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Bildungskampf in Berlin

Der rot-rote Senat in Berlin hat die Regeln für den Übergang von der sechsjährigen Grundschule auf die weiterführenden Schulen verändert. War früher in erster Linie der Wohnort entscheidend, sind es heute die Noten. Und das sorgt für eine Menge Unmut bei den Eltern.

Von Claudia von Laak |
    "Noch ein bisschen Tee?"

    "Für welche Schule habt Ihr Euch eigentlich entschieden?"

    "Ich glaube wir gehen auf's Kant, das fand ich sehr sympathisch."

    Für Mütter und Väter von Berliner Sechstklässlern gibt es derzeit nur ein einziges Thema: Auf welche Schule wird meine Tochter, mein Sohn nach den Sommerferien gehen? Ab dem 7.Februar können Eltern ihre Kinder an den Gymnasien, den Sekundar-, Gemeinschafts- und Gesamtschulen anmelden. Nach veränderten Regeln, die Bildungssenator Jürgen Zöllner erläutert.

    "In Zukunft wird es so sein, dass es nach einer Vorabquote von zehn Prozent Härtefällen die Schulen 60 Prozent der Schüler nach Profil aussuchen können und die restlichen Plätze, damit jeder auch eine Chance hat, die werden verlost."

    Was Berlins SPD-Bildungssenator hier "Profil" nennt, bedeutet in Wirklichkeit Notendurchschnitt. Denn kaum eine Schule hat Zeit, jeden Bewerber, jede Bewerberin vorher zu einem Test einzuladen oder gar zu einem persönlichen Gespräch. Der Notendurchschnitt zählt – und das ist genau das Problem. Denn bislang waren Berlins Grundschulen relativ frei bei der Vergabe von Noten – nicht wie im Nachbarland Brandenburg, wo genau definiert ist, welche Noten bei welcher Leistung vergeben werden müssen.

    "Wenn Noten das alles entscheidende Kriterium nach der sechsten Klasse sind, dann müssen sie auch wirklich vergleichbar sein",

    fordert deshalb Svenja Pelzel, Elternvertreterin der Thalia-Grundschule im Berliner Stadtteil Friedrichshain. Diese Schule ist für besonders strenge Bewertungen bekannt. Vater Stefan Plebb:

    "Da sind unsere Kinder sehr stark benachteiligt, weil in dieser Schule, auf die sie gehen, die Lehrer beschlossen haben, eine Eins nur bei 100-prozentiger Leistung zu vergeben, ein nicht gemachter I-Punkt im Diktat ergibt schon eine Zwei."

    Die Forderung der Eltern lautet deshalb: vergleichbare Notenvergabe an den Grundschulen Berlins. Bildungssenator Jürgen Zöllner hält die Unterschiede für nicht so gravierend und wehrt sich gegen die Einführung eines zentralen Grundschulabschlusses. Der SPD-Politiker rät den Eltern stattdessen zu mehr Gelassenheit.

    "Man sollte es nicht so eng sehen. Die Entscheidung darüber ist nicht letzten Endes die Schule A oder B, sondern ob ein gutes Verhältnis zwischen Lehrern oder Schülern aufgebaut werden kann. Dass nur die Schule A das Glück des Kindes bedeutet, dass ist in den meisten Fällen sicher nicht der Fall."

    Das sehen die Mütter und Väter, deren Kinder die Thalia-Grundschule besuchen, ganz anders. Der Bildungsweg ihrer Kinder werde verbaut.
    Für Elternvertreterin Pelzel kommt der Verzicht des SPD-Bildungssenators auf vergleichbare Grundschulnoten einem Sparbeschluss gleich.

    "Wenn Kinder in Problemkiezen in Berlin genauso streng benotet würden wie in unserer Schule, dann würden die reihenweise Fünfer und Sechser kassieren, dann müssten sie richtig, richtig gefördert werden. Und das würde richtig, richtig Geld kosten."

    Mitte Mai soll jedes Kind wissen, welche weiterführende Schule es nach den Sommerferien besucht. Nicht wenige unzufriedene Eltern werden dann versuchen, einen Platz an einem begehrten Berliner Gymnasium einzuklagen.