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"Bildung ohne Geld geht halt nicht"

Helmut Rau (CDU), Kultusminister in Baden-Württemberg, hat Bund und Länder ermahnt, die Finanzierung der Bildung auch ernsthaft zu betreiben. Das angestrebte Ziel von 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung müsse erreicht werden.

Helmut Rau im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Barenberg: Reformbedarf allenthalben also im deutschen Bildungswesen und also hat die Bundeskanzlerin im Frühjahr schon das Ziel ausgegeben, Deutschland in eine Bildungsrepublik zu verwandeln. Den Weg dorthin ebnen soll das Treffen mit den Ministerpräsidenten heute in Dresden.
    Am Telefon begrüße ich nun den CDU-Politiker Helmut Rau, den Kultusminister in Baden-Württemberg. Einen schönen guten Tag.

    Rau: Guten Tag, Herr Barenberg.

    Barenberg: Zwei Stunden Beratungszeit in Dresden beim Bildungsgipfel, Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern im Vorfeld. Kann dort mehr herauskommen als gut gemeinte Absichtserklärungen?

    Rau: Der Gipfel ist vorbereitet. Es gibt einen Sachkatalog, den die Kultusministerkonferenz gemeinsam mit der Bundesbildungsministerin erarbeitet hat. Daraus ergibt sich ein Arbeitsprogramm für die kommenden Jahre, das respektabel ist. Das Gerangel im Vorfeld hat sich eigentlich auch nicht um die Kompetenzen, sondern ums Geld gedreht, aber Bildung ohne Geld geht halt nicht.

    Barenberg: Wie würden Sie denn die Herausforderungen beschreiben, vor denen wir in Deutschland beim Thema Bildung stehen?

    Rau: Die Herausforderungen sind, junge Menschen früh in ihre Bildungsbiographie so zu begleiten, dass sie in der Lage sind, in der Schule einen bestmöglichen Erfolg zu erzielen. Die Herausforderung heißt, wir müssen für alle jungen Menschen in unserem Land durch ein differenziertes Bildungssystem eine Perspektive schaffen, dass sie am Ende ihrer Bildungslaufbahn in ein selbst verantwortetes Leben eintreten können. Und die Herausforderung heißt sicher auch, lebenslanges Lernen ist wichtiger denn je. Man hat nie ausgelernt und dafür müssen die Strukturen noch gestärkt werden.

    Barenberg: Wir müssen allen eine Perspektive bieten, sagen Sie. Das ist also im Moment nicht der Fall?

    Rau: Wir haben ganz sicher die Situation, dass Kinder und Jugendliche in den Schulen ihre Potenziale auch deshalb noch nicht ausschöpfen können, weil sie früh den Anschluss verlieren, weil es an Sprachkenntnis mangelt, weil ihr soziales Umfeld ihnen keine optimale Begleitung ermöglicht, und darauf muss die Schule gemeinsam mit Anstrengungen in anderen Bereichen der Gesellschaft eine Antwort geben.

    Barenberg: Ich will noch mal einen anderen Problembereich nennen: die hohe Zahl von Schulabbrechern - 80.000 im Jahr. Darum will sich der Bildungsgipfel heute in Dresden kümmern. Dazu sollen Beschlüsse gefasst werden. Wenn es gut geht, soll das Ziel der Halbierung beschlossen werden. Ich würde Sie gerne fragen, wie kann man das machen? Wie muss man das in der Praxis machen?

    Rau: Wenn Sie sich die Entwicklung in diesem Bereich anschauen, dann sehen Sie, dass in den letzten 30 Jahren die Zahl der Schulabbrecher sich schon halbiert hat. Wir haben durch ein immer individuelleres Förderkonzept auch die Schülerinnen und Schüler mitgenommen, die in der Schule große Probleme haben. Baden-Württemberg hat nun die niedrigste Quote an Schulabbrechern. Wenn ich dort noch herausrechne, was in den Förderschulen an Abschlüssen und dann auch Übergängen in Berufsbildungswerke gegeben wird, dann bleiben bei uns tatsächlich drei Prozent übrig. Das sind drei Prozent zu viel. Wir dürfen niemand von Vornherein aufgeben. Wir wissen aber auch, dass nirgendwo die Bildung hundertprozentige Erfolgsquoten hat. Es geht, indem die Unterstützung für die Jugendlichen noch stärker individualisiert wird, indem differenzierte Förderkonzepte greifen können und indem wir auch eine sehr starke berufliche und berufspraktische Orientierung in die Bildungsabschlüsse mit hineinnehmen.

    Barenberg: Zu wenig Schüler schaffen es bis zum Abitur - ein weiteres Problem -, zu wenig dann auch zum Hochschulabschluss. Was muss getan werden - über die Selektivität hatten wir schon gesprochen -, um für mehr Kinder mehr Chancengerechtigkeit zu erreichen?

    Rau: Ja. Da können Sie sich gerne ein Beispiel an unserem Land nehmen. Die Durchlässigkeit im Bildungswesen muss verstärkt werden. Wir haben mittlerweile 50 Prozent von Studienberechtigungen, die nicht in den allgemein bildenden Gymnasien erworben werden, sondern auf anderen Bildungswegen - die Hälfte aller Studienberechtigungen. Das führt dazu, dass bei uns jetzt 50 Prozent eines Altersjahrgangs auch eine Studienberechtigung erreicht haben. Das heißt, die Vielfalt der Bildungswege ist der Schlüssel zum Erfolg, nicht die Einfalt.

    Barenberg: Andere sagen, nicht die Einfalt ist der Schlüssel, aber längeres gemeinsames Lernen der Kinder ist der Schlüssel, um die Selektivität zu vermeiden. Und man muss ja auch sagen, beim gegliederten Schulwesen ist der Aufstieg eher schwierig; der Abstieg funktioniert reibungslos. Möglicherweise nicht in Baden-Württemberg, aber allgemein betrachtet ist das ja ein Grundproblem im gegliederten Schulwesen gewesen. Müssen wir das auf Sicht dann doch langfristig überwinden?

    Rau: Wir müssen das gesamte Bildungswesen betrachten und die beruflichen Schulen bleiben leider sehr oft außen vor. Bei uns sind die ein so wichtiger Bestandteil des Bildungsangebots und hier werden zusätzliche Qualifikationen erworben. Hier finden Bildungsbiographien, die aus den allgemein bildenden Schulen kommen, einen Erfolg versprechenden Anschluss. Das Thema heißt nicht Einheitsschule, sondern das Thema heißt "viele Wege führen nach Rom". Wir bieten unterschiedliche Qualifikationsmöglichkeiten an, die auch auf Entwicklungen bei den Jugendlichen selbst eingehen können. Ich glaube, dass das der Weg ist, der uns Erfolg verspricht, und da kann ich nur sagen, wer den Bereich der beruflichen Schulen unterschätzt, der macht einen großen Fehler. Das geschieht leider in internationalen Schulvergleichen häufig.

    Barenberg: Wir müssen zum Schluss doch noch über das Geld reden. Was tun gegen die chronische Unterfinanzierung des gesamten Bildungswesens? Wo erwarten Sie da belastbare Zusagen? Welche Aufteilung zwischen Bund und Ländern schwebt Ihnen da vor? Wie groß müssen die Summen sein?

    Rau: Ich gehe davon aus, dass das Ziel, das jetzt im Raum steht, nämlich 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung auszugeben, ein wichtiges Ziel ist und dass man sich in der Folge dieses Bildungsgipfels darüber verständigen muss, wie man dieses Ziel in absehbarer Zeit ganz konkret erreichen kann. Man muss auch im Bereich der Finanzierung von Bildung wirklich Ernst machen. Gute Absichten im konzeptionellen Bereich alleine genügen nicht. Da haben Sie völlig Recht. Ich gehe davon aus, dass die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten sich darüber heute verständigen müssen, wie sie denn diesem Ziel näher kommen wollen.

    Barenberg: Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk Helmut Rau, der Kultusminister von Baden-Württemberg, CDU-Politiker. Herzlichen Dank.

    Rau: Bitte.