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Bio auf amerikanisch

Bei uns heißen sie Bio-Lebensmittel, in den USA spricht man von organic food. Doch die Standards unterscheiden sich, ähnlich wie die Länder, aus denen die Produkte kommen. Trotzdem sollen die beiden Bezeichnungen als gleichwertig anerkannt werden.

Von Miriam Braun | 12.04.2012
    Rote Tomaten neben weißen Zwiebeln und leuchtend gelben Paprika: Es ist Wochenmarkt auf dem Union Square in New York City. Mehr als zwei Dutzend Bauern verkaufen hier drei Mal pro Woche ihre Feldfrüchte und Erzeugnisse. Frisch und gesund soll es für die Kunden sein. Und Bio? Nicht unbedingt:

    "Ob ich speziell nach Bio schaue? Nein, ich nehme, was gut aussieht und gut schmeckt. Gute Sachen haben die hier. Leckere Sachen. Bio heißt nicht unbedingt, dass es das Beste ist."

    Denn "organisch” oder auch "Bio" ist für bewusste Käufer in den USA oftmals nicht ökologisch genug. Genauso wie in Europa gibt es dort ein Bio-Siegel, das vor Jahren vom Landwirtschaftsministerium eingeführt wurde. Tim Werson arbeitet für die Windfall Farmen in Montgomery im Norden des Bundesstaates New York. Seit Jahren hat er seinen Stand auf dem Wochenmarkt am Union Square:

    "Mehr und mehr Leuten wird klar, dass der Begriff Bio - also organic - immer schwammiger wird. Als das Landwirtschaftsministerium das Siegel eingeführt hat, fühlten sich die großen Produzenten provoziert und wollten das Logo auch haben – das hat dessen Bedeutung geändert, und wir wollen das Siegel gar nicht mehr haben."

    Genauso wie in Deutschland gibt es in den USA neben dem amtlichen Bio-Siegel noch weitere, die von unabhängigen Verbänden vergeben werden. Deren Regeln sind teilweise strenger. Tim Wersons Produkte tragen zwar kein Logo, aber auf einem Schild vor seinem Stand steht: "unkonventionell angebaut".

    Die gegenseitige Anerkennung der Standards zwischen der EU und den USA umfasst jedoch nur das "Organic"-Label des US-Landwirtschaftsministeriums. Das blaue Logo mit einer kleinen Farm im Hintergrund kennzeichnet, dass die landwirtschaftlichen Praktiken mit welchen das jeweilige Produkt hergestellt wurde, im Einklang mit dem Ökosystem stehen. Das muss für mindestens 95 Prozent der Inhaltsstoffe des Produktes gelten. Carolyn Dimitri, Ernährungswissenschaftlerin an der New York University:

    "Das hört sich einfach an, ist aber sehr komplex. Es kommt teilweise darauf an, wo der Farmbetrieb ist und auch welche Produkte er züchtet. Das hängt auch von den anwesenabhängigen Voraussetzungen ab. In keinem Fall dürfen Pestizide oder Chemikalien für den Anbau genutzt werden."

    Auch wird keinerlei Gentechnik angewandt - oder bei Tierprodukten gentechnisch verändertes Futter genutzt. In der Theorie! Da in den USA fast 90 Prozent des Soja, Mais, Raps und Zuckerrübenanbaus aus gentechnisch verändertem Saatgut gezogen wird, beklagen Ökobauern, dass ihre Felder durch Windverwehungen kontaminiert werden. Bei Stichproben wurde festgestellt, dass rund sechs Prozent des vermeintlichen Bio-Maises durch Gen-Mais verunreinigt ist.

    Ihre Produkte mit dem "Organic"-Siegel kennzeichnen dürfen nur Farmer, die sich haben zertifizieren lassen – das kostet Geld – und wird auch deswegen von kleinen Biobauern selten gemacht. Das Ministerium hat festgelegt, welche Zertifizierer anerkannt sind. Insgesamt sind die Organic-Standards der USA nahezu identisch mit den Bio-Standards der EU. Es gibt nur zwei Ausnahmen. Carolyn Dimitri:

    "Die EU-Standards erlauben es, eine erkrankte Bio-Kuh mit Antibiotika zu behandeln und nach Genesung wieder in die Bio-Herde zu integrieren. Das geht in den USA nicht. Hier darf man hingegen beim Anbau von Äpfeln Antibiotika nutzen. Das darf man in der EU nicht!"

    Wegen dieser beiden Unterschiede habe die Einigung auf die gegenseitige Anerkennung der Siegel rund zehn Jahre gedauert, sagt Dimitri. Im Vergleich dazu handhabt man das Problem nun sehr einfach:

    "Die Tiere dürfen nicht kommen und die Äpfel dürfen nicht gehen! Wer Äpfel in Europa verkaufen will, muss zusätzlich nachweisen, dass keine Antibiotika verwendet wurden. Bei diesen beiden Ausnahmen wird einfach genauer hingeschaut. Alle anderen Richtlinien sind ziemlich identisch."

    Für den europäischen Verbraucher gelte künftig auch für US-Bio-Produkte: Überall wo Bio, also organisch draufsteht, ist auch Bio drin, so Carolyn Dimitri. Mit einem kleinen Restrisiko:

    "Das liegt bei den Zertifizierern, ob die die Standards wirklich richtig prüfen. Ich würde tatsächlich nicht wetten, dass jedes zertifizierte Produkt hundertprozentig die Standards erfüllt, aber prinzipiell sollten sie es alle!
    Es gäbe auch in den USA eine gewisse Abhängigkeit von den Zertifizierern. Die werden nämlich nicht ständig neu geprüft, ob sie die Regeln auch einhalten."