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Bildung für den Frieden

Givat Haviva, die größte und nicht-staatliche Bildungsinstitution in Israel, hat sich mit ihren Programmen zur jüdisch-arabischen Völkerverständigung weit über die israelischen Grenzen hinaus Anerkennung verschafft. In Deutschland arbeiten die Berliner Humboldt- und die Mainzer Universität eng mit Givat Haviva zusammen.

Von Fatma Aykut | 29.05.2007
    Givat ist hebräisch und bedeutet Hügel. Auf einem Hügel nahe der Stadt Hadera liegt auch der Campus von Givat Haviva, etwa zwei Autostunden nördlich von Tel Aviv entfernt. Von hier aus kann man mühelos die "grüne Linie" sehen, die imaginäre Grenze zwischen Israel und dem Westjordanland, die 1949 nach dem Palästinakrieg gezogen wurde.

    Und genau diese geografische Lage ist es, die Givat Haviva so besonders macht, erzählt Hilit Ben-Tzni, Direktorin der Abteilung für Internationale Angelegenheiten:

    "Wir befinden uns im Gebiet Wadi Ara, sind umgeben von arabischen Dörfern, jüdischen Kibbutzims, wir sind in der Nähe der Demarkationslinie, und das ist das Einzigartige in unserem Fall, unsere geografische Lage."

    Aus dieser Einzigartigkeit versucht Givat Haviva Kraft zu schöpfen, und das seit nunmehr 40 Jahren. 2001 gab es für dieses Engagement sogar den renommierten Friedenspreis UNO. Jedes Jahr kommen fast 30.000 Besucher und nehmen an Kursen und Weiterbildungsangeboten teil, darunter auch Studiengruppen aus Deutschland. Auch Torsten Reibold kam mit einer solchen Gruppe. Der Absolvent der Uni Mainz ist seitdem auf Givat Haviva geblieben:

    "Ich bin zu dem Projekt gekommen über mein Studium der Politikwissenschaften, ich hatte mich sehr intensiv mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt beschäftig und habe so über Forschungsarbeit und über meine Magisterarbeit Kontakt zu Givat Haviva aufgenommen, und hatte das Glück, dass ich dann nachdem ich meine Studien beendet hatte, ein Praktikum angeboten bekam. Und das habe ich dann getan, habe mich danach entschieden, doch noch länger zu bleiben, unter anderem auch, weil ich hier jemanden kennen gelernt habe, auch weil ich die Sprache lernen wollte, und so bin ich jetzt der Büroleiter für europäische Beziehungen."

    Und das seit drei Jahren. Torsten Reibold spricht inzwischen fließend Hebräisch, ein wenig Arabisch und perfekt Englisch. Die Arbeit auf Givat Haviva bezeichnet er als die vielfältigste, die er je erlebt hat:

    "Ja also es beginnt bei der Forschungsarbeit, Forschung geschichtlicher Art, also zur Geschichte des Widerstands beim Holocaust, Geschichte der Kibbutz-Bewegung, über sogenanntes Empowerment der arabischen Minderheit in Israel, die Möglichkeit zu geben sich weiterzubilden, ihre Chancen zu verbessern in der israelischen Gesellschaft und dann eben die Bildungsarbeit für Ausländer, für Fachleute."

    Zentrales Anliegen von Givat Haviva ist das friedliche Zusammenleben zwischen den israelischen Arabern und Juden. Denn auch nach 40 Jahren Friedensarbeit ist das Verhältnis der Beiden, die nur die israelische Staatsangehörigkeit gemein haben, geprägt durch gegenseitiges Misstrauen und nicht selten Hass, sagt Torsten Reibold. Seine Vorgesetzte, die Israelin Hilit Ben-Tzini erklärt warum:

    "Sie haben Angst voreinander, das ist der Punkt. Juden und Araber leben getrennt in unterschiedlichen Gebieten. Hier, wo wir uns jetzt befinden, ist es anders, wir leben zusammen. Aber zum Beispiel im Süden, da leben fast ausschließlich Juden. Und auch in den Universitäten, man sitzt getrennt. Sie fürchten sich voreinander. Und das ist genau das, was wir auf Givat Haviva tun: Wenn man genug über den anderen weiß, muss man ihn nicht fürchten."

    Reibold: "Viele von denen, die wir in Projekten haben, sagen zum Beispiel nach Abschluss eines Programms: 'Unglaublich, so hätte ich mir das gar nicht vorgestellt, ich hab mir Araber immer ganz anders vorgestellt. Und die Araber sagen das Gleiche über die Israelis. Man könnte meinen, jetzt haben sie erst festgestellt, dass sie es auf der anderen Seite auch mit Menschen zu tun haben."

    Die Stimme Givat Havivas aus Jerusalem: Seit drei Jahren sendet Radio "All for peace”, zu Deutsch "Alle für den Frieden", aus der geteilten Hauptstadt Israels, ein Gemeinschaftsprojekt der Friedenseinrichtung und der Humboldt-Universität in Berlin. Arabische und jüdische Moderatoren, suchen den Dialog statt den Krieg. Ein zunehmend schwieriges Unterfangen, wie Hilit Ben Tzini einräumt:

    "Es ist nicht einfach, es ist auch nicht einfacher geworden nach dem letzten Libanon-Krieg. Aber was ist denn die Alternative? Diese Frage stellen wir uns ständig - was ist die Alternative? Sich gegenseitig zu bekriegen? Nein, wir müssen miteinander reden. Und das ist nicht einfach: Wir tun alles auf den Tisch, alle Probleme, die Erniedrigungen auf beiden Seiten, die ganze Angst, die es auch auf beiden Seiten gibt. Wir sprechen in unseren Seminaren über all diese Probleme."

    Reibold: "Also hier im Inland wird es durchaus kontroverser gesehen, und das was wir tun auch sehr lebhaft diskutiert und werden auch vor allem die Erfolge in Frage gestellt, oder es wird eben die Frage gestellt: Was bringt das überhaupt, was macht ihr und wie sind eure Langzeitwirkung? Während wir im Ausland eher den Eindruck hinterlassen, 'oh, hier sind überhaupt mal Leute, die tun was, und die möchten was verändern."