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Bioenergiedorf

Göttinger Wissenschaftler suchen in Südniedersachsen ein Dorf, das sich in ein Bioenergiedorf umwandeln will. Die Idee der Wissenschaftler: Ein Dorf erzeugt seine Energie selbst. Statt mit Öl, Gas oder Kohle soll in Zukunft mit Gülle, Stroh, Pflanzenresten und Holz von ortsansässigen Bauern und Waldbesitzern umweltfreundlich Strom und Wärme produziert werden. Doch es ist gar nicht so einfach für das bundesweit einmalige Projekt ein geeignetes Dorf zu finden.

von Markus Götte |
    Nach einer Tour durch 17 Dörfer rund um Göttingen und mehr als 20 Bürgerversammlungen wollen die Wissenschaftler der Uni Göttingen ihre Informations- und Überzeugungsarbeit jetzt auf vier kleine Dörfer konzentrieren. Dort werden sie Grobplanungen für die Umstellung der Energieversorgung machen und den Bürgern einen Kostenplan vorstellen. Immerhin muss eine Biogasanlage samt Blockheizkraftwerk sowie ein Stroh- oder Holzheizwerk für die Strom- und Wärmeversorgung gebaut werden. Und zusätzlich eine Nahwärmenetz im Dorf verlegt werden, um die Wärme aus der Dorfheizung in die Häuser zu leiten. Die Technik, sagt Thilo Jahn vom Bioenergiedorf-Team, ist dabei nicht das Problem.

    Um aber das gesamte Projekt realisieren zu können, brauchen wir mehr, brauchen wir Menschen, die sich an der Betreibergesellschaft beteiligen, wir brauchen Bauern, die die Biomasse liefern, wir brauchen Förster, die die Holzhackschnitzel liefern. Wir brauchen aber auch die Bereitschaft im Dorfe zum Beispiel hinzunehmen, dass im ganzen Dorf eine Leitung verlegt wird, dazu werden Bauarbeiten notwendig sein.

    Jühnde, ein Dorf mit 780 Einwohnern in der Nähe Göttingens, ist eines der vier Bewerberdörfer. Die Info-Veranstaltungen waren sehr gut besucht, und es gibt dort zehn Landwirte, die rein rechnerisch genügend Biomasse für die gesamte Energieversorgung liefern könnten. Schweinemäster Reinhard von Werder würde sofort mitmachen:

    Ich halte das Projekt insgesamt für eine sehr interessante Idee und gerade aus Sicht der Landwirte kann dieses Bioenergiedorf möglicherweise ein zusätzliches Standbein werden, weil die Landwirte dann als Rohstofflieferanten Gülle, möglicherweise Stroh und Holz liefern können.

    Landwirte sind relativ leicht zu überzeugen. Schwieriger ist es, die Dorfbewohner für das Projekt zu gewinnen. Doch nur wenn möglichst viele Haushalte mitmachen, lohnt sich der Bau des teuren Nahwärmenetzes. Laut Umfrage der Wissenschaftler sind bisher erst ein Drittel der Jühnder Haushalte bereit mitzumachen. Viele sind noch skeptisch:

    Da muss man erst mal alles abwarten, was die da alles rauskriegen, was es kosten soll und alles, da muss man erst mal abwarten, ob das wirklich rentabler ist.

    Das ist nicht schlecht, aber das wird zu teuer.

    Von der Sache her gut, aber ob es sich auch umsetzen lässt, dass auch dementsprechend die Bürger auch mit machen, weiß ich nicht.

    Eckhard Fangmeier schrecken die Investitionen von mehr als fünf Millionen Mark in die alternative Energieversorgung nicht. Zusammen mit 30 anderen Bürgern hat er die Initiative Bioenergiedorf Jühnde gegründet. Für ihn ist das Projekt die einmalige Chance etwas für Umwelt und Dorfgemeinschaft zu tun. Auch finanziell sieht er Vorteile.

    Ich bin davon überzeugt, dass die Ressource Heizöl immer knapper wird und dass es sich auf jeden Fall lohnt, in Zukunft auf alternative Energien umzusteigen. Ich denke in fünf Jahren wird es auf jeden Fall preiswerter sein, mit so einem Modell Energie zu gewinnen, als Heizöl zu beziehen und zu verheizen.

    Dennoch kann er die Bedenken von Hausbesitzern verstehen, die erst vor kurzem eine neue Ölheizung gekauft haben. Für diese Leute müsse man attraktive Lösungen finden, damit sie mitmachen, sagt Fangmeier. Außerdem will die Initiative Besichtigungen von Biogasanlagen und Holzheizwerken organisieren, um Ängste wegen möglicher Lärm- und Geruchsbelästigungen auszuräumen. Bis September haben sie noch Zeit, ihre Nachbarn zu überzeugen. Dann wollen die Wissenschaftler per Umfrage in allen vier Bewerberdörfern die Zustimmung ermitteln. Dort, wo die größte Zustimmung herrscht, soll das Bioenergiedorf entstehen.