Freitag, 29. März 2024

Archiv


Bilkent-Ensemble als Aushängeschild

Das Bilkent Ensemble setzt sich aus Musikern zusammen, die zum Teil an der Musikfakultät der Bilkent Üniversitesi unterrichten. Dieses kleinere Schwestern-Ensemble des Bilkent Symphony Orchestra hat gestern bei einem Konzert in Hamburg zeitgenössische türkische Komponisten vorgestellt.

Von Elisabeth Richter | 19.07.2011
    Westliche klassische Musik, sagte der Dirigent und Komponist Isin Metin, etablierte sich in den 1920er-Jahren, als die türkische Republik gegründet wurde. Und Ahmed Adnan Saygun könnte man hier als einen Pionier nennen. Saygun benutzte Techniken und Strukturen seiner westlichen Zeitgenossen, so Dirigent Isin Metin, setzte aber Farben und folkloristische Elemente der Musik aus Anatolien ein.

    Ahmed Adnan Saygun, 1907 geboren, 1991 gestorben, war ein musikalischer Feldforscher, wie der Ungar Bela Bartok, mit dem er befreundet war und mit dem er sich auch gemeinsam auf die Spuren türkischer Volksmusik begab. Mit Sayguns Sonatina für Klavier wurde das spannende Konzert des Bilkent Ensembles aus Ankara eröffnet. Saygun ist der Grandseigneur der türkischen Komponisten, eine Vaterfigur, er beeinflusste viele jüngere Kollegen. Auch die acht, alle in den 1970er-Jahren geborenen Komponisten, deren Werke das Bilkent Ensemble in Hamburg vorstellte.

    "Logos" für Flöte, Klarinette, Geige und Cello von Mahir Cetiz, dessen Werke bereits vom BBC Philharmonic aufgeführt wurden oder vom Tonhalle Orchester Zürich. Dirigent Isin Metin erklärt, wie sich das Komponieren in der Türkei im Laufe der Jahre entwickelt hat, wie sich die heutigen Komponisten zwar auf den Altmeister Ahmed Adnan Saygun beziehen, aber doch anders als er folkloristische Elemente in ihrer Musik einsetzen:

    "Wir können die Komponisten natürlich nicht alle in eine Schublade stecken, sie sind Individuen. Natürlich benutzen sie westliche Strukturen und Methoden, aber sehr kreativ. Wenn die vorhergehende Generation Volksmusik-Elemente "nur" als Inspirationsquelle benutzte, so verwenden die Komponisten heute diese Quellen auch als Modelle für Strukturen. Sie lassen sich zum Beispiel von türkischer Poesie inspirieren oder von den alten kunstvoll geknüpften Orientteppichen. Wir stecken natürlich nicht in den Köpfen der Komponisten, aber dies fällt schon auf. Saygun hätte zum Beispiel Modi und Mikrotöne niemals genauso wie in der traditionellen Musik benutzt, während die jungen Komponisten jetzt im 21. Jahrhundert ganz frei damit umgehen.".

    "Zirkulierende Etüden" von Tolga Zafer Özdemir. Nicht selten sind die Werke dieser heute rund 40 Jahre alten Komponisten von vibrierenden Rhythmen durchpulst, was sich auf Volkstänze in der Region am Schwarzen Meer bezieht. Andererseits kann man ein subtiles Ausloten von Klängen feststellen, die Suche nach Bezügen der Töne, wobei sich dann schillernde Wirkungen ergeben, die so etwas wie eine impressionistische Aura vermitteln, etwa bei Onur Türkmens sehr polyfon gedachten "Lines" (Linien) für Geige, Bratsche, Cello, Klavier und Schlagzeug.

    Das Bilkent Ensemble präsentierte sich bei den zum Teil extrem virtuosen und rhythmisch komplexen Werken der Komponisten als technisch ungeheuer flexible Formation, die aber auch eine große Sensibiltät bei den fein-empfindlichen Klangstudien zeigte.

    Dieses Konzert des Bilkent Ensembles zählt mit seinem experimentellen Charakter ohne Zweifel zu den interessantesten Konzerten des Länderschwerpunktes Türkei. Bei anderen Veranstaltungen ging man beim Schleswig-Holstein Musik Festival den sicheren Weg des Mainstreams. Und Konzerte mit dem Multitalent Fazil Say, dem Pianisten, Dirigenten, Komponisten und Entertainer, der beim Festival im Vergleich zu anderen türkischen Künstlern ein wenig überrepräsentiert ist, sind auf der sicheren Seite. Dennoch bietet die Mischung Neues, Spannendes, Lohnendes, darunter etwa Musik der Sufis oder alte türkische Lyrik, und vor allem viele türkische Künstler auf internationalem Niveau.