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Bildungsmonitor 2019
Weniger Schulabbrecher in Hessen

Hessen schneidet laut dem sogenannten Bildungsmonitor 2019 im Bereich Schulabbrecher am besten ab. Christopher Textor vom Hessischen Kultusministerium machte dafür im Dlf vor allem zwei Gründe verantwortlich: die deutlich ausgebaute Schulsozialarbeit und die gezielte Förderung von Deutschkenntnissen.

Christopher Textor im Gespräch mit Lena Sterz |
Schüler auf dem Weg in ein Geschäfts- und Bürohaus.
Die Schulabbrecherquote in Hessen ist in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen (dpa)
Lena Sterz: Im sogenannten Bildungsmonitor gibt es auch einen Ländervergleich, und im Bereich Schulabbrecher schneidet Hessen hier am besten ab. Noch in den 90er-Jahren sah das ganz anders aus: Da war Hessen in den Statistiken von Schulabbrechern ziemlich weit hinten im Ländervergleich.
Was seitdem passiert ist, das weiß Christopher Textor vom Hessischen Kultusministerium. Früher war er Schulleiter an einer integrierten Gesamtschule und hatte dort mit potenziellen Schulabbrechern und –abbrecherinnen zu tun. An ihn geht die Frage: Wie geht Hessen mit Schulabbrechern um?
Christopher Textor: Ja, zunächst einmal haben wir die Zahlen ja genannt. In den 90er-Jahren hatten wir unter anderem auch durch die deutliche Zuwanderung von Spätaussiedlern, auch Flüchtlingen des Jugoslawien- und Kosovo-Krieges, die Situation, dass wir allein bei den Ausländern über 20 Prozent Schülerinnen und Schüler haben, die unsere Schule ohne Abschluss verlassen haben, und wir angesichts dieser erschreckenden Zahlen vor der Situation waren, verbindliche Maßnahmen zur Verringerung dieser Quote einzuführen.
Ein Bereich war zum Beispiel die Formulierung von sogenannten strategischen Zielen, wo wir die Schulabbrecherquote bereits zum Schuljahr 2007/2008 um ein Drittel senken wollten und der Einführung eines umfangreichen schulischen Gesamtsprachförderkonzepts, was im Jahr vor der Einschulung bis nun mittlerweile in den Bereich der dualen Ausbildung umgesetzt wird.
Sterz: Lassen Sie uns noch mal konkret sprechen. Wenn jetzt ein Schüler oder eine Schülerin in der Pubertät zum Beispiel plötzlich nicht mehr zur Schule kommt, welche Maßnahmen gibt es dann in Hessen, was passiert dann an hessischen Schulen?
Textor: Zunächst einmal ist gerade die in den letzten Jahren deutlich ausgebaute Schulsozialarbeit von extremer Bedeutung, dass schon in den Regelklassen sich die Klassenlehrer, aber auch unterstützende Kräfte wie Schulsozialarbeit, und auch im letzten Jahr wurden übrigens in Hessen 700 zusätzliche sozialpädagogische Fachkräfte eingeführt, um auch unter anderem diese Gruppe in der Regelklasse auch zu unterstützen. Und wenn Schülerinnen und Schüler auffallen, nicht mehr regelmäßig die Schule zu besuchen, Schwierigkeiten haben in der Pubertät und die sehr, sehr lernschwach sind, da haben wir seit Jahren Sondermaßnahmen in Hessen – jetzt zurzeit das Programm "PuSch – Praxis und Schule und Betrieb.
"Der Unterricht ist sehr handlungs- und projektorientiert"
Sterz: Das Programm "PuSch – Praxis und Schule", wie funktioniert das genau?
Textor: Ja, in dem PuSch-Programm werden Gruppen gebildet für Schülerinnen und Schüler, die in den Regelklassen aufgefallen sind, dass sie nicht mehr regelmäßig gekommen sind, dass sie eigentlich keine Chance mehr in den Regelklassen haben auf einen Hauptschulabschluss. Und dort wird eine gesonderte Klasse gebildet mit einer kleineren Klassengröße von 13 bis 18 Schülerinnen und Schülern an den allgemeinbildenden Schulen, und der Unterricht ist sehr handlungs- und projektorientiert gestaltet. Zwei Tage im Rahmen von PuSch gehen die Schülerinnen und Schüler entweder in die berufliche Schule oder in einen Betrieb. Und von besonderer Rolle, auch in diesem Bereich noch stärker als in den Regelklassen, ist die auch von der EU finanzierte sozialpädagogische Förderung. Dort kümmern sich dann Sozialpädagogen explizit auch um die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler.
Deutsch ist die "Grundlage für jeglichen Schulerfolg"
Sterz: Herr Textor, lassen Sie uns noch mal über die Schülerinnen und Schüler mit ausländischen Wurzeln sprechen, denn laut dem Bildungsmonitor liegt die Schulabbrecherquote bei ausländischen Schülern im Bundesdurchschnitt bei rund 18 Prozent, und, Herr Textor, Hessen liegt da auf dem vordersten Platz. Noch vor ein paar Jahren, in den 90er-Jahren, sah das aber anders aus, da waren es auch bei Ihnen noch über 20 Prozent teilweise der Ausländer, die die Schule ohne Abschluss verlassen haben. Mittlerweile sind es nur noch ungefähr halb so viele. Wie haben Sie das gemacht?
Textor: Ja, indem wir den Grundsatz umgesetzt haben, dass Deutsch, die Bildungssprache Deutsch, die Grundlage für jeglichen Schulerfolg ist. Wir haben ein schulisches Gesamtsprachförderkonzept systematisch vom Jahr vor der Einschulung entwickelt. Dort ist die Zielsetzung, dass jedes Kind, wenn es Sprachförderbedarf hat, vor der Einschulung einen sogenannten schulischen Vorlaufkurs besuchen kann – über Deutschförderkurse in den allgemeinbildenden beruflichen Schulen und nun auch in den dualen Ausbildungen –, denn wir sind der Überzeugung, dass gerade ausreichend Deutschkenntnisse und die Unterrichtssprache Deutsch die Grundlage dafür sind, dass Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit in den Schulen umgesetzt werden können.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.