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Bio-Leinen aus Hessen

Mitte des 19. Jahrhunderts war der Flachs oder Faser-Lein die bedeutendste Textilfaser Europas. Durch die Konkurrenz der Baumwolle und später der Kunstfaser starb der Flachs in Deutschland als Nutzpflanze aus. In Hessen hat nun ein Versandhaus für Naturtextilien beschlossen, in Zukunft Leinen-Mode nur noch aus regionaler und biologischer Produktion herzustellen und garantiert dafür die Abnahme der Fasern zu einem festgelegten Preis.

Von Michael Schlag | 06.08.2007
    Flachs-Ernte in Mittelhessen, die Erntemaschine reißt die Pflanzen mit ihren Wurzeln aus dem Boden und legt sie hinter der Maschine in gerader Reihe ab. Dieser Faserlein ist eine Auftragsproduktion für einen Hersteller von Naturtextilien, der seine Rohstoffe, wenn möglich, regional gewinnen will. Bei der Baumwolle würde das nicht gehen, beim Flachs aber sei es möglich, sagt Katrin Kinza von Hess Natur:

    " Wir haben schon lange eine Produktion für Lein in China und auch in Europa, in Italien. Und wir haben uns überlegt, dass es Sinn macht, auch in Hessen Lein anzubauen. Faserlein ist sehr unempfindlich, ist sehr einfach im Handling, hat keine besonderen Bodenansprüche, so dass wir uns für Faserlein entschieden haben und dies als Projekt mit dem IBDF und dem Land Hessen zusammen zu starten."

    IBDF ist das Institut für Biologisch-Dynamische Forschung in Darmstadt, das dieses Anbauprojekt leitet; das Land Hessen unterstützt es mit 270.000 Euro für Maschinen- und Personalkosten. Nach zwei Jahren Aufbau werden die acht beteiligten Bio-Bauern in diesem Jahr die erste größere Ernte einfahren. Sie macht das Naturtextil-Haus zwar noch nicht unabhängig vom Weltmarkt, deckt aber ein Drittel seines Leinen-Bedarfs - und diese Fasern sind genau so produziert, wie das Öko-Versandhaus es seinen Kunden garantieren will:

    " Wir kaufen auf dem Weltmarkt Leinen zu, weil wir die Produktion hier aus Hessen noch nicht groß genug haben. Die Ware ist aber kein Bio-Leinen. Also wir legen größten Wert auf Bio-Qualität und wir möchten eben, wenn möglich, viel aus Deutschland haben. Es gibt leider sehr wenig aus Deutschland, was angebaut wird, es gibt auch sehr wenig Produktionsstätten noch in Deutschland. Was für uns machbar ist, versuchen wir aus deutscher Produktion zu bekommen."

    Die Flachsernte dieses Jahres liegt jetzt wochenlang auf den Feldern. Denn bevor die Pflanze ihre samtweichen Fasern frei gibt, müssen erst Bakterien die Stängel zersetzen. Diese so genannte "Röste" ist die riskanteste Phase der Leinenproduktion. Eckart Grundmann, der Projektleiter vom Institut für Biologisch-Dynamische Forschung:
    " Das Risiko liegt darin: wenn der Röstgrad die richtige Reife erreicht hat, dann muss man den Flachs pressen. Wenn er dann nicht vom Feld runter kommt, dann geht dieser Zersetzungsprozess weiter und greift die Faser selber an. Das führt dann zu einer Verminderung der Faserqualität und der Faserausbeute."

    Die Flachsbauern brauchen jetzt Sonne, damit der geröstete Flachs trocknet und sie ihn pressen und verarbeiten können.

    Wurden die ersten 600 Hemden und Blusen aus dem Probeanbau nur im Internet-Verkauf angeboten, soll die hessische Bio-Leinen- Kollektion im kommenden Jahr groß genug werden für eigene Seiten im Mode-Katalog. In Zukunft will Hess Natur dann unabhängig sein von Zukäufen aus dem Ausland. Katrin Kinza:

    " Also wir gehen davon aus, dass wir spätestens in drei Jahren unser komplettes Leinenangebot aus Hessen bekommen."