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Bio-Power statt Pestizide

Die Bio-Landwirtschaft ist ein relativ neues Segment des Agrarsektors, weshalb hier immer noch hoher Forschungsbedarf besteht. Auf dem landwirtschaftlichen Hochschultag der Universität Hohenheim standen deshalb Fragen zur Sicherstellung von Qualität, Schädlingsbekämpfung und ertragreicheren Pflanzenzüchtungen auf der Tagesordnung.

Von Thomas Wagner |
    Entwarnung: Produkte aus biologischem Anbau sind, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, tatsächlich rückstandsfrei. Immer wieder machen Gerüchte die Runde, dass beispielsweise Äpfel oder Gemüse aus biologischem Anbau ebenso Rückstände von Spritzmitteln anhaften wie Lebensmitteln aus herkömmlicher Produktion.

    Stimmt nicht, sagt Professor Manfred Edelhäuser vom baden-württembergischen Landwirtschaftsministerium. Er bezieht sich auf drei Jahre andauernde Untersuchungen. Dabei wurden Produkte aus biologischem und herkömmlichem Anbau genau unter die Lupe genommen:

    " Lebensmittel aus ökologischem Landbau enthalten, wenn überhaupt, nur sehr geringe Rückstandsmengen. Aber die überwiegende Zahl aller ökologisch erzeugten Lebensmittel ist tatsächlich rückstandsfrei. Und damit unterscheiden sie sich doch signifikant von Lebensmitteln aus konventionellem Anbau, wo wir eigentlich im überwiegenden Teil aller Lebensmittel höhere Rückstandsmengen feststellen müssen. "

    Eine Einschränkung gibt es allerdings: Diese Aussage bezieht sich nur auf pflanzliche Produkte aus biologischem Anbau. Bei tierischen Erzeugnissen fällt das Ergebnis des Langzeitversuches weniger günstig aus, so Manfred Edelhäuser:

    " Wir haben ganz andere Verhältnisse bei Lebensmitteln tierischer Herkunft, bei denen hauptsächlich Umweltkontaminanten festzustellen sind, wenn auch auf sehr niedrigem Niveau. Aber dort ist es tatsächlich so, dass sich Lebensmittel aus ökologischem Landbau praktisch nicht unterscheiden, praktisch im Gehalt an Dioxinen, polychlorierte Biphenyle oder auch DDT. "

    Gleichwohl: Zumindest die Versuchsergebnisse, die sich auf pflanzliche Lebensmittel beziehen, stellen ein klares Plädoyer für den Bio-Anbau dar. Doch die Herstellung solcher rückstandsfreien Produkte ist leichter gesagt als getan: Ohne Schädlingsbekämpfungsmittel, ohne Maßnahmen gegen Krankheitserreger kommt auch der biologische Landbau nicht aus.

    Nur: Der Bio-Bauer darf auf keinen Fall synthetische Mittel anwenden. Er muss vielmehr auf solche Mittel zurückgreifen, die die Natur bereithält – und da gibt es eine ganze Menge. So werden im Bio-Anbau beispielsweise bestimmte Viren ausgebracht, die den Schädlingen auf den Pflanzen den Garaus bereiten, ansonsten aber harmlos sind. Professor Claus Zebitz von der Uni Hohenheim untersucht die Ausbringung von…

    " Krankheitserreger der Schadinsekten wie zum Beispiel Granulo-Viren gegenüber dem Apfelwickler oder dem Apfelschalenwickler. Die kommen natürlicherweise vor, nicht immer in dem Ausmaß, dass die Schaderreger eingehen. Aber man kann diese jeweiligen Viren käuflich erwerben und dann zusätzlich applizieren, dass der Infektionsdruck höher wird und damit ein sehr befriedigender Bekämpfungserfolg erzielt wird. "

    Von der Wirkung stehen solche Verfahren, so Claus Zebitz, synthetischen Spritzmitteln in nichts nach:
    " Die Hauptunterschiede sind nicht in der Wirkung zu sehen, sondern vor allem im Preis. Die biologischen Mittel, gerade Virus-Präparate oder Präparate pflanzlicher Herkunft, sind sehr teuer teilweise und müssen in manchen Fällen auch wiederholt eingesetzt werden, so dass die Pflanzenschutzmittelkosten höher liegen als in der integrierten Produktion. Und diese müssen am Markt wieder reingeholt werden in die Betriebe. Das ist der große Unterschied. "

    Der Hohenheimer Agrarwissenschaftler geht von den doppelten Produktionskosten in biologischem Anbau aus, verglichen mit der so genannten "Integrierten Produktion", bei der synthetische Mittel in begrenztem Umfang ausgebracht werden. Nicht nur der Kauf solcher Viren-Präparate ist teuer. Auch die übrigen Methoden im biologischen Anbau zur Schädlingsbekämpfung erfordern einen erheblich höheren Zeitaufwand. So haben die Agrarwissenschaftler beispielsweise bei der Züchtung von Obstsorten, die gegen bestimmte Schädlingsarten resistent sind, gute Erfolge erzielt.

    " Das sind hauptsächlich konventionelle Züchtungsprogramme, indem dann aus resistenten Elternteile diese Resistenzen über ganz normale Kreuzungen in neue Linien eingekreuzt werden, die dann natürlich auch unter Befallssituationen getestet werden. Und dann kommt es zu einem Selektionsprozess. "

    Am Ende stehen Obstsorten, die so ganz ohne Zusatzmittel gefährlichen Schädlingsarten trotzen. Hört sich toll an. Aber: Das Ganze ist wiederum, so Claus Zebitz, sehr aufwändig und teuer:

    " Die Ausbeute resistenter Sorten, die auch vermarktungsfähig sind, also vom Verbraucher angenommen werden, ist außerordentlich gering. Sie liegt zwischen fünf und einem Prozent aller Kreuzungen. "

    Und so werden trotz der geringeren Rückstände Produkte aus biologischem Anbau noch eine ganze Weile lang erheblich teurer sein als solche aus konventioneller Produktion. Das heißt aber auch: Bio-Produkte werden langfristig nach wie vor eine Nische bilden, die allenfalls ein wenig größer werden könnte.

    Ein erheblich größeres Potential für die Bio-Landwirtschaft sieht Professor Konrad Scheffer von der Fachhochschule Eberswalde dagegen in der Produktion von Bio-Masse als Energieträger. Deren Anteil an der zur Verfügung stehenden Primärenergie wird, so seine Prognose, in den nächsten Jahrzehnten auf 50 Prozent steigen. Derzeit liegt dieser Anteil noch bei fünf Prozent. Doch nimmt die Nachfrage nach Biomasse als Energieträger zu, dann kommen dort vor allem ökologische Produktionsverfahren zum Zuge:

    " Die Produktion der Biomasse, in erster Linie feuchte Biomasse, über den Schritt dann der Konservierung und Silage, ist deshalb so einfach, weil wir im Grunde jede Pflanzenart nutzen können. Auch die Wildpflanzen oder das, was wir als Unkraut bezeichnen, ist nutzbare Biomasse. Das ermöglicht uns einen Verzicht auf Pestizide – etwas, was im ökologischen Landbau sowieso gemacht wird, was wir dann aber aus wirtschaftlichen Gründen auch im konventionellen Landbau realisieren können. "