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Bildungspolitik in Rheinland-Pfalz
Schüler wehren sich gegen Quereinsteiger

Kein pädagogisches Konzept, kaum didaktische Kenntnisse und kein fachspezifisches Wissen: Die LandesschülerInnenvertretung Rheinland-Pfalz geht auf die Barrikaden. Ihre Forderungen an die Ampel-Landesregierung: Schluss mit Referendaren und Quereinsteigern in der Oberstufe.

Von Anke Petermann | 01.12.2017
    Schüler im Unterricht eines Deutsch-Leistungskurses an einem Gymnasium.
    Schüler und Schülerinnen in Rheinland-Pfalz kritisieren die mangelhafte Wissensvermittlung in der Oberstufe durch Quereinsteiger (imago - Jochen Tack)
    In Physik läuft es schlecht bei Robin Karch. Als Krankheitsvertretung seines Lehrers unterrichtet den angehenden Abiturienten ein von der Schule angeheuerter Seiteneinsteiger.
    "Der selbst E-Technik studiert hat, und da sind dann einfach fachliche Differenzen zwischen E-Technik und Physik. Er versucht dann, Phänomene mehr auf Basis seiner e-technischen Berufserfahrung zu erklären."
    Aber das entspreche nicht den fachlichen Anforderungen der Oberstufe. Zudem habe der Seiteneinsteiger keine pädagogisch fundierte Ausbildung.
    "Der Unterricht ist einfach sehr schwer zu verstehen. Es ist schwer, dem zu folgen, und man lernt auch einfach weniger.
    Allein schon die Frage, wie baue ich eine Stunde auf, was ist meine Eingangsfrage, wie komme ich zu dem Ziel des Lernens am Ende der Stunde? Und dieser Weg wird ja sehr stark im Referendariat erörtert und Lehrkräfte, denen dieses Referendariat fehlt, die haben da eine große Lücke.
    Wir hatten ein Riesen-Durcheinander, und Sie können mir glauben, in Physik gibt es nichts Schlimmeres als ein Riesen-Durcheinander."
    Quereinsteiger als Notnagel
    Gerade in den naturwissenschaftlichen Fächern sei Rheinland-Pfalz aufgrund des Bewerbermangels angewiesen auf Seiteneinsteiger ohne Lehramtsausbildung, konstatiert Bildungsministerin Stefanie Hubig:
    "Die lehren dann schon an den Schulen, aber haben eben eine 24-monatige Ausbildung zusätzlich."
    Berufsbegleitend, erläutert die Sozialdemokratin.
    "Da spielt natürlich die Entwicklung eine Rolle, wie das immer ist, wenn man Dinge länger tut und sich besser auskennt, kann man das besser als zuvor, aber wir achten schon darauf, dass die Lehrkräfte gut qualifiziert sind und was können."
    Elea Schneberger, Bundesdelegierte der LandeschülerInnenvertretung Rheinland-Pfalz, bleibt skeptisch. Die Zwölftklässlerin gehört zur ersten Schülergeneration, die komplett von Quer- und Seiteneinsteigern begleitet wurde. Eine fehlende Erstausbildung kompensieren Lehrkräfte nur schwer, hat die Kreuznacherin erlebt.
    "Und das ist vor allem dann sehr kritisch, wenn es zum Beispiel Klassen-Lehrkräfte sind, die gar nicht diese pädagogischen Qualifikationen haben, mit den Problemen von Schüler*innen umzugehen, denen auch als Ansprechpartner zu dienen.
    Wir haben natürlich das Problem, dass wir viel zu wenige Schulsozialarbeiter in Rheinland-Pfalz haben, da fehlt dieser Ansprechpartner, diese Ansprechpartnerin weg. Und das kann durch jemanden, der durch den Seiteneinstieg reingekommen ist, nicht aufgefangen werden."
    Neben solider Ausbildung brauchen neue Lehrer Praxis, das ist der Schülerschaft klar. Doch das Referendariat in der Oberstufe findet Robin Karch vom LSV-Vorstand fehl am Platz.
    "Denn in der Qualifikationsphase fürs Abitur, wo die Noten wirklich sehr viel zählen und auch über die Zukunft entscheiden, ist es eben so, dass Referendare Schüler unterrichten, teilweise mit methodischen und fachlichen Problemen.
    Wir als LandesschülerInnenvertretung fordern, dass man in der Qualifikationsphase des Abiturs nicht von Referendaren oder PES-Kräften Unterrichtet werden soll."
    Also externe Vertretungslehrer, die Schulen über das "Projekt Erweiterte Selbständigkeit", kurz PES, anheuern dürfen.
    Forderung an die Landesregierung
    Insgesamt verlangt die Schülerschaft von der Mainzer Ampel-Regierung, die Unterrichtsversorgung zu verbessern und das Vertretungslehrerwesen zugunsten von regulär ausgebildeten festangestellten Kräften zurückzufahren. Darin ist sich der Nachwuchs einig mit dem Landeselternbeirat und den Bildungsgewerkschaften.
    Mehr gegenseitiger Respekt
    "Pädagogisch wertvoll" ist das Motto der LandesschülerInnenkonferenz am Wochenende. Inhalte zu beherrschen und zu vermitteln, hält die Mainzer Bildungsministerin Hubig für die Grundlagen.
    "Wichtig ist auch der respektvolle Umgang miteinander, der manchmal auch jenseits der Pädagogik liegt."
    "Ja genau, das wird sehr oft in den Hintergrund gestellt, dass wir selbständige Menschen sind, die definitiv ihr eigenes Wissen mitbringen. Wir haben sehr viel Wissen, das in den Unterricht integriert werden könnte", findet Elea Schneberger.
    "Und davon wird sehr selten Gebrauch gemacht, dass man quasi einen Raum von 20 Menschen vor sich hat, die alle auch sehr viel wissen, und diese Ressource wird sehr, sehr selten genutzt."