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Biodiesel - mehr Schaden als Nutzen für die Umwelt

Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen ist nur auf den ersten Blick CO2-neutral. Werden für Biotreibstoffe riesige Palmölplantagen in Asien und Südamerika angelegt und dafür Regenwälder abgeholzt, fällt die Klimabilanz für Jahrzehnte negativ aus.

Von Philip Banse |
    Tarcisio Feitosa, Träger des alternativen Umweltnobelpreises, sieht seinen Zuhörern stets fest in die Augen, berichtet ruhig, was der Anbau von Pflanzen für die Biokraftstoffproduktion in Brasilien anrichtet. Seit Jahrzehnten engagiert sich Feitosa für die Rechte der indigenen Völker in Amazonien. Der Anbau von Pflanzen, die zu Biodiesel und Ethanol verarbeitet werden können, könnte theoretisch eine Chance sein - auch für die einfachen Bauern, sagt er. Doch die Praxis sieht anders aus:

    "Ich sehe das als sehr großen Konflikt, gerade in Amazonien. Der Staat ist hier nicht präsent, hat keinerlei Kontrolle. Durch den Anbau von Pflanzen für Biokraftstoffe werden Nahrungsmittel knapp und der Regenwald zerstört. Ein Beispiel: Eine Gruppe von Kleinbauern hat bisher 2000 Quadratmeter gebraucht pro Jahr, um für sich Nahrungsmittel anzubauen. Dann ist ihnen gesagt worden, sie könnten doch Ölpflanzen für Biokraftstoffe anbauen. Im Jahr darauf haben sie nicht 2000, sondern 10.000 Quadratmeter Regenwald gerodet, weil sie Aussicht auf hohe Gewinne hatten."

    Diese Erfahrungen stützen Experten mit wissenschaftlichen Untersuchungen. Eine gerade veröffentlichte Studie der OECD kommt zu dem Schluss, dass Biokraftstoffe unterm Strich mehr schaden als nutzen könnten. Der Anbau der Biomasse gefährde die Artenvielfalt, gehe zu Lasten der Nahrungsmittelproduktion und verteure Grundnahrungsmittel. Auch die Mineralölkonzerne sehen dieses Problem. Die Antwort von BP etwa heißt Jatropha, eine sehr ölhaltige Pflanze, die auf kargen Böden wächst, Nahrungsmitteln also keine Konkurrenz macht, weil die auf diesen Böden gar nicht gedeihen würden. Die Industrie setze viele Hoffnungen in Jatropha, sagt Martina Fleckenstein von der Umweltorganisation WWF, doch berge auch diese Kraftpflanze Risiken:

    "Das Problem, was auftauschen kann, ist, dass es wieder zu einem Verdrängungsmechanismus führt. Diese sogenannten Ödlandflächen werden ja auch von kleinen Bauern genutzt, die dann aus ihren Gebieten vertrieben werden. Ein weiteres Problem ist auch: Wenn wir von Jatropha reden und wenn BP sich dazu äußert, geht es immer auch um große Flächen, um große Monokulturen - was immer zum Verlust von Biodiversität führt."

    Trotz der Konkurrenz zu Nahrungsmitteln, trotz der Risiken für die Artenvielfalt - der WWF hält Biokraftstoffe dennoch für einen richtigen Weg, um fossile Brennstoffe zumindest teilweise zu ersetzen. Vorausgesetzt: Biomasse wird nur dann in die EU importiert, wenn nachgewiesen ist, dass die Pflanzen sozial und ökologisch nachhaltig produziert wurden. Ähnliche Zertifikate gibt es heute schon für Tropenholz. Experten fragen jedoch, ob sich der Aufwand lohnt. Denn durch Biokraftstoffe lasse sich weit weniger CO2 einsparen, als bisher angenommen, sagt Stefan Tangermann, Direktor für Handel und Landwirtschaft bei der OECD. Ihre Klimafreundlichkeit bewiesen Biokraftstoffe nämlich nicht beim Autofahren, da werde genauso viel CO2 frei gesetzt wie beim Verbrennen von Benzin oder Diesel. Klima schonend könnten Biokraftstoffe sein, weil sie nicht wie fossile Brennstoffe zusätzliches CO2 in die Luft blasen, sondern CO2 freisetzen, das sie zuvor beim Wachsen der Pflanzen aus der Atmosphäre gebunden haben.

    "Das wäre aber wirklich nur dann ein Vorteil, wenn das CO2, das da jetzt gebunden wird, nicht auch sonst gebunden würde. Und das ist durchaus vorstellbar. Denken sie daran, dass dort, wo jetzt Zucker angepflanzt wird, aus dem dann Ethanol hergestellt wird, sagen wir in Brasilien, dass dort ansonsten Regenwald gewachsen wäre. Und dieser Regenwald hätte auch CO2 gebunden. Und das heißt, wir haben vielleicht gar keine zusätzliche Bindung von CO2, sondern wir ersetzen nur den Regenwald durch Zuckerrohr."

    OECD-Experte Tangermann empfiehlt daher, die Subventionen für Biokraftstoffe zu kürzen. Das Geld lasse sich klimafreundlicher investieren: etwa in die Erforschung der seit Jahren nicht marktfähigen zweiten Generation von Biokraftstoffen, die Energie aus landwirtschaftlichen Abfällen gewinnt. Noch lohnender, so Tangermann, seien aber Anstrengungen, um Energie zu sparen und den Spritverbrauch zu senken.