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Bildungsziel Medienkompetenz

Die Realschule in Arnstorf in Niederbayern ist eine Schule der Zukunft. Neben Büchern haben die Schüler auch ein Laptop auf dem Tisch stehen. Beamer, WLAN und Whiteboard sind hier keine Zukunftsvision, sondern Alltag.

Von Andrea Mittlmeier | 05.08.2012
    Erste Stunde. Montagmorgen. Die Klasse 8c der Realschule Arnstorf hat Geschichte bei Andreas Oswald. Heute wird es um die Französische Revolution gehen, Ende 18. Jahrhundert – ganz normales Thema, ganz normaler Lehrer. Oswald wirkt nicht wie ein Technikfreak, sondern eher bodenständig. Nur das Klassenzimmer sieht aus, als käme es aus der Zukunft.

    Andreas Oswald: "Alle da? Guten Morgen."
    Schüler: "Guten Morgen!"
    Andreas Oswald: "Bitte Platz nehmen! Ich hab euch ja alle gebeten, dass ihr eure Laptops mitnehmen solltet. Aufgeladenerweise."

    Alle Achtklässler der Laptopklasse haben neben Stift, Heft und Schulbuch auch noch ein eigenes Netbook auf dem Tisch stehen. Die Schulbänke sind neu, aus hellem Holz, höhenverstellbar und ergonomisch an die Bedürfnisse jedes Einzelnen angepasst. Neben der grünen Tafel mit Kreide und Schwamm hängt ein zweites weißes Board.

    Frontalunterricht zur Ständegesellschaft in Frankreich - das könnte einige Schüler ganz schön langweilen. Aber in einem Klassenzimmer wie diesem, kann Andreas Oswald alle Mittel und Tricks einsetzen, um den Unterricht spannend zu machen. Der 33-Jährige steht vor einem sogenannten Whiteboard – einer elektronischen Tafel, von der er ein Youtube-Video abspielen kann. Wenn es klappt ...

    "Es gibt da ein - hoppala wo haben wir's denn? Jetzt. Geht das jetzt oder nicht? Wieder Vorführeffekt. Hallo?"

    Andreas Oswald tippt ein paar Mal mit dem Finger auf der weiß-glänzenden Oberfläche der elektronischen Tafel herum. Aber dann startet die Marseillaise doch, und die Klasse sieht einen kurzen Clip, der das Leben des französischen Aufklärers und späteren Tyrannen Robespierre in Bildern zusammenfasst.

    Für die Realschüler in Arnstorf ist so eine schnelle Multimedia-Einlage ganz normal und auch danach geht es nicht mit dem üblichen Frontalunterricht weiter. In der Schule der Zukunft – oder eben heute in der ersten Stunde - müssen die Schüler selbst recherchieren und ihre Ergebnisse dann auf dem Whiteboard zusammentragen.

    "Das heißt, die Schüler ergänzen da handschriftlich mit einem Stift in der Hand, ähnlich wie an der Tafel, ihre Lösungen. Ich kann das Ganze fixieren und entsprechend ausdrucken dann für den Rest. Das heißt, wir machen jetzt gemeinsam in der Klasse einen Hefteintrag."

    Die meisten Schüler fangen jetzt an, wild auf ihren Netbooks herumzutippen. Das Buch nehmen nur wenige in die Hand. Nachdem jeder einen eigenen Laptop hat, recherchieren sie schon seit der 5.Klasse regelmäßig online für den Unterricht.

    Sie sind Schüler an der Schule der Zukunft - und die steht in Arnstorf in Niederbayern – 7000 Einwohner, große Baufirma am Ort, viele mittelständische Betriebe. Dingolfing ist nicht weit entfernt. Wirtschaftlich geht es der Gemeinde gut: Die Realschule ist ein schicker Betonklotz mit allem was dazugehört: Mensa, große Sporthalle, Ganztagsbetreuung - und den besten Voraussetzungen um Referenzschule für Medienbildung zu werden. Denn als die Schule 2005 gebaut wurde, konnte man die IT-Ausstattung von Grund auf mitdenken – und problemlos alle nötigen Kabel verlegen. Heute lernen hier die Schüler Photoshop, sie erstellen im Unterricht Podcasts zu Geschichtsprojekten und lösen Matheaufgaben mit einem E-Learning-Programm. Wer was wann und in welchem Fach lernen soll, halten die Lehrer im sogenannten Medien- und Methodencurriculum fest, dass die Realschule Arnstorf gerade entwirft.

    "Die sollen zum Beispiel am Ende der 7. Klasse wissen, wie ich eine Power-Point-Präsentation erstellen kann oder in der 5. Klasse, wie kann ich im Internet recherchieren, was ist vertrauenswürdig und was nicht. Das heißt, wir haben uns hier Kriterien rausgepickt, wo man hergeht und sagt am Ende jeder Jahrgangsstufe müssen diese Kompetenzen erworben worden sein."

    Die Konzepte solcher Projektschulen sollen später einmal an andere Schulen weitergegeben werden. Aber die Referenzschulen sind zum Großteil sehr gut ausgestattet. Beamer, WLAN, Whiteboard – das ist hier keine Zukunftsvision, sondern Alltag. Die ganz normalen Schulen müssen da erst hinkommen. Das Kultusministerium wünscht sich trotzdem, dass ganz Bayern zumindest in der Gegenwart ankommt, und das bedeutet: medienkompetentere Schüler und mehr IT-gestützter Unterricht. In einer Bekanntmachung fordert das Ministerium von seinen Lehrern:

    "Die Erziehung zu einem sinnvollen, effizienten, verantwortungsvollen und kompetenten Umgang mit Medien ist ein grundlegendes pädagogisches Erfordernis in allen Schulen. Aufgabe jeder Lehrkraft ist es, den Unterricht so zu planen und zu gestalten, dass Medien aller Art in einer sinnvollen, didaktisch und pädagogisch reflektierten Art und Weise und in angemessenem Umfang eingesetzt werden."

    Aber die Realität sieht anders aus: Im Internetblog von Gymnasiallehrer Jochen Lüders zum Beispiel beschweren sich die Lehrer anonym über die Zustände an ihren Schulen:

    "An unserer Schule sind die Browser hoffnungslos veraltet. Gleichzeitig schimpfen wir uns Medien-Referenz-Schule. Hauptsache ein paar tolle Etiketten, die sich auf der Schulhomepage gut machen und Außenstehende blenden."

    "Ich bin schon froh, wenn ich einen funktionierenden Overheadprojektor habe – den man aber wegen der seit Jahren fehlenden Vorhänge im Klassenzimmer meisten nicht vernünftig benutzen kann."

    140 Kilometer von Arnstorf entfernt, in München, sitzt André Ruppert im ISB, dem Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung. Von seinem Büro aus koordiniert er das Projekt mit den Medien-Referenzschulen und versucht die Wünsche des Kultusministeriums zu erfüllen.

    "Also die Bibliothek ist ja noch nicht ausgestorben, ist ja auch wichtig sich da in Systemen zurechtzufinden. Die Ausstattung ist heterogen, die einen haben mehr die anderen weniger, jede Schule verfügt über Grundstock auch an Computern, um da auch mit Computern zu arbeiten. Es gibt viele andere Bereiche: der Umgang mit Bibliotheken, Zeitung in der Schule, solche Projekte, wo man auch Medienbildung betreiben kann, um die Schüler medienkompetent zu machen."

    Medienkompetenzschulung in der Bibliothek – das klingt eher nach dem 19. als nach dem 21. Jahrhundert. Genauso oldschool sind die Lehramtsstudenten. Die zukünftigen Lehrer sind genauso wenig fit mit dem Computer wie die meisten Schüler.

    Zurück zur Französischen Revolution der Klasse 8c. Die Aufgabe heißt immer noch: Internetrecherche.

    Reporterin: "Also du hast ja schon mal Facebook offen, das finde ich ja interessant."
    Schüler: "Ja, äh, das war noch von gestern."(lachen)
    Reporterin: "Also der ist bei Facebook, der Robespierre?"
    Schüler: "Nein ... hahaha."

    Erwischt! Facebook ist natürlich im Unterricht nicht erlaubt, und eigentlich sind unterrichtsfremde Seiten auch gesperrt. Lehrer Andreas Oswald zieht eine Augenbraue hoch, der Schüler entschuldigt sich – und klickt zurück auf Wikipedia. Aber nach ein paar zögerlichen Bewegungen mit der Maus entscheidet er sich doch wieder anders:

    Andreas Oswald: "Stopp! Du sollst, was immer machen? Wikipedia ist nicht das Problem. Was musst du immer machen?
    Schüler: " ... eine zweite Quelle zum Abgleich. Ach so okay."
    Andreas Oswald: "Haben wir ja schon getestet, dass zum Beispiel der Franz Beckenbauer bei uns schon mal der Nationaltrainer von Kuala Lumpur war für einen Tag. 12 Stunden 26 bis zur Änderung."

    Die Schüler lernen also aus eigener Erfahrung, dass man nicht allem trauen kann, was im Internet steht. Gleichzeitig erstellen sie im Unterricht eine Linksammlung mit vertrauenswürdigen Seiten. Natürlich braucht man für all das keine Laptop-Klasse. Der Vorteil ist hier aber, dass der Computer jederzeit verfügbar ist. Und dass die Schüler sich mit dem Teil auch alle auskennen. Viel komplizierter wird es, wenn die Lehrer erst umständlich einen Computerraum mit veralteten PCs buchen müssen, und die Schüler dann vor lauter Aufregung nur noch Quatsch machen. Den Stress wollen sich viele Lehrer ersparen, und erzählen den Schülern dann eben im Frontalunterricht wie Recherche im Internet funktioniert. Und selbst wenn sie sich an den Computer trauen, gelingt der Unterricht nicht immer, sagt der Lernpsychologe Frank Fischer.

    "Ein häufiger Fehler ist, man schickt die Schüler an den Computer, die machen dort was, die recherchieren was, oder die diskutieren etwas und dann war es das, dann ist der Unterricht zu Ende. Und man denkt dann, ja da ist dann eben auch die Erfahrung, aber eben auch das Zurückholen auf so eine Klassenebene ist wichtig. Und auch was ganz häufig als großer Pluspunkt gesehen wird, ist, wenn die Lehrer auch in diese Kleingruppen mit reingehen, wenn sie angucken, was läuft denn da eigentlich, sind die eigentlich auf dem Weg zu irgendwas Sinnvollem, und dass die da eingreifen, die sind die Inhaltsexperten und die müssen ihre Inhalte da einbringen, in ihre Diskussion."

    Die neuen Medien allein sind also nur die halbe Miete. Nur wenn ein Lehrer seinen Unterricht und die Technik im Griff hat, dann kommt bei den Schülern auch etwas an, findet der Arnstorfer Geschichtslehrer Andreas Oswald. Und dann ist da noch die Computerdisziplin der Schüler. Wenn die statt zu recherchieren nur auf Facebook surfen, dann wird auch an einer modernen Schule der Laptop ganz schnell wieder zugeklappt.

    "Mit bestimmten Klassen, wo man einfach dann merkt, kaum sind die am Computer dran, wird 80 Prozent Quatsch gemacht, dann greift man halt wieder aufs Papier zurück. Es wäre auch vermessen zu sagen: Computer ist gleich bessere Leistung. Diese Formel ist zu einfach und kann auch nicht funktionieren. Er kann unterstützen, wenn eine Klasse leistungsstark und lernwillig ist. Für Leute, die aber so und so nicht wollen, ist es nicht zwangsläufig so, dass das dann besser wird."

    Wer in Arnstorf in eine Laptopklasse will, der muss einen Vertrag unterschreiben und sich auf zehn Punkte verpflichten: Das Netbook muss immer aufgeladen sein. Wenn bei einer Prüfung der Akku leer ist, oder das Ding abstürzt, hat der Schüler Pech gehabt und es gibt einen Sechser. Wer sich nicht an die Regeln hält und das Projekt stört, fliegt aus der Klasse. Und so weiter. In der Schule der Zukunft wird Disziplin noch wichtiger. In den Gängen der Realschule Arnstorf hängt vor jedem Klassenzimmer eine Garderobe, darunter stehen die Straßenschuhe der Schüler. Kein Müll, keine Schmierereien an den Wänden, alles in bester Ordnung.

    Rundgang mit dem Schulleiter Jürgen Böhm.

    Jürgen Böhm: "Also wir befinden uns jetzt im neuesten Bereich der Schule. Jetzt schauen wir uns den sogenannten Multifunktionsraum 28 an."

    Reporterin: "Aber sonst muss man wirklich sagen, ist das eine normale Schule, es ist ein normaler Schulgang, es riecht auch wie in einer normalen Schule, muss ich sagen."

    Jürgen Böhm: "Wir zaubern nicht, das ist alles ganz normal bei uns."

    Naja, nicht ganz. Der Schulleiter klopft an der Tür des neuen Multifunktionsraums. Gerade hat hier eine 7. Klasse Englischunterricht.

    Reporterin: "Grüß Gott! Ui, alle stehen auf …"

    Jürgen Böhm: "Setzt euch wieder bitte. Guten Morgen! Die 7e hat ein Klassenzimmer, das auch etwas Spezielles ist. Im Prinzip ein Multifunktionsraum, den die Lehrer buchen können, online, der nächste Kollege weiß, der Raum ist besetzt. Ein ganz normaler Raum mit einem Tisch, aus dem der Monitor herausgezogen werden kann. Man kann also hier normalen Unterricht machen mit Papier und Stift, man kann natürlich auch während des Unterrichts den Computer dazuschalten. Die Tische wurden von unserem Hausmeister selbst entwickelt. Der Bildschirm verschwindet, die Tastatur wird hereingelegt und der Schüler hat einen normalen Arbeitstisch oder einen Computerarbeitsplatz."

    Die Französische Revolution und der Geschichtsunterricht bei Andreas Oswald sind für heute vorbei, der Lehrer ist zur nächsten Klasse unterwegs. Franz, Caroline, Lena und Andreas aus der Laptopklasse können jetzt Klartext reden:

    Schülerin: "Ich find's gut, weil es bereitet einen ja auch auf das spätere Berufsleben vor, weil man braucht halt auch für die meisten Jobs einen Computer."

    Reporterin: "Funktioniert das denn immer gut?"

    Schüler: "Wenn die Internetverbindung nicht da ist oder wenn das Internet so lang braucht, dass die Schüler die Dokumente nicht runterladen können und das dauert halt."

    Reporterin: "Gibt's irgendwie andere Ausreden als in dem Unterricht mit Heft?"

    Schülerin: "Ja, das Ladekabel ist kaputt."

    Schüler: "Akku ist kaputt. Daheim hab ich's nicht ausdrucken können. Der Drucker hat gesponnen."

    Schülerin: "Internet hat gesponnen ... "

    Nicht gemachte Hausaufgaben und mehr oder weniger kreative Ausreden gehören auch an der Schule der Zukunft zum Alltag. Und viele Schüler glauben eh, dass sie es besser können als der Lehrer. Im Klassenzimmer von Andreas Oswald sitzen regelmäßig 30 Experten. Damit muss auch der Lehrer erst mal zurechtkommen.

    "Wenn man da keine Angst davor hat und auch kein Problem damit hat, dass es wirklich mal jemanden gibt, der was besser weiß als der Lehrer, der zwar prinzipiell immer erst mal alles weiß, aber dass es jemanden gibt, der es anders oder besser oder leichter weiß, dann muss man das halt auch einfach mal zulassen."

    Eigentlich müssten sich die Lehrer das technische Wissen und die dazugehörigen Unterrichtsmethoden schon im Studium aneignen. Doch dafür gibt es in Bayern keine einheitlichen Standards. Ausgebildete IT-Spezialisten sind die Lehrer in Arnstorf ebenfalls nicht. Auch Andreas Oswald hat sein Computerwissen nicht von der Uni. Selbststudium statt koordinierter Fortbildung.

    "Der Lehrer XY bietet halt an einem Nachmittag zwei Stunden einen Einführungskurs in Photoshop an, weil er halt den Fotokurs macht. Ein anderer erzählt was übers E-Learning und die schönen Möglichkeiten, die man hier hat. Angerechnet ist es so, dass ich einen schönen Nachmittag im Kreis der Kollegen verbringe ... das ist die Anrechnung, die es dafür gibt."

    So viel Engagement und Motivation seitens der Lehrer gibt es nicht an jeder Schule. Referenzschule, Laptopklasse, E-Learning – das bedeutet für alle Mehrarbeit. Die Eltern wissen das zu schätzen. In Arnstorf arbeiten sie noch mit der Schule zusammen, statt gegeneinander, betont Anton Hausleitner vom Elternbeirat:

    "Dass die sich das alles angetan haben, das alles hochzuziehen, da gab's ja keinen Leitfaden oder nichts, das ist ja alles Eigengewächs. Dafür wirklich Hut ab. Ich kann nicht sagen, dass ich mit dem, was die Lehrer leisten, nicht zufrieden wäre. Es ist wirklich so, sie bräuchten eine Handhabe von oben, wo sie sich mit Sicherheit verlassen können, dass es in Ordnung ist, wenn sie es so machen. Es ist diese Spielweise, die sie ein bisschen behindert."

    Anton Hausleitner hat vier Kinder. Zwei gehen noch in Arnstorf zur Schule, die zwei anderen sind schon fertig. Heute sitzt er im Büro des Schulleiters, hinter ihm stehen die vielen Pokale und Auszeichnungen, die die Schule bereits bekommen hat. Natürlich hat er in den vergangenen Jahren auch schwierige Situationen erlebt: Klar, dass die Schüler bei so einem Pilotprojekt wie der Laptopklasse auch irgendwie Versuchskaninchen sind. Die privatfinanzierten Rechner haben den Schulgebrauch nicht lange überstanden. Die Reparatur dauert manchmal ziemlich lang und währenddessen gibt es kein Ersatzgerät. Und immer Buch und Netbook mitnehmen zu müssen, ist für die Schüler eine ewige Schlepperei. Aber trotz der Kritik: Der Vater würde seine Kinder nicht an eine andere Realschule schicken.

    "An einer normalen Realschule teilen sich zwei, manchmal drei Schüler einen PC. Hier hat jeder einen vor sich, das heißt, jeder kann einen Fehler machen. Und ich glaube das macht unwahrscheinlich viel aus, dass die sofort diese Ursache-Wirkung-Beziehung haben. Das ist wie aufm Bau, wenn ein Hammer für drei Leute zuständig ist, da schlägt sich immer einer auf den Finger, weil er keine Übung hat. Natürlich bemühen sich andere Lehrer an ihren Schulen auch. Das hat sehr viel mit Politik zu tun".

    Autorin
    Als die Realschule Arnstorf neu gebaut wurde, hat eine ortsansässige Baufirma eine Million Euro für die erste Grundausstattung gesponsert. Heute investiert die Schule rund 25.000 Euro pro Jahr in die Instandhaltung und Verbesserung der IT-Ausstattung. Das geht, weil es hier viele Mittelständler gibt: Die Firmen sind auf gute Schulabgänger angewiesen, und weil das Geschäft gut läuft, zahlen sie hohe Steuern. Der Sachaufwandsträger ist der Markt Arnstorf. Hier haben die Politiker erkannt, dass Bildung wichtig ist und in die Schule investiert.

    Andreas Oswald und Schulleiter Jürgen Böhm stehen im Serverraum der Schule. Dem Ort, an dem alles zusammen kommt: Alle Datenströme, blaue, gelbe und graue Kabel; aber auch alle Faktoren für den Erfolg: Geld, Technik, Engagement.

    "Wir haben also insgesamt im Haus an die 200 Kilometer Glasfaserkabel und Kupferkabel verlegt. Also im Prinzip jeder Stecker, jedes Patchfeld das wir hier sehen bedeutet einen Anschluss, der irgendwo im Haus verbaut ist. Wir sprechen also hier von insgesamt von 255 bis 260 Anschlüssen, die man hier permanent bedienen und benutzen kann."

    Zuständig für die Wartung des Schulnetzwerks ist die interne Admin-Crew – das sind Lehrer und Schüler, die der Realschule richtig viel Geld sparen.

    "Indem wir keinerlei Installations- und Wartungskosten erzeugen, das wird alles an der Schule selbstständig erledigt, das heißt die Kolleginnen und Kollegen, die Systembetreuer, wir haben hier ein Team von drei, vier Leuten, warten die Rechner selbst, installieren die Rechner selbst und das heißt, wir sparen da wirklich Tausende von Euro."

    Von denen dann wieder neue Technik angeschafft werden kann. Aber nicht nur die Schule profitiert von der eigenen Admin-Crew, sondern auch die Schüler. Bei einer Bewerbung kommt so was extrem gut an, weiß Lehrer Andreas Oswald. Immerhin sind hier 14-Jährige in ihrer Freizeit Systembetreuer:

    "Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass eben unsere Absolventen, die eben sehr technikaffin ausgebildet werden, sehr begehrte Schulabgänger sind. Also wir haben den konkreten Fall, dass wir hier in Nachmittagskursen Microsoft- und Cisco-Zertifizierungen anbieten können, was unseren Absolventen den Vorteil bringt, wenn die Sachen hier schon an der Schule erledigt sind, spart ihnen das die Zeit in der Lehrzeit, was bis zur Lehrzeitverkürzung hin möglich ist, weil man durchaus sieht, dass auch mit Realschulabschluss hier gut qualifizierte und hoch qualifizierte Leute rausgehen."
    Die Zukunftsaussichten der Arnstorfer Schüler kann man also getrost als rosig bezeichnen. Aber was ist mit dem Rest? Ob die Unterrichtskonzepte der Referenzschulen wirklich die Revolution in ganz Bayern bringen? Ab nächstem Schuljahr werden Lehrer wie Andreas Oswald ihre Ideen in andere Schulen tragen. Die müssen dann sehen, was sie mit ihren Voraussetzungen auf die Beine stellen können. Wenn alles so läuft, wie sich das Kultusministerium das wünscht, dann müsste das Bildungssystem bald nur noch medienkompetente, junge Menschen ausspucken. Aber nicht nur Unterfinanzierung ist das Problem: Man kann Medienkompetenz gar nicht wirklich messen, und keiner weiß, welche Art von Wissen wir in Zukunft brauchen werden. Eine erste Reiseroute legen die Referenzschulen gerade fest – nach bestem Wissen und Gewissen. André Ruppert vom Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung ist vorsichtig zuversichtlich:

    Kein Mensch kann sagen, ob das von Erfolg gekrönt sein wird. Wie "Erziehung allgemein, es ist ein Versuch. Und wir versuchen das Beste und es ist ein sinnvoller Weg das strukturiert zu machen und es ist eine Aufgabe aller Lehrkräfte und Fächer, von daher muss man das auch abstimmen. Und ich denke, wenn man das tut, dann ohne das jemals beweisen zu können, ist es zu erwarten, dass es einen positiven Effekt hat."

    Im Serverraum der Realschule Arnstorf stehen Schulleiter Jürgen Böhm und Lehrer Andreas Oswald vor den vier großen, brummenden Serverschränken. Auf das Herzstück der Schule, wie sie es nennen, sind sie sichtlich stolz. Im Moment sind sie gut gerüstet für die Zukunft:

    "Natürlich brummt das Herz, es muss auch brummen. Es muss sich immer was bewegen. Das ist moderne Schule. Ohne Informationstechnologie, glaube ich, geht in den nächsten Jahrzehnten gar nichts mehr."