Dienstag, 14. Mai 2024

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Bildungsstreik
Für die Bildung auf die Barrikaden

Durch die Unterfinanzierung der Hochschulen müssen ganze Fachbereiche geschlossen werden. Angesichts der Studierendenzahlprognose werde es ohne weitere Unterstützung zu einem Kollaps kommen, sagte fzs-Vorstandsmitglied Jan Cloppenburg im DLF- und forderte weitreichende Konsequenzen.

Jan Cloppenburg im Gespräch mit Kate Maleike | 12.05.2014
    Studenten sitzen am Mittwoch (15.10.2008) mit ihrem Klapprechnern auf den Fluren des Hörsaalzentrums der Technischen Universität Dresden.
    Studieren unter schwierigen Bedingungen: immer mehr Studierende und trotzdem weniger Geld. (dpa / Ralf Hirschberger)
    Kate Maleike: "Bildung für alle, und zwar umsonst. Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut", so haben bundesweit Tausende von Studierenden 2009 in ihrem Bildungsstreik gegen schlechte Studienbedingungen und vor allem gegen die Bachelor-/Master-Studienreform protestiert. Und jetzt, knapp fünf Jahre danach, laufen offenbar wieder Planungen für einen nächsten Bildungsstreik. Am Wochenende haben sich die Vertreter des studentischen Dachverbandes fzs dazu in Frankfurt am Main getroffen, und Jan Cloppenburg war mit dabei. Er ist fzs-Vorstandsmitglied. Guten Tag, Herr Cloppenburg!
    Jan Cloppenburg: Guten Tag, Frau Maleike!
    Maleike: Was wurde denn entschieden? Welche Kernanliegen sind die des nächsten Bildungsstreiks?
    Cloppenburg: Das Kernanliegen, das uns gerade zusammengeführt hat, ist die Unterfinanzierung, die in vielen Bundesländern in den letzten Monaten um sich gegriffen hat. In mehreren Bundesländern wurden Haushaltspläne verabschiedet, die teilweise massive Kürzungen vorsehen. An vielen Hochschulen wird diskutiert, welche Fächer oder Fachbereiche geschlossen werden sollen, teilweise völlig wahllos und strategielos. Und das hat uns erstmals vor fünf Wochen nach Halle und jetzt am Wochenende nach Frankfurt zusammengeführt, um darüber zu reden, wie wir gemeinsam vorgehen können. Ein weiteres Kernanliegen ist Demokratisierung der Hochschulen. Wir sind es eigentlich leid, dass an viel zu vielen Hochschulen Studierende über die Entscheidungen, die getroffen werden, vielleicht mal im Nachhinein informiert werden und dass wir irgendwie kaum dabei mitreden können, was wo passieren wird, welche Entscheidungen getroffen werden. Und auch das wird ein wichtiges Thema für uns sein.
    Maleike: Das heißt, es wird wirklich einen nächsten Bildungsstreik geben. Welche Großaktionen sind geplant?
    Cloppenburg: Wir haben verschiedene Aktionen geplant. Als Nächstes werden wir am Aktionstag, am 20. Mai, jetzt kommende Woche, bei dem viele lokale Aktionen stattfinden werden. Wir haben regionale Demos für den 25. Juni vorgesehen, die werden in Leipzig, Wiesbaden, Bremen und Berlin sein, und wir planen gerade noch mittelfristig an bundesweiten Demos fürs Wintersemester.
    Maleike: Es gibt ja viele Bundesländer oder die meisten eigentlich, in denen der Rotstift dann agieren wird. Welche Sparszenarien treiben Sie am meisten auf die Barrikaden?
    Cloppenburg: Das sind zum Teil völlig unterschiedliche Kürzungsszenarien. Am schwerstbetroffenen sind gerade einige Bundesländer in Ostdeutschland, wo ganze Institute und Fachbereiche geschlossen werden sollen. In Jena zum Beispiel waren dafür schon über 6.000 Studierende auf der Straße, in Halle gab es große Demos, auch in Mecklenburg-Vorpommern wurde protestiert, aber auch in Bremen, wo ich selbst studiere, waren schon Tausende Studierende auf der Straße. Hier zum Beispiel wird gerade über das Fach Psychologie diskutiert, das gestrichen werden soll, einfach nur, weil dort einige Professoren in den Ruhestand gehen in den nächsten Jahren. Das ist nicht mal eine Strategie, nach der gekürzt wird, sondern einfach nur wahllos.
    Bachelor und Master deutlich weiterentwickeln
    Maleike: Ich hatte es ja schon gesagt, im letzten Bildungsstreik ging es massiv auch um Bachelor/Master, das spielt jetzt keine Rolle mehr, oder?
    Cloppenburg: Bachelor/Master muss unserer Meinung nach auch noch deutlich weiterentwickelt werden. Dort hat, nachdem 2009 viele Punkte von uns kritisiert wurden, wurden hier und da kleinere oder größere Reformen durchgeführt, teilweise ist es ein bisschen besser geworden, aber trotzdem bleiben Bachelor- und Master-Strukturen immer noch ein Thema, auch wenn gerade andere Themen im Vordergrund stehen.
    Maleike: Herr Cloppenburg, die aktuelle Studierendenzahlprognose der Kultusministerkonferenz liegt seit der letzten Woche vor, und die Hochschulrektorenkonferenz spricht bereits davon, dass es einen Kollaps geben wird, wenn Bund und Länder nicht schnell weitere Unterstützungsmaßnahmen beschließen. Der Hintergrund ist, dass die Studierendenzahlen noch weiter ansteigen werden und die Hochschulen ohnehin überfüllt sind und im Moment ja auch darum kämpfen, dass sie eine bessere Grundfinanzierung bekommen. Das heißt, Ihr Bildungsstreik kommt sozusagen zur rechten Zeit dann.
    Cloppenburg: Ja, es ist ja verwunderlich, wenn die Rektoren und Präsidenten das nicht merken würden – natürlich kämpfen die auch um ihre Finanzen. Wir regen uns überhaupt darüber auf, dass wir gerade überhaupt über Kürzungen reden müssen, wo wir doch bundesweit ansteigende Studierendenzahlen haben, seit Jahren. Und da müssen wir doch ... Und da geht's darum, dass Institute und Fächer geschlossen werden sollen. Das leuchtet uns nicht ein. Wir sind verärgert darüber, dass der Bund weiter stillsteht, dass sich nicht darauf geeinigt werden kann, alleine mal nur den Koalitionsvertrag umzusetzen, wo eine höhere Grundfinanzierung vorgesehen ist. Stattdessen passiert einfach gar nichts, das kann einfach in dieser Zeit überhaupt nicht sein. Ich glaube, der Bildungsbereich ist vielleicht der Politikbereich, wo es die größte Diskrepanz zwischen Sonntagsreden und tatsächlichen Ergebnissen gibt.
    Studenten und Schüler demonstrieren mit einem Bildungsstreik vor der Universität in Heidelberg gegen die jüngsten Entwicklungen im Bildungssystem.
    Immer wieder kam es in den letzten Jahren zu Streiks der Studierenden und Schüler. (AP)
    Fzs ist nur einer der Mitstreiter
    Maleike: Kommen wir mal zum fzs selbst. Für wie viel Studierende stehen Sie eigentlich zurzeit?
    Cloppenburg: Der fzs, um auf Ihre erste Frage zurückzukommen: Wir sind ja nur ein Akteur gerade des Bildungsstreiks. Wir organisieren das mit, wir vertreten als Verein, als Dachverband der Studierenden ungefähr 90 Studierendenschaften, eine Million Studierende, aber wir sind nicht ausschließlicher Akteur dieses Bildungsstreiks. Ein Bildungsstreik wird nicht von oben per Ansage organisiert, sondern es rumort gerade in sehr vielen Studierendenschaften in verschiedenen Ländern, und wir unterstützen das so gut wie möglich, dass die Basisgruppen vor Ort Demos organisieren können, dass regionale Demos organisiert werden. Wir versuchen uns so gut wie möglich zu beteiligen, aber wir befehlen ja keinen Bildungsstreik.
    Maleike: Wie sicher sind Sie, dass Sie tatsächlich für die Studierenden in der Mehrheit auch sprechen, wenn Sie den Bildungsstreik jetzt organisieren?
    Cloppenburg: Ja, das Gute ist, dass wissen wir in gewisser Weise gar nicht, weil die Studierenden von überall selbst Streikaktionen organisieren. Wir unterstützen dabei, das ist nicht der fzs-Bildungsstreik. Am Wochenende in Frankfurt waren ungefähr 60 AktivistInnen aus elf Bundesländern vor Ort, das sind ja nicht wir, die den Bildungsstreik einfach aufoktroyieren, sondern der wird von allen mit den unterschiedlichen Problemen aus allen Orten zusammengetragen.
    Maleike: Gegen Kürzungen im Bildungsbereich plant der studentische Dachverband fzs mit vielen anderen Mitstreitern, haben wir gerade gehört, einen neuen Bildungsstreik 2014, der im Herbst dann seinen Höhepunkt auch in bundesweiten Aktionen finden soll. Zu den Planungen, die am Wochenende konkretisiert wurden, war das Jan Cloppenburg, Vorstandsmitglied im fzs. Ganz herzlichen Dank für das Gespräch, Herr Cloppenburg!
    Cloppenburg: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.