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Bio-Kontrollstellen im Visier

Die Kontrolle von Öko-Betrieben ist in Niedersachsen nach Schockbildern aus überbelegten Ställen in die Kritik geraten. Nun will das Land die privaten Zertifizierungsstellen besser kontrollieren. Mit viel mehr Einsatz durch die Behörden ist aber nicht zu rechnen - dafür fehlen die Mittel.

Von Torben Hildebrandt | 11.10.2013
    Die Bio-Geflügelbranche kämpft um ihren Ruf. Anlass sind schockierende Bilder aus Hühnerställen oder falsch deklarierte Eier im Supermarktregal. Anfang des Jahres kam ans Licht, dass auch in Ökobetrieben zu viele Tiere auf zu engem Raum gehalten wurden - und trotzdem trugen Produkte Gütesiegel. Jetzt reagiert Niedersachsens grüner Agrarminister Meyer und nimmt private Bio-Kontrollstellen ins Visier.

    Legehennen, abgemagert und ohne Federn; Tiere, die mit dem Tod ringen: Solche Zustände haben die Biobranche in Verruf gebracht. Tierquälerei unter dem Öko-Siegel, überbelegte Ställe - damit muss Schluss sein, verlangt Niedersachsens Agrarminister Meyer:

    "Wir mussten im Nachhinein feststellen, dass die privaten Kontrolleure nicht diese Mängel gesehen haben. Und deshalb stellt sich die Frage: Warum konnte die massive, systematische Überbelegung so lange unentdeckt bleiben, und deswegen wollen wir genauer hinsehen - damit für den Verbraucher klar ist: Wo Bio draufsteht, ist auch Bio drin."

    Vollmundige Worte, die sich gegen einige der Bio-Kontrollstellen in Deutschland richten. Das System funktioniert so: Nicht der Staat entscheidet, welche Produkte sich mit dem Prädikat Bio schmücken dürfen, sondern private Zertifizierungsstellen. 18 gibt es davon in Deutschland: Sie schicken ihre Prüfer in die Ökobetriebe, die Tester melden sich vorher bei den Bauern an. Sie begutachten die Ställe, blättern durch die Buchführung. Doch das System hat ganz offensichtlich Lücken. Als Konsequenz will Niedersachsen die Prüfstellen jetzt intensiver überwachen:

    "Wir wollen dort, wo Mängel sind, für mehr Sicherheit sorgen, und deswegen dort mit mehr Personal stärker kontrollieren."

    Konkret sollen künftig mehr Landesbedienstete die privaten Kontrolleure begleiten und ihnen bei der Arbeit in den Betrieben über die Schulter schauen. Wenn der Grüne Christian Meyer von mehr Personal spricht, dann meint er in diesem Fall: genau drei zusätzliche Mitarbeiter - mehr als Stichproben sind also auch künftig nicht möglich, bei mehr als 200 Öko-Geflügelbetrieben allein in Niedersachsen. Dennoch: Meyer bekommt für seinen Plan Unterstützung - und zwar von den Ökobetrieben selbst. Bioland-Präsident Jan Plagge hält eine komplette Verstaatlichung schlicht für nicht machbar. Das System kann auch so funktionieren, sagt er:

    "Wenn jetzt die komplette Kontrolle durch Beamte geschehen sollte, dann müssten mehrere Hundert Kontrolleure eingestellt werden, das kann der Staat und der Steuerzahler nicht finanzieren, hier ist die Privatwirtschaft in der Verantwortung, die Kontrollen zu organisieren und zu finanzieren - und der Staat kann auch mit relativ begrenzten Ressourcen die Überwachung gewährleisten."

    Auch die CDU in Niedersachsen will die Zertifizierung und Kontrolle der Biobranche grundsätzlich in privater Hand belassen. CDU-Agrarfachmann Helmut Dammann-Tamke, sonst einer der größten Kritiker des grünen Landwirtschaftsministers, begrüßt Meyers Linie:

    "Der Staat ist unmöglich in der Lage, so ein Qualitäts- und Kontrollsystem aufrechtzuerhalten, deshalb ist es richtig, sich privater Büros zu bedienen - diese müssen allerdings durch eine staatliche Kontrolle überwacht werden."

    Und genau hier will Niedersachsen besser werden, zumindest wenn man den Worten des Ministers glaubt. Bioland-Präsident Plagge hat Ideen, worauf die Behörden den Blick konkret richten sollten - zum Beispiel auf die Frage, welches Personal die Bio-Kontrollstellen in die Betriebe schicken. Der Branchenvertreter bezweifelt, dass alle Prüfer gut ausgebildet sind und Missstände sofort bemerken. Zudem müsse das Land sicherstellen, dass die Institute auch wirklich die Ställe begutachten - zu häufig würden Betriebe nur im Büro geprüft:

    "Wir mahnen das seit Jahren an, dass die Kontrolleure nicht nur Akten und Papiere kontrollieren, sondern dass sie in die Ställe gehen und sich die Tiergesundheit angucken. Und so auch jedem Landwirt die Chance geben, an der Tiergesundheit und an dem Management seiner Haltung zu arbeiten."

    Besonders die großen Ställe können sich zum Problem entwickeln, da sind sich Experten einig: Denn bei Zehntausenden Tieren unter einem Dach können Prüfer den Überblick verlieren, ob Landwirte die Bio-Vorgaben tatsächlich einhalten. Auch für die Branchenriesen hat Grünen-Politiker Meyer eine Idee: Zumindest für einige Wochen will er Großbetriebe mit mehr als 6000 Tieren selbst durch das Personal des Landes überwachen lassen - in diesem Punkt tendiert Meyer also doch zu mehr staatlicher Kontrolle:

    "Weil gerade in diesen Dimensionen auch schwer wird, tierschutzgerecht die Tiere zu halten, da sind besondere Anforderungen zu beachten und deswegen soll da besser hingeschaut werden."

    Bislang ist es nur ein Vorschlag, den Meyer mit den anderen Ländern und dem Bund diskutiert - die Erfolgsaussichten sind gering. Denn grundsätzlich, da sind sich fast alle Beteiligten einig, soll die Branche ihre Probleme selbst lösen - im eigenen Interesse.