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Bill Emmott

Genau so wie Kagan sieht es Bill Emmott in seiner Studie über "Die Weltordnung des 21. Jahrhunderts". Amerika solle und werde auch weiterhin weltweit Stabilität garantieren, schreibt der Chefredakteur des Economist. Dankeswerterweise - und schon allein aufgrund seiner militärischen Stärke:

Christina Janssen |
    Die für das laufende Jahrzehnt geplanten Rüstungsausgaben der USA erreichen mit jährlich mehr als vierhundert Milliarden Dollar das Zehnfache des (zweitgrößten) Wertes und übertreffen noch die Gesamtsumme der vierzehn folgenden (Verteidigungs-Budgets). Damit ragt Amerika im absoluten wie im relativen Sinn als der mächtigste Koloss heraus, den die Welt je gesehen hat.

    Ein Koloss mit Gewissen allerdings, sagt Emmott. Schließlich sei Amerika die erste Weltmacht, die - Zitat: "ihre Vorherrschaft im großen und ganzen wohlwollend ausübt".

    Nie zuvor konnte eine Weltmacht die Vorherrschaft ausüben, ohne förmlich ein Reich zu begründen, das heißt, ohne andere Staaten zu besetzen und gewaltsam zu unterdrücken oder zumindest systematisch die Weltlage direkt zum eigenen Vorteil zu ordnen.

    Auch wenn Emmott diese fragwürdige Behauptung im folgenden selbst relativiert, so ist sie doch beispielhaft für seine Argumentationslinie: Es geht nicht darum, ob das amerikanische Imperium "bewunderns- oder verachtenswert ist". Es geht um die Frage, wie lange der amerikanische Allmachtsanspruch fortbestehen kann. Denn es dräuen mannigfache Gefahren, die Emmott im ersten Teil seines Buches erläutert: Da ist nicht nur der Kampf gegen den internationalen Terrorismus, gegen Schurken und Schurkenstaaten; auch die wirtschaftliche und politische Entwicklung in Asien, Südamerika oder Europa birgt ein Potential an Anfeindung und Rebellion.

    Amerika und die übrige Welt stehen vor zu vielen weiteren Problemen, die lediglich zum Teil mit dem Kampf gegen Bedrohungen der globalen Sicherheit zusammenhängen. Zum Beispiel könnte auch eine mögliche Auseinandersetzung mit China wegen Taiwan eine große Gefahr bedeuten und entweder bereits den Auftritt einer neuen Weltmacht ankündigen oder vielleicht von einer innenpolitischen Labilität Chinas zeugen. Auch Finanz- oder Wirtschaftskrisen in gewichtigen großen Staaten wie Japan, Brasilien, Indonesien oder Russland könnten gefährliche politische Verwerfungen herbeiführen, denen es zu begegnen und noch besser vorzubeugen gelte.

    Jene unipolare Weltordnung, die Emmott apostrophiert, ist mit Stärken und Schwächen behaftet, mit der Gefahr übereilter Militärschläge etwa. Irgendwann könnten sich außerdem andere Staaten zu einem großen Bündnis gegen die amerikanische Übermacht zusammenschließen - Indien, China und Russland zum Beispiel. Emmotts Solidarität ist natürlich kritisch, sein Optimismus skeptisch genug, diese Risiken einzubeziehen. -- Das gilt auch für den zweiten Teil seines Buches. Das Thema: Die Globalisierung, die "freiwillige Übernahme des Weltkapitalismus", wie Emmott sie definiert. Den globalen Neoliberalismus verteidigt der Journalist ebenso wie das Prinzip amerikanischer Allmacht: Sicher, der Kapitalismus sei kein Paradies. Er basiere auf Ungleichheit, biete dafür aber Freiheit und Demokratie. So profitierten letztlich alle von einem liberalisierten Weltmarkt - und von der amerikanischen Dominanz. Emmott hält sich an das Diktum Winston Churchills: "Die Amerikaner werden immer das Richtige tun - nachdem sie alle Alternativen bemüht haben." Amerika - das Zentrum des Guten? Eigentlich schon, findet Emmott. Robert Kagan und Bill Emmott reden nichts schön. Trotzdem tragen beide zur Versachlichung einer emotional geführten Debatte bei. Denn beide werben um gegenseitiges Verständnis. Dabei verharrt Kagan allerdings unverkennbar auf einem amerikanischen Standpunkt - so sehr er sich auch bemüht, die europäische Perspektive nachzuvollziehen. Und genauso unverkennbar argumentiert Emmott in der Tradition des kapitalistischen Blocks, der sich auch sein Blatt, der Economist verpflichtet sieht. In Deutschland werden die Autoren sicher nicht nur auf Gegenliebe stoßen. Aber das wollen sie auch nicht - oder in den Worten Robert Kagans:

    Ich frage mich nur, ob es nicht auf beiden Seiten möglich wäre, ein bisschen mehr Verständnis oder sogar Mitgefühl für die andere Seite zu zeigen. Und ich sehe da einen erstaunlichen Mangel auf dem europäischen Kontinent. Was nicht heißt, dass die Amerikaner nicht ihre eigenen Scheuklappen haben. Aber das Ausmaß der Selbstgerechtigkeit in Europa überrascht mich ziemlich. Eigentlich sind die Amerikaner selbstgerecht, aber die Europäer übertreffen sie da im Moment ohne einen Hauch von Selbstkritik.

    Christina Janssen besprach zunächst: Robert Kagan: Macht und Ohnmacht - Amerika gegen Europa in der neuen Weltordnung. Erschienen ist der Band beim Siedler-Verlag in Berlin. 128 Seiten - 16 Euro. Anschließend daran: Bill Emmott: "Vision 20/21 - Die Weltordnung des 21. Jahrhunderts" aus dem S. Fischer Verlag in Frankfurt, 368 Seiten für 24 Euro 90.