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Bio- neben Gentech-Mais

In Deutschland wird derzeit etwa auf 1000 Hektar Genmais angepflanzt zu Forschungszwecken unter anderem deshalb, um herauszufinden, wie groß der Sicherheitsabstand sein muss zwischen gentechnisch veränderten Pflanzen und konventionellem Anbau, um unerwünschten Pollenflug zu vermeiden. In den USA wird Gen-Mais längst flächendeckend angebaut - zu kommerziellen Zwecken. Einen staatlich vorgeschriebenen Sicherheitsabstand gibt es nicht. Doch die Bio-Bauern bleiben dennoch gelassen.

Von Ulrich Detsch |
    Maisernte auf der Farm von Ron Young in Carlinville, Illinois. Farmer Young erntet BT-Mais, gentechnisch veränderten Mais. Etwa 70 Prozent von Ron Youngs Maispflanzen sind gentechnisch verändert, die Sojabohnen sind es zu 100 Prozent. Was Landwirte und Verbraucher hierzulande noch leidenschaftlich diskutieren, ist in den Vereinigten Staaten nach Meinung von Ron Young erschreckend nüchtern "a way, to make more money", ein Weg, um mehr Geld zu verdienen.

    " In unserem Fall können wir 10 bis 15 Prozent höhere Ernte einfahren im Vergleich zu herkömmlichem Saatgut. Auf unserer Farm macht das einen Unterschied von 20.000 Dollar im Jahr. Und was noch dazu kommt: Wir sparen uns zwei oder drei Arbeitskräfte auf unserer Farm. Wir müssen nicht auf die schlimmsten Unkraut- oder Insektenplagen einstellen. Wir sind davor sicher. So bekommen wir die höchstmögliche Erntemenge, vorausgesetzt es regnet und das Wetter stimmt. "

    Ein paar Kilometer südöstlich der Young Farm wirtschaftet der Bio-Landwirt Craig Bussmann. Craig arbeitet hauptberuflich als Hausmeister in der Stadtverwaltung von Carlinville. Und nebenbei bewirtschaftet er rund um sein schönes weißes Holz-Haus 200 Hektar als "Organic Farmer". Ron Young und sein Sohn Joshua begleiten mich zum Biobauern Bussmann. Sie sind Nachbarn: Die Youngs mit gentechnisch verändertem Bt-Mais und Round Up Ready Soja, Craig Bussmann mit Biomais und Biosoja und das alles direkt nebeneinander. In Deutschland ist ja genau diese Koexistenz ein strittiger Punkt, weil alle Ackerfrüchte mit mehr als 0,9 Prozent gentechnisch veränderten Anteilen auch als genmanipulierte Ware gekennzeichnet werden müssen. Kommt der Öko Farmer Craig Bussmann mit einem Gentechnik-Farmer in direkter Nachbarschaft klar?

    " Meine Nachbarn haben keine Probleme und ich habe auch keine. Sie sagen mir, was sie tun, ich sage, was ich vorhabe. Wir stimmen unsere Termine für die Aussaat aufeinander ab. Wenn der Nachbar Bohnen sät, dann säe ich im Nachbarfeld Mais. Damit kommt das Problem Auskreuzung gar nicht auf. Außerdem haben wir eine 30 Fuß-Barriere an der Feldgrenze. "

    Natürlich wissen auch US-Farmer, dass Maispollen weit fliegen können, zum Beispiel auch von Rons Feldern rüber zu den Bioflächen von Craig. Ja, klar, sagt Craig. Aber es hält sich in erträglichen Grenzen. Wir haben genug Fläche und halten eben Abstand. Dann bricht der Biofarmer einige Maiskolben von den Stängeln auf seinem Feld. Es sind dunkelblaue Kolben; viel kleiner als die großen Gentechnik-Früchte von Ron. Aus den blauen Maiskörnern sollen einmal Bio-Tortillachips gemacht werden. Auf einmal zeigt Craig einen Maiskolben, der inmitten der blauen Körner auch ein paar vereinzelte gelbe Körner wie helle Sprenkel aufweist.

    " Das ist kontaminiert, wir haben da einige gelbe Körner im blauen Maiskolben. Aber die meisten sind blau. Das kommt von der Pollenauskreuzung. "

    Auskreuzung, "cross pollution" wie die Amerikaner sagen, findet statt. Der Biomais von Craig Bussmann ist gentechnisch kontaminiert. Unverkäuflich wäre so ein Produkt für deutsche Biobauern. "No problem, to sell it", sagt hingegen der amerikanische Biobauer.

    " Lacht laut ... Nein, ich habe keine Probleme, sie sind froh dass sie es kriegen. Und innerhalb von zwei Wochen habe ich meinen Scheck. "

    In den Vereinigten Staaten verpflichten sich Bio-Farmer nur dazu, "wissentlich" keine Gentechnik einzusetzen. Zufällige, unbeabsichtigte Auskreuzungen und Pollenflug stigmatisieren den US-Biofarmer nicht zum "Gen-Pfuscher". Es gibt schlicht und einfach keine starren gesetzlich festgelegten Grenzwerte. Paul Bertels, Präsident der National Corn Growers Association, sagt, in den USA habe noch kein einziger Biofarmer wegen gentechnischer Verunreinigung die Biozertifizierung für seine Farm verloren.

    " Sagen wir mal: Ich habe einen Vertrag über den Anbau von bio- oder nichtgentechnisch verändertem Mais. Dafür bekomme ich eine Prämie. In dem Vertrag wird der Grenzwert oder die Obergrenze für die Anteile gentechnisch veränderter Pflanzen festgelegt. Null ist unmöglich. Aber im Vertrag kann er die angemessene Grenze festlegen, die der Kunde auch akzeptiert. Der Getreide-Käufer und der Verkäufer bestimmen die Grenzwerte. Zum Beispiel sagt einer: Ich weil keine grüne Gentechnik und ich akzeptiere bis zu fünf Prozent. Ein anderer kann ein Prozent als Grenzwert einhalten. Der Markt bestimmt die Grenzen und nicht der Staat."

    Mehr Geld verdienen ist keine Schande. Und: Der Markt wird's schon regeln! Auf diesem weltanschaulichen Nährboden verwundert es nicht, dass die USA Mutterland und weltweiter Vorreiter der grünen Gentechnik wurden. Konventionelle, intensiv wirtschaftende US-Farmer legen das Gleichheitsprinzip radikaler aus als deutsche Bauern. Paul Bertels.

    " In den USA haben sich Biofarmer um die Pufferzonen zu kümmern. Der Biobauer muss zu seinem Zertifizierer gehen und nachweisen, dass er Sicherheitsabstände einhält. In Europa ist es genau umgekehrt. Und diese Tatsache hilft, dass die Koexistenz funktioniert. Der Bio-Bauer bekommt die Prämie, den höheren Preis. Warum sollte er also nicht auch die Verantwortung für seine Bioprodukte übernehmen. Und im Allgemeinen geht es nur darum, dass der Nachbar ein anderes Produkt pflanzt oder, wenn es zwei Maisfelder nebeneinander sind, dann werden eben die äußeren sechs Reihen als "Nicht-Bio-Mais" verkauft. Es ist einfach so. Wenn er die Prämie bekommt, muss er sich auch um die Puffer kümmern."

    Kosten sparen, Effizienz steigern, Geld verdienen, neue Probleme verursachen, und wieder nach neuen gentechnischen Lösungen verlangen - vielleicht ein Teufelskreis? Ron runzelt die Stirn. Tja, ganz so unrecht haben die Deutschen sicher nicht mit ihrer Skepsis. Er gibt schließlich zu, dass es sicher schlecht wäre, die grüne Gentechnik nicht nur durch die rosarote Brille zu sehen:

    " Einige der negativen Seiten, der grünen Gentechnik, ist nicht, dass das Produkt schädlich oder ungesund wäre, sondern dass sich das ökologische Gleichgewicht auf unseren Felder verändert hat. Unkraut und Insekten, die früher wegen ihrer natürlichen Feinde weniger häufig vorkamen sind nun immer häufiger geworden. Es gibt inzwischen Unkraut, das sich durch den Kontakt mit dem Round-Up-Wirkstoff "Glyphosat" mehr und mehr ausbreitet. "