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Bildungswahlkampf in Bayern

Es könnte sein, dass die CSU in einer Woche nach 46 Jahren Alleinherrschaft eine Koalition eingehen muss, um weiter zu regieren. Gestern Abend gab es dazu im Bayerischen Fernsehen ein TV-Duell zwischen Ministerpräsident Günther Beckstein und seinem SPD-Herausforderer Franz Maget. Thema dort war auch die Bildungspolitik. Sie ist einer der Themenschwerpunkte im bayerischen Landtagswahlkampf.

Von Julio Segador |
    Bildungspolitik ist die Sozial- und Wirtschaftspolitik des 21. Jahrhunderts. Keinen anderen Satz sagt CSU-Ministerpräsident Günther Beckstein derzeit bei seinen Wahlkampfauftritten häufiger. Und er schiebt eines hinterher:

    "Unser Anspruch ist es, dass wir eindeutig Bildungsland Nummer Eins sein wollen, dass jeder in ganz Deutschland weiß, auch ein Sozi in Norddeutschland: Erst wenn der sagt, jawohl, die Bayern sind die Besten, dann sind wir zufrieden mit unserer Arbeit."

    Noch im Frühjahr drohten die Proteste von Schülern, Eltern und Studenten die CSU die Wahl zu verhageln. Übervolle Klassen, zu wenig Lehrer, marode Universitätsgebäude, brechend volle Hörsäle - die erfolgsverwöhnte CSU hatte ein Problem - die Bildungspolitik. Kultusminister Siegfried Schneider musste öffentlich eingestehen, er hat keine Lehrer:

    "
    Wenn sie noch junge, zusätzliche Lehrkräfte haben, bitte melden, wir stellen sofort ein."

    Und Wissenschaftsminister Thomas Goppel, für die Universitäten zuständig, ging ebenfalls in die Öffentlichkeit. Er rechnete dem Finanzminister vor, wie viel er braucht, um an den Hochschulen einigermaßen vernünftige Studienbedingungen zu erreichen.

    "Es ändert nichts daran, dass wir einen Nachholbedarf von insgesamt fünf Milliarden Euro an Ausbau und Erneuerung an unseren Hochschulen haben. Deshalb muss das mit dem Finanzminister eindeutig berechnet werden. Aber dort liegt mein größter Hund begraben, wenn ich an Wissenschaft denke."

    Mittlerweile - mit Blick auf die anstehende Landtagswahl - hat die Bayerische Staatsregierung Milliarden in die Schulen und Hochschulen gepumpt. Und Ruhe in die aufgeheizte Diskussion bekommen. Doch viele Kritikpunkte bleiben. Beim TV-Duell im Bayerischen Fernsehen sprach SPD-Herausforderer Franz Maget vor allem eines an: Die fehlende Bildungsgerechtigkeit In Bayern:

    "Das bayerische Schulsystem sorgt dafür, dass Kinder aus Arbeiterfamilien sieben mal schlechtere Chancen haben das Abitur zu erreichen als Kinder aus Akademikerfamilien. Das ist nicht in Ordnung. Wir haben eine Übertrittsquote zum Gymnasium im Landkreis Starnberg von 50 Prozent, im Rottal von 16 Prozent."

    Ein Vorwurf, den der bayerische Regierungschef so nicht gelten ließ. Günter Beckstein konterte via TV:

    "Die wenigsten Leute wissen, dass an bayerischen Hochschulen bereits über 40 Prozent Studenten sind, die nicht über das Abitur kommen. Wenn zum Beispiel in einem Landkreis im Bayerischen Wald Kinder in die Realschule gehen, haben sie später die Möglichkeit, über die Berufsoberschule, Fachoberschule oder über die Meisterausbildung direkt an die Hochschulen zu kommen."

    Nur in einem Nebensatz wurde im TV-Duell ein anderer Aufreger angesprochen, die Studiengebühren. Seit fast 2 Jahren müssen bayerische Studenten 500 Euro pro Semester bezahlen, grundlegend verbessert haben sich die Studienbedingungen an den Hochschulen allerdings noch nicht. SPD-Herausforderer Franz Maget griff auch hier Beckstein an:

    "Sie haben die Studiengebühren noch oben drauf gelegt, ein weiteres Bildungshindernis."

    Die Studiengebühren sind im laufenden Landtagswahlkampf ein Dauerbrenner. Alle Parteien außer der CSU wollen sie abschaffen. Grünen-Fraktionschef Sepp Dürr beklagt die fehlende Bildungsgerechtigkeit an den Hochschulen.

    "Die müssen wir unbedingt abschaffen, weil wir wissen, dass Studiengebühren den Zugang für Kinder aus einkommensschwachen Familien behindern. Und wir haben jetzt an den Hochschulen einen Anteil von ungefähr 23 Prozent von Kindern aus dem unteren Einkommensviertel und 83 Prozent der Kinder aus dem oberen Einkommensviertel. Also das, dass die Hochschulen nur für die Oberschicht da sind, das kann es nicht sein."

    Sollte die CSU nach der Landtagswahl die Macht teilen müssen - die Studiengebühren dürften wie in Hessen ähnlich schnell gekippt werden. Auch personell dürfte sich nach der Wahl einiges tun. Thomas Goppel, der seit Jahren dem Wissenschaftsressort vorsteht, will Landtagspräsident werden. Einem jüngeren Kollegen wird er wohl auf jeden Fall weichen müssen. Und sollte es wirklich zu einer Koalition kommen, die FDP erhebt schon jetzt Anspruch auf das Wissenschaftsressort. Hochschulpolitisch beginnen in Bayern also - unabhängig vom Wahlausgang - neue Zeiten.