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Bio und sonst nichts

4,5 Milliarden Euro gaben die Bundesbürger im vergangenen Jahr für Bio-Produkte aus: Ein Ende des Booms ist nicht abzusehen. Molkereimeister Paul Söbbeke aus Gronau in Westfalen stellte Ende der 80er Jahre die Molkerei seiner Eltern um. Heute ist der Mittelständler Deutschlands Marktführer.

Von Friederike Schulz | 06.07.2007
    Vertriebsleiter Klaus Frericks steht in der Eingangshalle der Käserei, Klemmbrett und Stift in der Hand und bespricht mit dem Molkereimeister die Sonderbestellungen der kommenden Woche. Extrawünsche der Kunden können nur langfristig eingeplant werden, schließlich muss der Bio-Käse sechs bis acht Wochen lang reifen. 700 Tonnen davon stellt die Bio-Molkerei im Jahr her. Das Hauptgeschäft wird jedoch mit Joghurt gemacht. In dessen Produktion fließt der Großteil der 50 Millionen Liter Milch, die die Tankwagen von Bio-Bauern aus der Umgebung pro Jahr anliefern. Mit diesen Mengen gehört Söbbeke zu den wenigen Kleinbetrieben in der Branche - der internationale Molkereikonzern Müller verarbeitet pro Jahr zwei Milliarden Tonnen Milch. Um sich als mittelständisches Unternehmen auf dem Markt zu behaupten, brauche man deswegen unbedingt eine Nische wie die Biobranche, erklärt Vertriebsleiter Klaus Frericks:

    "Wenn ich den Milchmarkt so sehe: Der wird immer größer, immer komplexer in dem Bereich, und wenn man sich als Mittelständler da nicht ne Nische sucht, wo man die große Hoffnung hat, dass man da am Markt bestehen kann, wenn man sich diese Nische nicht sucht, hat man große Schwierigkeiten, mit dem Großmolker mitzuhalten. Die großen Molkereien haben alle Milchverarbeitung im Bereich von einer Milliarde Liter Milch aufwärts. Und wenn sie da als Mittelständler nicht mitmachen, können sie nur dem Preis da hinterher hecheln. Sonst haben sie kein anderes Instrument."

    Deswegen ist Geschäftsführer Paul Söbbeke heute froh, dass seine Molkerei komplett auf "Bio" setzt und sich bewusst auf hochwertige Produkte konzentriert, die nicht in den Regalen jedes Diskounters zu finden sind. Schließlich können Hersteller, die Naturkostläden und Bio-Supermärkte beliefern, im Vergleich zu konventionellen Anbietern bis heute rund 30 Prozent mehr für ihre Produkte verlangen. Vor knapp 20 Jahren jedoch, als Paul Söbbeke die Molkerei seiner Eltern übernahm, wurde er für seine Idee, in die Biobranche zu wechseln, zunächst nur belächelt:

    "Freunde fragten: Kannst Du Dir kein anderes Hobby suchen? Warum fängst du das jetzt mit den Biobauern an? Umgetrieben hat mich damals schlichtweg das Produkt. Das Produkt, das in den 80er Jahren sich deutlich gewandelt hat von Naturjoghurt und Fruchtjoghurt zu immer mehr "konvenienteren" Produkten, wo Fruchtzubereitungen aromatisiert wurden, wo diese starke Konzentrationswelle im Molkereibereich einsetzte und der Joghurt vom Preis her immer billiger wurde und von der Qualität her immer einfacher wurde. Da habe ich als junger Molkereimeister gedacht: Das kann man besser machen, da kann man anders mit arbeiten."

    Und so rührte der gelernte Molkereimeister zusammen mit einem Kollegen Biojoghurt in einem Bottich an, während die konventionelle Milchverarbeitung zunächst weiter das Hauptgeschäft ausmachte. Am Wochenende fuhr er die Biohöfe im Münsterland ab und suchte nach Geschäftspartnern.

    "Das begann zunächst mit drei Bauern, bei denen wir Milch abgeholt haben, die wir in Mehrwegflaschen gefüllt haben, das war neu damals, und an Bioläden verkauft haben. Von 1988 bis heute haben wir die Entwicklung mitgemacht, wie sie im Naturkostmarkt stattgefunden hat. Aus drei Bauern sind 150 geworden und aus zwei Artikeln, Milch und Joghurt Natur ist heute ein Sortiment mit 80 Artikeln geworden."

    Jedes Jahr wuchs die Biosparte der Molkerei um zehn Prozent, sodass sich Paul Söbbeke dann vor zehn Jahren entschloss, die gesamte Produktion darauf umzustellen. Aus Sicht von Vertriebsleiter Klaus Frericks die richtige Strategie. Der Slogan "Bio-Molkerei" sei als Werbeträger mittlerweile ein Selbstläufer und von unschätzbarem Vorteil gegenüber konventionellen Anbietern, die nur nebenbei auch "Bio" im Sortiment hätten:

    "Ich arbeite ja im Vertrieb und sehe das ja tagtäglich. Ich arbeite ja mit Biokunden zusammen. Da war das nur konsequent, dass man sagt, wenn denn Bio dann komplett Bio. Es ist nichts verwerfliches, wenn wir sagen, wir machen neben Bio auch konventionelle Produkte, aber es ist einfacher im Alltag, den Kunden zu sagen: Hört mal, bei uns wird nur Bio verarbeitet."

    Die Molkerei hat heute 100 Mitarbeiter und der Umsatz wächst pro Jahr um zehn Prozent, Tendenz weiter steigend. Das Unternehmen kann die Nachfrage kaum bewältigen. Deswegen baut Paul Söbbeke nun eine weitere Halle auf dem Firmengelände an, in der die Handwerker Zurzeit die Fliesen verlegen. In Kürze kann damit die Joghurtproduktion fast verdoppelt werden. Als Wachstumsbremse entpuppt sich dabei zunehmend die Versorgung mit Rohmilch. Der Grund: Die Produktion der Bio-Vertragsbauern hält mit der rasant steigenden Nachfrage der Verbraucher nicht Schritt. Trotzdem fehlt der grüne Schriftzug "Söbbeke" schon heute in kaum einem deutschen Naturkostladen, und auch in den meisten Biosupermärkten sieht man ihn im Kühlregal. Schließlich wissen die Kunden, dass sie sich auf die Qualität verlassen können. Auf den Joghurtgläsern und Käseverpackungen kleben das strenge Bioland-Siegel und das Zertifikat der europäischen Öko-Verordnung. Besonders gut verkauft sich im Moment der Käse "Münsterländer Grienkenschmied". Denn auf dem prangt seit kurzem eine der höchsten Auszeichnungen der Branche: die Goldmedaille der "World Cheese Awards" in London.