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Billig produziert, mit teuren Umweltschäden erkauft

In Paraguay wächst, was zu einem großen Teil das Futter der Rinder und Schweine hierzulande ausmacht: Soja. Ohne das eiweißreiche Futter aus fernen Ländern wäre die intensive Tierzucht auch in Deutschland nicht möglich. Der Anbau bringt allerdings Belastungen für Umwelt und Anwohner.

Von Steffi Holz | 23.08.2010
    Paraguay. Das kleine Land im Herzen Südamerikas ist der viertgrößte Sojaexporteur der Welt. Doch der intensive Anbau in Monokultur zerstört nicht nur die Umwelt, sondern bedroht auch die kleinbäuerliche Landwirtschaft und die Landbevölkerung. Lucia Pavón, Kleinbäuerin in der Provinz San Pedro, lebt mit ihrer Familie nur wenige hundert Meter entfernt von riesigen Sojafeldern brasilianischer Großgrundbesitzer.

    "Wenn sie Pestizide sprühen, nehmen sie keine Rücksicht darauf, ob gerade Wind weht, der alles hierher trägt. Wir haben Angst, früh zu sterben, denn das Gift setzt sich auf unsere Bohnen und die Maniok, die wir essen. Von den Dämpfen bekomme ich Bauchschmerzen. Andere haben Durchfall oder müssen sich erbrechen, viele klagen über Kopfschmerzen. Vor kurzem sind mir 30 Hühner auf einen Schlag gestorben. Auch die Nachbarn beschweren sich. Es ist schrecklich!"

    Als Ende der 90er gentechnisch veränderte Soja-Sorten ins Land kamen, nahm der Einsatz von Pestiziden zu. Firmen wie Monsanto, Bayer und Co haben nicht nur ertragsstarke Sorten auf den Markt gebracht, sondern den Pflanzen eine Resistenz gegen firmeneigene Breitbandherbizide eingebaut. Diese Mittel töten allen Pflanzenwuchs auf den Äckern ab, nur die genetisch veränderten Sojapflanzen nicht, die regelmäßig damit besprüht werden. Dass diese Stoffe nicht ungefährlich für die Landbewohner sind, zeigen internationale Studien, unter anderem der Weltgesundheitsorganisation, sagt Graciela Gamarra vom Gesundheitsministerium Paraguays.

    "Das Risiko besteht in den Langzeitfolgen. Wenn du den Mitteln lange ausgesetzt bist, steigt dein Risiko an Krebs zu erkranken, Missbildungen zu entwickeln oder an Allergien zu erkranken."

    In Paraguay fehlten Ausrüstung, Ausbildung und politischer Wille, Untersuchungen einzuleiten und die Landbevölkerung über die Risiken aufzuklären, kritisiert die Medizinerin Gamarra ihre eigene Regierung. Vertreter von Kleinbauernorganisationen klagen, die traditionelle politische Elite sei eng mit den Großgrundbesitzern und der Agrar-Lobby verflochten. Sojaproduzenten wie Hector Cristaldo, der auch der Präsident des wichtigsten Verbandes der Sojalobby ist, halten dagegen:

    "Wir achten auf Sicherheit und setzen die Ackerchemikalien gewissenhaft ein. Sie sind ein Werkzeug der modernen Landwirtschaft, um Plagen und Krankheiten zu kontrollieren. Wenn sie gemäß den Instruktionen verwendet werden, gibt es keinerlei Bedenken."

    Bis zu dreieinhalb Tonnen Sojabohnen werden heute pro Hektar geerntet, ein Ertrag, der rund 900 US-Dollar Gewinn bringen kann. Die Profite aus dem Sojaanbau sind von Steuern befreit. Ein lohnendes Geschäft bei bis zu sechs Millionen Tonnen jährlicher Ernte. Die Produktionskapazität könne sich mit denen der reichen Länder messen und sei noch lange nicht erschöpft, meint Cristaldo:

    "Soja ist die wichtigste Verbindung zur globalisierten Welt. Das hohe Agrar-Potential in einem Land wie unserem nicht zu nutzen, um eine hungernde Welt zu versorgen, sondern zu sagen wir pflanzen nur, was wir selbst essen, das macht doch keinen Sinn!"

    Doch immer mehr der Kleinbauern – die immerhin die Hälfte der Bevölkerung Paraguays ausmachen - wehren sich: Lucía Pavón blockiert mit ihren Nachbarn Traktoren, die Pestizide versprühen sollen.

    "Mit ganzer Kraft kämpfen wir dafür, dass die Vergiftung aufhört. Wir fordern ein Ende der Besprühungen. Die Belastung ist sehr hoch. Tiere werden vergiftet, unsere Kinder, die Alten. Wir schweben hier zwischen Leben und Tod."