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Bildungspoliltik
"Bund, Länder und Kommunen können an einem Strang ziehen"

Er habe das Kooperationsverbot schon immer für einen "in Verfassungsrecht gegossenen Irrtum gehalten", sagte der SPD-Politiker Hubertus Heil im DLF. Nun könne das aufgebrochen werden, um gezielt in schulische Bildung zu investieren. Die Länder blieben zwar verantwortlich für schulische Inhalte, aber Bund, Länder und Kommunen könnten nun an einem Strang ziehen.

Hubertus Heil im Gespräch mit Kate Maleike | 17.10.2016
    Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Hubertus Heil.
    Hubertus Heil ist überzeugt, dass durch die Vereinbarung am vergangenen Freitag, das Kooperationsverbot fallen wird. (picture alliance / dpa / Wolfgang Kumm)
    Kate Maleike: Schule ist Länderhoheit, sagt unser Grundgesetz. Dem Bund ist finanzielles Eingreifen untersagt. Und dieses viel zitierte Kooperationsverbot scheint aber seit letztem Freitag nicht mehr in Steinen gemeißelt zu sein, im Gegenteil: Nachdem sich Bund und Länder in den Finanzierungsgesprächen auch auf Strukturförderung im kommunalen Schulbereich verständigt haben, ist für die SPD das Verbot anscheinend passé. Am Telefon ist jetzt Hubertus Heil, der stellvertretende SPD-Fraktionschef im Bundestag, guten Tag!
    Hubertus Heil: Schönen guten Tag, Frau Maleike!
    Maleike: Sie sagen sogar, das Kooperationsverbot ist Geschichte! Warum?
    Heil: Es ist tatsächlich gelungen, es aufzubrechen, und es ist auch notwendig. Wir haben neue Herausforderungen in der schulischen Bildung. Zum einen eine alte, nämlich dass soziale Herkunft zu sehr über Bildungs- und Lebenschancen von Kindern und Jugendlichen entscheidet als Talent und Leistung; zum Zweiten gibt es einen Riesensanierungsstau in den Schulen, die Kreditanstalt für Wiederaufbau spricht von 34 Milliarden, wir haben die Notwendigkeit, dass in Digitalisierung der Bildung investiert wird und wir brauchen mehr Ganztagsschulangebote. All das macht es notwendig, dass Bund, Länder und Kommunen Hand in Hand im Rahmen einer Bildungsallianz die Dinge anpacken können, und deshalb ist es richtig, dass Länder und Bund sich in der letzten Woche darauf verständigt haben, dafür auch das Grundgesetz zu ändern.
    Maleike: Jetzt haben Sie den großen Bereich der Inklusion gar nicht erwähnt, den denken Sie aber auch mit?
    Heil: Den denken wir auch mit, gar keine Frage. Wir haben tatsächlich das Problem, dass sowohl das Inklusionsthema eins ist, was uns alle beschäftigt, alle Ebenen, aber zum Beispiel auch die Tatsache, dass mit der Flüchtlingsbewegung 350.000 Kinder und Jugendliche allein im Jahre 2015 zusätzlich in unsere Schulen kommen. Und wenn man will, dass alle Kinder, egal welcher Herkunft und welchen Talents, eine Chance haben, dann muss man in Bildung investieren. Das geht nur, wenn alle Ebenen des Staates miteinander arbeiten können.
    "Was für die Hochschulen möglich ist, muss auch für die Schulen in Deutschland möglich sein"
    Maleike: Jetzt nehmen Sie uns doch noch mal mit in die Gespräche in der letzten Woche. Was konkret ist für den Schulbereich bei den Bund-Länder-Gesprächen herumgekommen, worauf haben Sie sich verständigt?
    Heil: Bundesländer haben sich darauf verständigt, dass mehr Geld zur Verfügung gestellt wird des Bundes für die Sanierung und Erneuerung von Schulen. Zusätzlich in einem ersten Schritt 3,5 Milliarden Euro für finanzschwache Kommunen. Und die Bundesministerin Frau Wanka hat für den Bereich der digitalen Bildung zusätzlich fünf Milliarden Euro für die nächsten Jahre angekündigt. Und dafür haben Bund und Länder sich darauf verständigt, dass entsprechend das Grundgesetz auch verändert wird, damit das Geld zielgerichtet auch fließen kann. Das ist ein wesentlicher weiterer Schritt. Für die Wissenschaft ist ja das Kooperationsverbot gemeinsam in der Koalition schon vor einem Jahr aufgehoben worden, vor zwei Jahren, um genau zu sein, und deshalb ist es richtig zu sagen: Was für die Hochschulen möglich ist, muss auch für die Schulen in Deutschland möglich sein.
    Maleike: Bleiben wir doch mal bei dem Digitalpakt, den Sie angesprochen hatten. Also, Frau Wanka, die Bundesbildungsministerin hat angekündigt, für die nächsten fünf Jahre fünf Milliarden in die digitale Schule zu investieren. Sie haben aber gesagt, nee, nee, nee, da muss man die Sanierung mit bedenken. Wird das dann alles ein Gesamtpaket oder was planen Sie?
    Heil: Das hoffen wir jedenfalls. Frau Wanka hat das richtige Thema angesprochen, allerdings sehr blumig und auch offen gelassen, ob sie das noch in dieser Periode anpacken will. Und wir haben darauf hingewiesen, digitale Bildung ist ganz wichtig, aber da reicht es nicht aus, ein paar Tablets oder WLAN-Möglichkeiten an den Schulen zu schaffen. Wenn die Schulen marode sind, dann nutzen solche Maßnahmen isoliert nichts, sondern wir brauchen einen Dreischritt aus Sanierung und Modernisierung, das heißt, auch Investitionen in digitale Bildung, und nicht zuletzt ein Ausbau von Ganztagsschulangeboten. Das wird mit der Grundgesetzänderung möglich sein. Jetzt geht es darum, diesen neuen Kanal eben auch konsequent zu nutzen für die nächsten Jahre.
    "Die 3,5 Milliarden für Schulsanierung müssen in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden"
    Maleike: Sie haben zu Recht angesprochen, dass es die nächste Legislaturperiode würde. Wir haben im nächsten Jahr Bundestagswahl. Eigentlich, was Schule überhaupt nicht gebrauchen kann, ist, dass es vorher Versprechungen gibt und nachher weiß dann niemand mehr was davon. Wie sicher können die Schulen sein, dass tatsächlich jetzt auch bald was kommt, was nötig ist?
    Heil: Sie haben vollkommen recht, die besten Wahlversprechen sind diejenigen, die man vor der Wahl einlöst. Und deshalb sagen wir: Das, was jetzt auf den Weg gebracht wurde, die 3,5 Milliarden für Schulsanierung müssen in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden, in dieser Legislaturperiode, und wenn es nach uns geht, auch die fünf Milliarden im Bereich der digitalen Bildung. Die wird man nicht alle in einem Jahr ausgeben können, aber wir wünschen uns ein Programm, das wirklich Anfang des Jahres 2017 startet und bis zum Jahre 2021 in einer Allianz von Bund, Ländern und Kommunen dafür sorgt, dass unsere Schulen nach vorne kommen bei der Digitalisierung, beim Rechtsanspruch, zumindest im Primarbereich, also in den Grundschulen, auf Ganztagsschule und bei der digitalen Bildung. Das ist möglich, die haushalterischen Spielräume sind da. Und jetzt haben wir das Grundgesetz wie gesagt vor der Brust, das wir entsprechend auch anpassen werden. Das ist ein Riesenfortschritt, dass sich jetzt alle Bund und Länder, alle Bundesländer dazu bekennen, dass dafür die Verfassungsänderung notwendig ist. Ich wünsche mir, dass Frau Wanka jetzt die Chance als Bundesministerin auch nutzt und nicht sozusagen abseits am Wege steht, damit wir in dieser Großen Koalition tatsächlich das Notwendige tun können.
    Maleike: Frau Wanka wird sicher auch argumentieren, dass sie ja bereits den Ländern sehr viel Geld gegeben hat dadurch, dass sie die BAföG-Mittel allein als Bund jetzt schultert. Dieses Geld ist ja zum Teil eben nicht in die Schulen geflossen, sondern in andere Bildungsbereiche. Wie kann man sicherstellen, dass diese Zweckbindung dann künftig passiert?
    Heil: Zum einen sind die Mittel vor allen Dingen – und das war die Bund-Länder-Vereinbarung – in die Hochschulen geflossen, vorwiegend in den Hochschulbereich. In den schulischen Bereich zum Teil, auch in den frühkindlichen Bereich. Aber zum anderen hatten wir, ohne dass das Kooperationsverbot aufgebrochen wurde, als Bund auch nicht die Möglichkeiten, gezielt zu fördern. Wenn jetzt die Grundgesetzänderung kommt, können wir gezielt in den schulischen Bereich investieren als Bund, das kommt vor allem den Kommunen in strukturschwachen Gebieten zugute und ist damit ein Beitrag für gleichwertige Lebenschancen vor allen Dingen im Bereich der schulischen Bildung in ganz Deutschland. Und das ist unser Ziel.
    "Es wird weiter Widerstände geben"
    Maleike: Was macht Sie denn so sicher, dass die Grundgesetzänderung tatsächlich kommt? Sie sagen das in einem Halbsatz und viele, die sich sozusagen auf die künftige Kooperation von Bund und Ländern freuen, finden das gut. Es gibt aber auch Gegner, zum Beispiel die Bundesbildungsministerin ist ja eigentlich keine erklärte Freundin einer Grundgesetzveränderung!
    Heil: Ich glaube aber, dass die Zeit ein bisschen über die Positionierung der Ministerin hinweg ist. Denn es gibt ein Papier von Bund und Ländern, ein Gesamtpaket zu Bund-, Länderfinanzen, in dem ausdrücklich die Änderung des Grundgesetzes im Bereich der schulischen Bildung vorgesehen ist, damit der Bund Kommunen helfen kann bei der Schulmodernisierung. Das ist eine Vereinbarung, es wird da Widerstände nach wie vor geben, vor allen Dingen aus der baden-württembergischen grün-schwarzen Regierung. Da kann ich nur an die Grünen appellieren, die auf Bundesebene ja eine andere Position haben, Klarschiff zu schaffen, dann schaffen wir das miteinander auch. Aber es ist jetzt seit Freitag letzter Woche eine Vereinbarung zwischen 16 Bundesländern und der Bundesregierung im Gesamtpaket, auch das Kooperationsverbot aufzubrechen für die schulische Bildung.
    Maleike: Das bedeutet, das war ein historischer Freitag?
    Heil: Das war ein Riesenschritt. Ich habe das Kooperationsverbot schon immer für einen in Verfassungsrecht gegossenen Irrtum gehalten. Dass wir das jetzt aufbrechen können, hilft unserem Ziel, tatsächlich gezielt in schulische Bildung zu investieren. Da geht es nicht darum, dass jetzt der Bund ein Bundesschulamt schaffen wird, sondern die Länder bleiben hauptverantwortlich für die Inhalte der schulischen Bildung, aber Bund, Länder und Kommunen können an einem Strang ziehen, um tatsächlich nach vorn zu kommen. Das ist ein wichtiger Schritt gewesen und wenn Sie das historisch nennen, dann lasse ich das mal so stehen. Man muss ja vorsichtig mit dem Begriff sein, aber ich halte das für eine Riesenmöglichkeit, in dieser Legislaturperiode vieles auf den Weg zu bringen, aber auch weit darüber hinaus.
    Maleike: In "Campus und Karriere" war das Hubertus Heil, der stellvertretende SPD-Fraktionschef im Bundestag. Ganz herzlichen Dank für das Gespräch!
    Heil: Ich danke Ihnen, schönen Tag!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.