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Studie
Bindung an Kirche und Religion nimmt rasant ab

Kirchenbindung und Religiosität der Deutschen schwinden schneller als erwartet. Das geht aus einer Studie hervor, die die Evangelische Kirche in Deutschland in Ulm während der Tagung der Synode veröffentlicht hat. Demnach ist noch eine knappe Mehrheit der Deutschen christlich-konfessionell gebunden.

    Gläubige sitzen während eines Gottesdienstes in den Sitzreihen im Kölner.
    Die Kirche kann die Bürger immer weniger an sich binden. (dpa/ Oliver Berg)
    Dazu zählten auch Orthodoxe und Mitglieder von Freikirchen. Nach dem derzeitigen Trend werde 2024 der Anteil der christlich-konfessionell Gebundenen unter 50 Prozent sinken. Religiöse Menschen sind laut der Studie in der Gesellschaft schon heute deutlich in der Minderheit. 13 Prozent der Befragten verstehen sich als kirchlich-religiös.

    Bei der katholischen Kirche Mitgliederschwund "sogar noch schneller"

    Die Erhebung kommt außerdem zu dem Schluss, dass die vor vier Jahren durch eine andere Studie prognostizierte Halbierung der Mitgliederzahl in der evangelischen Kirche bis 2060 bereits in den 2040er Jahren erreicht sein dürfte. Und diese Dynamik könne sich "bei der katholischen Kirche gegebenenfalls sogar noch schneller vollziehen", hieß es.
    Für den Mainzer katholischen Bischof Kohlgraf zeigt die neue Studie zur Kirchenmitgliedschaft ein "ungeschminktes und sehr facettenreiches Bild der aktuellen Lage von Religion und Kirche in Deutschland". Die Bischöfe wollten auf Basis der "ernüchternden Ergebnisse" zu Debatten über Konsequenzen einladen, erklärte der Vorsitzende der Pastoralkommission der Bischofskonferenz. Kirche dürfe sich nicht als "heiliger Rest" verstehen, der sich schmollend zurückziehe und abschotte. Auch eine massiv schrumpfende Kirche müsse ein wichtiger Faktor in gesellschaftlicher wie religiöser Hinsicht bleiben, betonte Kohlgraf.

    Noch Mitglied und bereits "austrittsgeneigt"?

    In der Untersuchung stuften sich 43 Prozent der katholischen und 37 Prozent der evangelischen "Noch-Mitglieder" als "austrittsgeneigt" ein. Drei Viertel der Katholiken und zwei Drittel der Protestanten sagten, sie würden einen Kirchenaustritt nicht ausschließen.
    Seit 1972 erscheint etwa alle zehn Jahre die Untersuchung über Mitglieder der Kirchen. Erstmals wurden auch Ergebnisse für katholische Kirchenmitglieder mit erhoben. Ingesamt wurden 5.000 Menschen befragt.

    Kurschus will auf Jugendarbeit setzen

    Nach Ansicht der EKD-Ratsvorsitzenden Kurschus sollten die Kirchen in Deutschland vor allem die Kinder- und Jugendarbeit stärken. Man müsse die junge und jüngste Generation im Blick halten, sagte sie. Die Studie zeige nicht nur, dass die Kirchenbindung zurückgehe, sondern auch die Religiosität. Die Ergebnisse hätten sie sehr ernüchtert. Zugleich habe es sie aber ermutigt, dass die Menschen nach wie vor hohe Erwartungen an die Kirchen in Deutschland hätten.
    Die Studie zeigt aber auch, dass die Menschen nicht gleichgültig gegenüber den Kirchen eingestellt sind, sondern sich Reformen wünschen. Unter anderem sagten 96 Prozent der katholischen und 80 Prozent der evangelischen Mitglieder, ihre Kirche müsse sich grundlegend verändern, wenn sie eine Zukunft haben wolle.

    Missbrauchsfälle erschüttern Kirche

    Die Kirchen befinden sich insgesamt in einer großen Krise. 2022 waren erstmals nur noch weniger als die Hälfte der Bundesbürger Mitglieder. Die Zahl der Austritte erreichte ein neues Rekordhoch - auch wegen der Missbrauchsfälle und anderer Skandale.
    Diese Nachricht wurde am 14.11.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.