Jochen Spengler: Zur Stunde treffen sich die Regierungschefs der 16 Bundesländer in Berlin. Thema der Ministerkonferenz: Bildung. Schließlich kommen sie heute Nachmittag mit der Bundeskanzlerin zusammen zum sogenannten zweiten Bildungsgipfel. Als Ziel steht fest: bis zum Jahr 2015 will Deutschland jährlich zehn Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung ausgeben. Und um dieses Ziel zu erreichen, will die Bundesregierung in den kommenden vier Jahren zwölf Milliarden Euro extra in die Bildung stecken.
Am Telefon begrüße ich nun den Bildungsökonomen Dieter Dohmen vom Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie in Berlin. Guten Tag, Herr Dohmen.
Dieter Dohmen: Guten Tag, Herr Spengler.
Spengler: Herr Dohmen, würden Sie sagen, ja, alle reden von der Bildungsrepublik, alle tun was, Deutschland ist auf dem Weg zur Bildungsrepublik?
Dohmen: Ich denke, es ist schon erkannt worden, wie wichtig Bildung ist. Es sind die ersten Schritte gemacht, aber es bleibt doch noch eine ganze Reihe zu tun. Insofern hoffe ich, dass der Bildungsgipfel heute Nachmittag die richtigen Weichen stellen wird.
Spengler: Man kann das Geld, was man hat, ja nur einmal ausgeben, oder auch das, was man nicht hat. Wäre Schuldenabbau in dieser Situation nicht wichtiger als neue Schulden für Schulen und Hochschulen?
Dohmen: Das Bildungssystem ist einer der ganz wenigen Bereiche, wo Schulden im Zweifelsfall geeignet sind, um die Investitionen zu finanzieren. Insofern würde ich sagen, sicherlich: Schuldenabbau ist wichtig, aber Bildung ist noch wichtiger. Wir haben aktuelle Ergebnisse, die deutlich darauf hinweisen, dass Bildung deutlich höhere Renditen hat als jede andere Kapitalanlage. Wir liegen im zweistelligen Bereich und insofern lohnt sich das, im Zweifel Schulden aufzunehmen, um diejenigen, die die Schulden zurückzahlen müssen, in die Lage zu versetzen, dieses auch zu tun, indem sie arbeiten können und Einkommen erzielen.
Spengler: Können Sie das noch ein bisschen näher ausführen, wenn Sie sagen, Bildung rechnet sich? Wieso rechnet sich Bildung?
Dohmen: Ganz einfach. Jemand, der gering qualifiziert ist, keinen Schulabschluss, keine Berufsausbildung hat, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit arbeitslos, kostet Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld. Wenn diese Person arbeiten kann, zahlt sie Steuern. Das sind dann schnell 20, 25 Prozent im Durchschnitt beziehungsweise mit Arbeitgeberbeitrag 40 Prozent Sozialversicherung. 18.000 kostet jemand, der arbeitslos ist, im Durchschnitt. Jemand, der 1500 Euro oder 2000 Euro verdient, zahlt schnell 10.000 Euro Sozialversicherungsbeiträge. Dann sind sie bei 27.000 Euro im Jahr, das rechnet sich definitiv.
Spengler: Herr Dohmen, zwölf Milliarden Euro will der Bund spendieren. Reicht das, oder müsste es doppelt so viel sein, wie heute zum Beispiel die frühere Bundesbildungsministerin Bulmahn kritisiert hat?
Dohmen: Der Weg ist nach oben offen, muss man ehrlicherweise sagen. Wir haben insgesamt einen langfristigen Investitionsbedarf, der in die 50, 60 Milliarden geht. Mit den laufenden Ausgaben ist man schnell tatsächlich im Bereich von 100 Milliarden. Das ist aber auch egal für wen nicht leicht zu finanzieren. Hier brauchen wir wirklich eine konzertierte Aktion zur Finanzierung des Bildungswesens und ich glaube, es wäre schön, wenn heute Nachmittag entsprechende Weichen gestellt werden können.
Spengler: Sie sagen, zwölf Milliarden ist schon mal ganz gut, besser als gar nichts?
Dohmen: Richtig! Das ist ein erster Weg und noch wichtiger wäre, dass wir tatsächlich die Blockade überwinden, die zwischen Bund und Ländern besteht, dass die Länder immer darauf beharren, dass die Bildung ihr eigenes Ressort ist. Es gibt ganz deutliche Indizien dafür: Der Bund ist einer der größten Nutznießer von guter Bildung, weil er viel von der Einkommenssteuer und die Sozialversicherungsbeiträge kassiert. Insofern ist es auch sinnvoll und dringend nötig, dass der Bund sich auch an den Kosten beteiligt, weil Länder und Kommunen das alleine nicht stemmen können.
Spengler: Das ist ja streng genommen seit der Föderalismusreform nicht mehr möglich. Das heißt, Sie plädieren eigentlich für eine Reform der Föderalismusreform?
Dohmen: Das ist richtig. Alle Experten sind sich eigentlich einig, dass der Bildungsföderalismus einer der größten Fehler war, den man machen konnte. Auch die jetzige Bundesbildungsministerin, die ja seinerzeit dafür war, hat es erkannt. Insofern hoffe ich, dass die Mehrheit jetzt von CDU- und FDP-regierten Ländern dazu beitragen kann, dass wir den Weg rückgängig machen und tatsächlich Bund und Länder wieder kooperieren, um Bildung zu finanzieren, um das Bildungssystem voranzubringen.
Spengler: Sehen Sie dafür Anzeichen?
Dohmen: Im Moment gibt es jetzt schon deutliche Anzeichen. Frau Schavan sieht ja selbst, dass es damals ein Fehler war, auch dadurch beeinflusst, dass zwischen SPD im Bund und den CDU-regierten Ländern die Stimmung extrem schlecht war. Wir haben im Moment Frau Schavan und in der Mehrheit CDU/FDP-Regierungen. Insofern sind die Zeichen eigentlich günstiger als zuvor, weil der parteipolitische Streit im Moment nicht mehr dominiert. Es dominiert natürlich immer noch der Widerstreit von Bund- und Länderinteressen.
Spengler: Wenn also nun viel Geld in die Hand genommen werden soll, wo wäre es denn Ihrer Ansicht nach am sinnvollsten eingesetzt?
Dohmen: Wir haben extremen Handlungsbedarf bei den leistungsschwächeren Kindern aus bildungsfernen Schichten und/oder mit Migrationshintergrund. Wenn wir dort investieren, das heißt dafür sorgen, dass die die deutsche Sprache können, dass sie einen Schulabschluss kriegen und dann auch noch einen Berufsausbildungsplatz finden und diese Ausbildung dann erfolgreich abschließen, dann wäre das mit Abstand der Bereich, wo wir die meiste Rendite generieren können. Insofern ist das meine Priorität.
Spengler: Also weniger auf Exzellenzinitiativen für die ohnehin Privilegierten?
Dohmen: Wenn ich den Schwerpunkt setzen müsste, ja, würde ich meinen Schwerpunkt bei den benachteiligten Leistungsschwächeren setzen, weil wir dort die größten Potenziale haben. Die ohnehin Begünstigten aus den einkommensstärkeren und bildungsnäheren Familien werden ihren Weg sowieso machen. Insofern, glaube ich, täten wir gut daran, hier wirklich umzusteuern und uns um die zu kümmern, bei denen wir am meisten rausholen können.
Spengler: Und welche Reformen wären dringend geboten, jetzt mal von der großen Föderalismusreform abgesehen?
Dohmen: Im Ausbildungssystem ist eine gemeinsame Aktion von Unternehmen und Bildungssystemen erforderlich, weil die Unternehmen es nicht schaffen, die leistungsschwachen Jugendlichen tatsächlich alleine auf Vordermann zu bringen. Hier wäre es hilfreich, wenn die Schulen ihren Beitrag leisten und gemeinsam und parallel zur Ausbildungszeit die Schwächen, die diese Jugendlichen haben, beseitigen, sprich ihnen Sprachförderung zukommen lassen, ihnen Mathe- und Englischkenntnisse beibringen.
Spengler: Und Fachkräfte, die erforderlich sind, wo bekommt man die auf die Schnelle her?
Dohmen: Auf die Schnelle ist es im Moment schwierig. Relativ schnell hat man Fachkräfte natürlich aus dem Ausbildungssystem und aus den Hochschulen. Ansonsten bleiben uns nur mittel- bis langfristige Strategien, weil der demografische Wandel dazu führt, dass die Generationen kleiner werden, gleichzeitig die Baby-Boomer aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden. Das heißt, wir müssen tatsächlich gucken, dass wir alle, die vor dem Boot stehen, mit an Bord nehmen können, damit wir alle qualifizieren. Insofern sollten wir die Potenziale, die wir haben, tatsächlich nutzen.
Am Telefon begrüße ich nun den Bildungsökonomen Dieter Dohmen vom Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie in Berlin. Guten Tag, Herr Dohmen.
Dieter Dohmen: Guten Tag, Herr Spengler.
Spengler: Herr Dohmen, würden Sie sagen, ja, alle reden von der Bildungsrepublik, alle tun was, Deutschland ist auf dem Weg zur Bildungsrepublik?
Dohmen: Ich denke, es ist schon erkannt worden, wie wichtig Bildung ist. Es sind die ersten Schritte gemacht, aber es bleibt doch noch eine ganze Reihe zu tun. Insofern hoffe ich, dass der Bildungsgipfel heute Nachmittag die richtigen Weichen stellen wird.
Spengler: Man kann das Geld, was man hat, ja nur einmal ausgeben, oder auch das, was man nicht hat. Wäre Schuldenabbau in dieser Situation nicht wichtiger als neue Schulden für Schulen und Hochschulen?
Dohmen: Das Bildungssystem ist einer der ganz wenigen Bereiche, wo Schulden im Zweifelsfall geeignet sind, um die Investitionen zu finanzieren. Insofern würde ich sagen, sicherlich: Schuldenabbau ist wichtig, aber Bildung ist noch wichtiger. Wir haben aktuelle Ergebnisse, die deutlich darauf hinweisen, dass Bildung deutlich höhere Renditen hat als jede andere Kapitalanlage. Wir liegen im zweistelligen Bereich und insofern lohnt sich das, im Zweifel Schulden aufzunehmen, um diejenigen, die die Schulden zurückzahlen müssen, in die Lage zu versetzen, dieses auch zu tun, indem sie arbeiten können und Einkommen erzielen.
Spengler: Können Sie das noch ein bisschen näher ausführen, wenn Sie sagen, Bildung rechnet sich? Wieso rechnet sich Bildung?
Dohmen: Ganz einfach. Jemand, der gering qualifiziert ist, keinen Schulabschluss, keine Berufsausbildung hat, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit arbeitslos, kostet Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld. Wenn diese Person arbeiten kann, zahlt sie Steuern. Das sind dann schnell 20, 25 Prozent im Durchschnitt beziehungsweise mit Arbeitgeberbeitrag 40 Prozent Sozialversicherung. 18.000 kostet jemand, der arbeitslos ist, im Durchschnitt. Jemand, der 1500 Euro oder 2000 Euro verdient, zahlt schnell 10.000 Euro Sozialversicherungsbeiträge. Dann sind sie bei 27.000 Euro im Jahr, das rechnet sich definitiv.
Spengler: Herr Dohmen, zwölf Milliarden Euro will der Bund spendieren. Reicht das, oder müsste es doppelt so viel sein, wie heute zum Beispiel die frühere Bundesbildungsministerin Bulmahn kritisiert hat?
Dohmen: Der Weg ist nach oben offen, muss man ehrlicherweise sagen. Wir haben insgesamt einen langfristigen Investitionsbedarf, der in die 50, 60 Milliarden geht. Mit den laufenden Ausgaben ist man schnell tatsächlich im Bereich von 100 Milliarden. Das ist aber auch egal für wen nicht leicht zu finanzieren. Hier brauchen wir wirklich eine konzertierte Aktion zur Finanzierung des Bildungswesens und ich glaube, es wäre schön, wenn heute Nachmittag entsprechende Weichen gestellt werden können.
Spengler: Sie sagen, zwölf Milliarden ist schon mal ganz gut, besser als gar nichts?
Dohmen: Richtig! Das ist ein erster Weg und noch wichtiger wäre, dass wir tatsächlich die Blockade überwinden, die zwischen Bund und Ländern besteht, dass die Länder immer darauf beharren, dass die Bildung ihr eigenes Ressort ist. Es gibt ganz deutliche Indizien dafür: Der Bund ist einer der größten Nutznießer von guter Bildung, weil er viel von der Einkommenssteuer und die Sozialversicherungsbeiträge kassiert. Insofern ist es auch sinnvoll und dringend nötig, dass der Bund sich auch an den Kosten beteiligt, weil Länder und Kommunen das alleine nicht stemmen können.
Spengler: Das ist ja streng genommen seit der Föderalismusreform nicht mehr möglich. Das heißt, Sie plädieren eigentlich für eine Reform der Föderalismusreform?
Dohmen: Das ist richtig. Alle Experten sind sich eigentlich einig, dass der Bildungsföderalismus einer der größten Fehler war, den man machen konnte. Auch die jetzige Bundesbildungsministerin, die ja seinerzeit dafür war, hat es erkannt. Insofern hoffe ich, dass die Mehrheit jetzt von CDU- und FDP-regierten Ländern dazu beitragen kann, dass wir den Weg rückgängig machen und tatsächlich Bund und Länder wieder kooperieren, um Bildung zu finanzieren, um das Bildungssystem voranzubringen.
Spengler: Sehen Sie dafür Anzeichen?
Dohmen: Im Moment gibt es jetzt schon deutliche Anzeichen. Frau Schavan sieht ja selbst, dass es damals ein Fehler war, auch dadurch beeinflusst, dass zwischen SPD im Bund und den CDU-regierten Ländern die Stimmung extrem schlecht war. Wir haben im Moment Frau Schavan und in der Mehrheit CDU/FDP-Regierungen. Insofern sind die Zeichen eigentlich günstiger als zuvor, weil der parteipolitische Streit im Moment nicht mehr dominiert. Es dominiert natürlich immer noch der Widerstreit von Bund- und Länderinteressen.
Spengler: Wenn also nun viel Geld in die Hand genommen werden soll, wo wäre es denn Ihrer Ansicht nach am sinnvollsten eingesetzt?
Dohmen: Wir haben extremen Handlungsbedarf bei den leistungsschwächeren Kindern aus bildungsfernen Schichten und/oder mit Migrationshintergrund. Wenn wir dort investieren, das heißt dafür sorgen, dass die die deutsche Sprache können, dass sie einen Schulabschluss kriegen und dann auch noch einen Berufsausbildungsplatz finden und diese Ausbildung dann erfolgreich abschließen, dann wäre das mit Abstand der Bereich, wo wir die meiste Rendite generieren können. Insofern ist das meine Priorität.
Spengler: Also weniger auf Exzellenzinitiativen für die ohnehin Privilegierten?
Dohmen: Wenn ich den Schwerpunkt setzen müsste, ja, würde ich meinen Schwerpunkt bei den benachteiligten Leistungsschwächeren setzen, weil wir dort die größten Potenziale haben. Die ohnehin Begünstigten aus den einkommensstärkeren und bildungsnäheren Familien werden ihren Weg sowieso machen. Insofern, glaube ich, täten wir gut daran, hier wirklich umzusteuern und uns um die zu kümmern, bei denen wir am meisten rausholen können.
Spengler: Und welche Reformen wären dringend geboten, jetzt mal von der großen Föderalismusreform abgesehen?
Dohmen: Im Ausbildungssystem ist eine gemeinsame Aktion von Unternehmen und Bildungssystemen erforderlich, weil die Unternehmen es nicht schaffen, die leistungsschwachen Jugendlichen tatsächlich alleine auf Vordermann zu bringen. Hier wäre es hilfreich, wenn die Schulen ihren Beitrag leisten und gemeinsam und parallel zur Ausbildungszeit die Schwächen, die diese Jugendlichen haben, beseitigen, sprich ihnen Sprachförderung zukommen lassen, ihnen Mathe- und Englischkenntnisse beibringen.
Spengler: Und Fachkräfte, die erforderlich sind, wo bekommt man die auf die Schnelle her?
Dohmen: Auf die Schnelle ist es im Moment schwierig. Relativ schnell hat man Fachkräfte natürlich aus dem Ausbildungssystem und aus den Hochschulen. Ansonsten bleiben uns nur mittel- bis langfristige Strategien, weil der demografische Wandel dazu führt, dass die Generationen kleiner werden, gleichzeitig die Baby-Boomer aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden. Das heißt, wir müssen tatsächlich gucken, dass wir alle, die vor dem Boot stehen, mit an Bord nehmen können, damit wir alle qualifizieren. Insofern sollten wir die Potenziale, die wir haben, tatsächlich nutzen.
