewegung vergleichen, und das hat natürlich mein Zeichnen bis jetzt geprägt, dass ich immer denke, wie sieht der Hund unter der Haut aus. Das ist das, was ich mitbringe, wenn ich einen Fuchs male oder einen Wolf.
    Wegmann: Erhöht das Zeichnen oder Malen einer Figur in Bewegung, eines Tieres mit vier Beinen, die Schwierigkeitsstufe? Der deutsche Rekord im Hochsprung liegt bei 2,30, legen Sie die Latte auf 2,40?
    "Bei Tieren in Bewegung kann man viel kaschieren"
    Lauströer: Dass Tiere schwieriger zu zeichnen sind?
    Wegmann: Vor allem Tiere in Bewegung?
    Lauströer: Tiere in Bewegung, das ist dankbar, weil man viel kaschieren kann. In der Bewegung sieht man eh wenig, das ist verschwommen. Ich habe gerade Hochgeschwindigkeitsaufnahmen von Pferden gesehen, in dem Moment, wo das Bein nach vorne schwingt, ist die komplette Muskulatur entspannt, der Huf schlackert richtig nach vorne. Das nimmt man bei einem rennenden Pferd gar nicht wahr. Ansonsten ist wie gesagt, der Mensch ein schwierigeres Motiv.
    Wegmann: Würden Sie über Ihren Berufsstand sagen, ein Illustrator muss sehr fleißig sein wollen?
    Lauströer: Viel zeichnen und malen ist kein Fehler. Es gibt sicher verschiedene Wege, aber für mich ist es tatsächlich gut gewesen, dass ich nonstop immer zeichne, immer einen Stift dabei habe, immer Papier. Das muss Routine sein.
    Wegmann: Im Jahr 2011 illustrierten Sie "Reinecke Der Fuchs", nach einer Textzusammenstellung von Renate Raecke. 2013 folgte "Vom Fischer und seiner Frau", ein Märchen, das nachweislich zurückgeht auf Philipp Otto Runge etwa um 1800 und in den Hausmärchen der Brüder Grimm erstmals auftaucht. Auch hier der Text überarbeitet von Renate Raecke.
    Wer kennt sie nicht, die Geschichte von dem Ehepaar, das am Meer lebt, und dem Tag, als der Fischer einen besonderen Fisch angelt, ihn wieder freilässt und die Frau sich etwas wünschen darf. Dabei leider auf den Geschmack kommt und den Hals nicht mehr vollkriegt.
    Sie, Jonas Lauströer, haben etwas Erstaunliches gemacht. Sie haben im Bild die zunehmende Gier der Frau mit unserer technisierten und umweltfeindlichen Gesellschaft parallelisiert. Beeindruckende, düstere, bedrohliche Stimmungsbilder. Was war Ihnen wichtig an dieser Geschichte?
    Lauströer: Was mich an diesem Märchen gereizt hat, dass es extrem aktuell ist, nur dass man bestimmte Attribute austauscht. Dinge wie die Krone oder der goldene Becher – das hat für uns keine Bedeutung mehr, aber die Geschichte ist austauschbar. Wir sind immer noch Menschen, haben Intrigen, aber die Attribute ändern sich. Wenn ich den goldenen Ring durch ein Handy ersetze, das Wasser durch die Emailflut, dann bekommt das eine andere Bedeutung und man erreicht die Menschen , die heute leben.
    "Die Dunkelheit bring ich natürlich selber auch schon mit"
    Wegmann: Glauben Sie, dass eine solche Art der Modernisierung wichtig ist für die Märchen?
    Lauströer: Ja, ich denke schon. Aber mich hat das gereizt, dass diese Geschichte so paradox in unsere Welt passt. Mit dieser Macht! Und die alltäglichen Bilder, die man in den Nachrichten sieht, mit Katastrophen und Krieg. Und ich hab versucht, das Puzzle aufzulösen und mich zu fragen, kann man dieses alte Märchen mit heutigen Bildern illustrieren?
    Die Dunkelheit bring ich natürlich selber auch schon mit, aber bei dem Märchen bietet sich an, es von Anfang bis zum Ende immer dunkler werden zu lassen. Das ist ein Verlauf, den ich ausprobiert habe.
    Wegmann: Sie haben noch etwas Interessantes gemacht: Schon nach dem ersten Wunsch hat die Frau unverkennbar Züge von Elisabeth der Zweiten: das Gesicht, die Kleidung - Kostüm und Hut -, die Handhaltung in Handschuhen. Ist das eine Kritik an Englands Königin und dem Alleinherrschaftsgedanken? Oder war das nur ein Spiel und ein Spaß?
    Lauströer: Es gibt gewisse Ähnlichkeiten, es ist aber eine komplett andere Person, aber ich denke, dass wir mit der Krone, mit der englischen Krone sofort diese Frau verbinden. Die englische Königin ist überhaupt für die meisten bestimmt der Inbegriff für eine Königin. Aber prinzipiell ist die Person unter der Krone eine andere, aber wir assoziieren eben so und betrachten nicht mehr genau das Gesicht.
    Wegmann: Nun, ich hab schon genau hingeschaut und sehe Elisabeth, die zweite. Aber solange sich die Königin nicht dazu äußert, sei es wie es ist.
    Im Jahr 2015 erscheint "Der Hase und der Igel", wieder eine Textbearbeitung von Renate Raecke. Der Wettlauf zwischen Hase und Igel, bei dem der Igel mit seiner gleichaussehenden, gleichangezogenen Frau den Hasen in den Wahnsinn treibt, bis dieser nach 74 Läufen tot zusammenbricht. Eine Parabel über Dünkel und Arroganz mit fragwürdigen Aussagen.
    Eine davon: Wenn einer heiratet, nehme er sich am besten eine Frau, die aussieht wie er selbst. Also Igel nehme Igel. Man kann den Gedanken in der heutigen Zeit sehr nationalistisch verstehen, aber darüber hinaus vermittelt sich ein sehr klassisches Rollenbild und Familienverständnis. So sagt der Igel zu seiner Frau: "Halt das Maul." Oder "Marsch, zieh dich an." Mir erscheint das doch sehr aus der Zeit gefallen?
    Lauströer: Ja, ich wurde zweimal darauf angesprochen. Meine Ausrede ist: Der Igel ist so perfekt im Verkleiden, dass es ja schon von Anfang an eine verkehrte Rolle sein könnte. Wenn der Hase sie nicht auseinanderhalten kann ... Vielleicht ist ja auf dem letzten Bild der Igel, der den Hut trägt, auch die Frau.
    Wegmann: Das ist geschickt! Aber die Formulierungen im Dialog, wir haben es ja mit einer Textbearbeitung zu tun.
    Lauströer: Ja, das ist schon grenzwertig, denke ich. Es ist ja nicht wertend, sondern spricht etwas an, nämlich dass Frauen immer noch benachteiligt sind, im Beruf ...
    Wegmann: Wie ist es denn generell: Sind Sie im Gespräch mit der Autor oder der Autorin, in dem Fall wäre das ja möglich gewesen. Würden Sie Einfluss nehmen wollen auf den Text, wenn Ihnen etwas auffällt? Oder sagen Sie, das ist nicht mein Bereich, ich bin der Illustrator und Punkt?
    Lauströer: Nee, eigentlich versuche ich nicht einzugreifen, genauso wie ich es gut finde, wenn die Autor*innen nicht ins Bild eingreifen. Das sind zwei Sprachen, die nebeneinander stehen und sich ergänzen und nicht das Gleiche sagen. Es ist eine schwierige Debatte, gibt es bei Pippi Langstrumpf auch: Welche Worte sind überholt, was muss oder soll man ändern. Man kann das auch als Anlass nehmen, darüber zu sprechen, wie man es besser machen könnte.
    Wegmann: Sie scheuen in Ihren Bilderbüchern weder Blut noch Tod. Da spritzt das Blut nach allen Seiten über den Bildrand hinaus oder jemand liegt in einer Blutlache, egal ob Mensch oder Tier.
    2012 haben Sie Doppelseiten der Kapitelanfänge für ein Buch mit dem Titel "Der Tod gehört mir" gestaltet. Über die Bestattungskulturen und ihre Ursprünge. Was für ein Verhältnis haben Sie zu Körper, Verletzung, Tod?
    "Ich falle regelmäßig in Ohnmacht, auch beim Zahnarzt, ich kann kein Blut sehen"
    Lauströer: Kleine Anekdote aus meinen Leben: Mit zwölf hab ich den Film "Der mit dem Wolf tanzt" geschaut, und die Anfangsszene, wo ein Bein amputiert wird, hat mich so mitgenommen, dass ich in Ohnmacht gefallen bin. Ich bin da zart besaitet. Ich falle regelmäßig in Ohnmacht, auch beim Zahnarzt, ich kann kein Blut sehen. Aber durch die Präparationen an Hunden hab ich das Interesse, was passiert unter der Haut. Warum cih die Dinge dann zeichne? Ich würde sogar sagen, dass ich noch zurückhaltend bin im Vergleich zum Text. Die alten Märchen sind ja derart brutal. Wenn ich daran denke, dass man in brennenden Schuhen tanzen muss oder die Hexe bei Hänsel und Gretel wird in den Ofen geschubst. Im Text wird viel gesagt, wo man im Bild viel empfindlicher ist.
    Gut, dass Sie das ansprechen mit der Blutlache. Der Hase, der in der Blutlache liegt. Der Text sagt es: Das Blut tropfte ihm aus der Nase. Aber das war der Knackpunkt, warum das Buch in Amerika nicht gedruckt wurde. Mir war klar: Wenn ich die Blutlache male, dann ist es nicht für den amerikanischen Markt kompatibel.
    Wegmann: Ich dachte, nur sexuelle Motive wären nicht kompatibel. Ich wusste nicht, dass die Amerikaner jetzt auch schon beim Blut angekommen sind. Ihre Farbgebung ist überwiegend dunkel, gedeckt. Sie haben keine Angst vor Schwarz- und Grautönen.
    Lauströer: Angefangen hab ich mein Studium als Zeichner. Ich hab zum ersten Mal Tinte benutzt, da war ich schon im zweiten Abschnitt des Studiums, da hab ich Farbe benutzt. Insofern hat mich die Zeichnung immer verfolgt, wobei ich nicht sagen würde, dass cih nur linear arbeite, es geht dann trotzdem in die Malerei über. Aber Schwarz und Weiß ist prägnant und funktioniert auch gut in Reproduktionen. Ja, es hat sich auf eine gewisse Art festgesetzt.
    Wegmann: Die Bilderbuchtexte, mit denen sie sich beschäftigen, sind überwiegend Texte des 18. Und 19. Jahrhunderts. Liegt Ihnen das mehr als ein moderner Bilderbuchtext, ein Text von heute?
    Lauströer: Der Vorteil der alten Geschichte ist, dass sie im kollektiven Gedächtnis verankert ist. Wenn eine solche Geschichte erscheint, dann kaufen es viele reflexartig. Es ist vom Verkaufstechnischen einfacher, eine bekannte Geschichte mit neuen Bildern noch mal zu verlegen. Für mich ist es einfacher, ohne den Autor fragen zu müssen, kann ich eine Neuinterpretation machen. Das ist sehr dankbar. Und ich glaube, mich reizen die alten Geschichten und die Personen. Das Leben schien einfacher, war es natürlich nicht, aber von den Produkten und vom Umfeld. Das liegt mir näher als das Heutige mit den ganzen technischen Geräten.
    "Man könnte mal ein Kinderbuch über Diktatorentöchter oder –söhne machen"
    Wegmann: Die Verkaufsaspekte allein können es eigentlich nicht sein, denn man kann ja nicht sagen, dass Ihre Bilderbücher Mainstream oder gefällig wären. Sie haben einen sehr eigenen, auch mal blutlastigen und dunklen Touch. Wir wissen, der Mainstream kauft gerne bunt und knallig. Was muss ein Text haben, damit Sie Lust an der Illustration bekommen?
    Lauströer: Sie haben Recht, verkaufstechnisch macht das keinen Sinn. Also, im Vergleich zu vielen Kollegen ist das bescheiden, wie viele Bücher ich verkauft habe. Mich reizt auch zu provozieren. Mich stört, dass Prinzessinnen immer noch verherrlicht werden. Wenn ich mir das in die heutige Welt übersetze, könnte man mal ein Kinderbuch über Diktatorentöchter oder –söhne machen. Ich finde diese Verherrlichung der Prinzessinnen abstrus.
    Wegmann: Das kommt aus dem letzten Jahrhundert. - Was ist so eine Geschichte, die Sie unbedingt bebildern möchten?
    Lauströer: "Ferdinand, der Stier" – ein spanisches Buch finde ich sehr schön. Oder "Wie der Elefant seinen Rüssel bekam" von Kipling, das vor allem, weil ich eine Arbeit gemacht habe für das Unternehmen Festo - da ging es um Biomechanik, wie funktioniert der Rüssel? Ein Roboterarm, der wie ein Rüssel funktioniert -, das habe ich illustriert. Kipling hab ich parallel begonnen, und das war interessant, wie man in der fiktiven Welt den Rüssel malt und in der wissenschaftlichen Welt dem Rüssel unter die Haut schaut. Das hat mich gereizt.
    Wegmann: Sprechen wir noch kurz über die Lehrtätigkeit. Was vermitteln Sie? Was bekommen Sie zurück?
    Lauströer: Was ich auf jeden Fall zurückbekomme: Das merke ich enorm, das sind viele Ideen, die man in der Schnelligkeit nicht umsetzen kann. Und die sind frisch und frech und die fallen nicht in Schienen, wo man Ideen von vorneherein absägt. Und was ich gebe: Das weiß ich nicht.
    "Ich unterrichte Wie-ich-mich-dem-Bild-nähere ohne zu verkrampfen"
    Wegmann: Sie unterrichten Zeichnen?
    Lauströer: Ich unterrichte eine Mischung aus Illustration, Zeichnen und Wie-ich-mich-dem-Bild-nähere ohne zu verkrampfen. Dass man den Spaß am Malen und Zeichnen beibehält, oder dass man sich für ein Thema interessiert und die Illustration das nur begleitet, und dass der Prozess der Einarbeitung, die Skizzen dazu schon das fertige Produkt sein könnten.
    Den Verständnisprozess festgezeichnet als fertiges Produkt, das versuche ich mit den Studierenden zu erarbeiten.
    Wegmann: Ich möchte noch ein Bilderbuch erwähnen "Der alte Schäfer" von Geraldine Elschner, weil Sie dort einen liebenswerten Blick auf das Alter und alte Menschen und die Wichtigkeit des Zusammenspiels der Generationen zeigen. Das fällt ein bisschen heraus. Diese Arbeit ist heller, lichter. War das auch für Sie eine besondere Arbeit?
    Lauströer: Die war in sofern besonders: Ich hab das Buch dreimal gezeichnet. Also jedes Bild inklusive des Titels. Ich frag mich warum.
    Wegmann: Um besser zu werden?
    Lauströer: Ich weiß nicht, um mir zu beweisen, dass es das Beste ist. Dann sind sie aber alle unterschiedlich geworden. Jedes hat seine Stärke. Sie haben Recht, hier gibt es nicht so viel Schwarz. Es ist offen und licht. Und es war, glaube ich, das erste Mal, dass wir Bild und Text gegenseitig abgesprochen haben. Ich bin durch diese Arbeit zu dem Schluss gekommen, dass ich es gut finde, wenn man sich nicht so viel abspricht. Und ich finde auch, dass der Text nicht umgeschrieben, nicht ans Bild angepasst werden sollte. Das muss nebeneinanderstehen. Insofern war das ein spannendes Buch.
    Wegmann: Ich mag es auch, vielleicht weil mein Großvater Schäfer war. Vielleicht hab ich deshalb eine Zuneigung zu diesem Bilderbuch.
    Wir sprachen über:

    Wandas Glück
    , 24 Seiten, Selbstverlag
    Wilhelm Busch: Hans Huckebein, der Unglücksrabe, 32 Seiten, Minedition
    Bärbel Ofting: Wie fing alles an? Die Entwicklungsgeschichte des Menschen, 48 Seiten, Verlag Sauerländer
    Philipp Otto Runge/Renate Raecke: Vom Fischer und seiner Frau, 48 Seiten, Minedition
    Renate Raecke: Reinecke Der Fuchs. Fabelhafte Geschichten aus seinem Leben, 56 Seiten, Minedition
    Brüder Grimm/Renate Raecke: Der Hase und der Igel, 32 Seiten, Minedition
    Géraldine Elschner: Der alte Schäfer, 28 Seiten, Minedition
    Martin S. Fischer/Karin Lilje/Amir Andikfar: Hunde in Bewegung, Verlag VDH, Kosmos
    Barbara Happe: Der Tod gehört zu mir, 174 Seiten, Reimer Verlag

    Alle Bücher sind illustriert von Jonas Lauströer.