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Bildung ist für alle da

Die Studierbereitschaft von Kindern aus Nicht-Akademikerfamilien steigt leicht an. Das hat eine aktuelle Studie im Auftrag des Bundesbildungsministeriums ergeben. Doch nach wie vor spielt in Deutschland die soziale und familiäre Herkunft eine entscheidende Rolle für den Bildungsweg. Doch das soll sich nun ändern.

Von Claudia van Laak | 11.03.2010
    Mit der Unterstützung bereits in der Schule beginnen - das hat sich die Hertie-Stiftung auf die Fahnen geschrieben. Das Programm "Start" offeriert Stipendien für begabte Zuwandererkinder. Die Webseite Arbeiterkind.de wendet sich speziell an Schülerinnen und Schüler aus nicht-akademischen Familien. In mittlerweile elf deutschen Städten sind Mentoren aktiv, die Fragen rund um das Hochschulstudium beantworten und Interessierte betreuen. Ähnlich aufgebaut: der Studienkompass, den die Stiftung der deutschen Wirtschaft ins Leben gerufen hat. Leiter Ulrich Hinz:

    "Für unser Programm im Studienkompass war es zunächst ausschlaggebend zu sagen, wir wollen individuell betreuen, persönlich informieren. Und wir wollen eine Startrampe aufbauen, auf der man selbst mit eigenem Engagement und eigener Initiative in die Situation kommt, dass man ein Studium beginnt."

    Der Studienkompass schlägt eine Brücke zwischen Schule und Hochschule: die Stipendiaten werden drei Jahre lang betreut. Sie erhalten kein Bargeld, stattdessen umfassende Orientierungshilfen. Wo sind meine Stärken und Schwächen, welches Fach kommt für mich infrage, wie finanziere ich mein Studium? Unternehmerinnen und Hochschullehrer stehen den Stipendiaten zur Seite, beantworten ihre Fragen. Teilnehmen können Schüler aus Nicht-Akademiker-Familien. Ein gutes Programm, findet Jutta Randelhoff, Schulleiterin des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums in Berlin.

    "Also wir denken, dass das ein unglaublich gutes Ergänzungsangebot ist, nicht nur beruflich sich zu orientieren, sondern auch die Zukunftspläne zu sortieren. Und wir haben festgestellt, dass es häufig darum geht, eine Bestimmung der eigenen Wünsche vorzunehmen, wenn es um den Beruf geht, und ich denke, dass kann dabei sehr hilfreich sein."

    Der Studienkompass begleitet derzeit 1000 Schülerinnen und Schüler in 14 Städten, die Berlinerin Anna Gordon ist eine von ihnen. Annas Familie kommt aus Russland, sie hat noch zwei Geschwister, ihr Vater ist arbeitslos. Ursprünglich wollte die 18-Jährige nicht studieren, um ihrer Familie nicht auf der Tasche zu liegen.

    "Weil ja dadurch ganz viel Zeit verloren geht, wenn man studiert, man kann ja gleich eine Ausbildung machen und anfangen zu arbeiten."

    Mittlerweile hat Anna andere Pläne. Die Seminare im Rahmen des Studienkompasses, die Gespräche mit ihrem Mentor und auch ihren Lehrerinnen am Bertha-von-Suttner-Gymnasium haben sie gestärkt.

    "Vorher war ich mir nicht so sicher, aber jetzt denke ich darüber nach, Kulturwissenschaften zu studieren, aber ich muss mich noch genau informieren."

    Gleich vier Schüler des Bertha-von-Suttner-Gymnasiums nehmen am Studienkompass teil. Das liegt auch am Engagement von Etta Ites. Die Lehrerin ist Ansprechpartnerin für Stipendienprogramme, hilft bei der Bewerbung, ermuntert einzelne Schüler. Ihre Beobachtung: Früher war es selbstverständlicher, nach dem Abitur ein Studium zu beginnen, heute bleiben viele gute Schülerinnen und Schüler unter ihren Möglichkeiten.

    "In erster Linie weil sie Angst haben, wohin führt mich das Studium, sie sehen keine klare Berufsperspektive am Ende eines Studiums. Der andere Grund ist, dass sie gar nicht wissen, wenn sie in ein Bundesland gehen mit Studiengebühren, wie sollen sie das finanzieren. Und dann hat das auch etwas damit zu tun, dass sie eine gewisse Orientierungslosigkeit haben, sie haben auch Angst davor, ein Studium zu beginnen, obwohl sie so gute Schüler sind."

    Orientierung geben, die Zukunftsängste zerstreuen, das ist Ziel des Stipendienprogramms "Studienkompass". Leiter Ulrich Hinz sieht dabei die Statistik auf seiner Seite.

    "Also statistisch gesehen ist die Arbeitslosigkeit von Akademikern in Deutschland ein sehr sehr kleines Thema, das liegt unter sechs Prozent, während die Arbeitslosigkeit von Nicht-Akademikern doppelt so hoch ist, so dass wir da schon einen großen Unterschied haben, so das ein Studium nicht nur mehr Chancen eröffnet, sondern auch mehr Sicherheiten bietet."

    Das Stipendienprogramm der Stiftung der deutschen Wirtschaft geht jetzt ins dritte Jahr. 93 Prozent der Teilnehmer haben ein Studium aufgenommen.