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Biofeedback bei Migräne

Eine schlechte Nachricht, die kann uns schon mal auf den Magen schlagen. Oder: Wenn wir uns erschrecken, dann geht unser Puls schneller. Zwei Beispiele, wie unsere Psyche, Einfluss hat auf Vorgänge in unserem Körper. Diese Vorgänge laufen eigentlich automatisch ab, aber es gibt Techniken, solche Körpervorgänge durch so genanntes Biofeedback zu beeinflussen.

Von David Globig |
    Dass irgendwas nicht stimmt, ist kaum zu übersehen: Die junge Frau wirkt reizbar, ihre Stimmung schwankt. Sie selbst kennt diese Alarmzeichen nur allzu gut: Innerhalb der nächsten Stunden droht ihr eine Migräne. Noch kann sie versuchen, die Kopfschmerz-Attacke zu verhindern - mit Medikamenten, aber auch über so genanntes Biofeedback. Beim Biofeedback lernen Patienten, Vorgänge in ihrem Körper zu beeinflussen, die man normalerweise gar nicht bewusst steuern kann.
    Dr. Jörg Heuser ist leitender Psychologe an der Klinik Roseneck in Prien am Chiemsee. Diese Klinik verfügt über eine der weltweit größten Abteilungen für Biofeedback, in der auch viele Migräne-Patienten behandelt werden.

    "Da gibt es verschiedene Ansätze. Früher, als die Technik noch nicht so sehr weit war, hat man einfach ein Temperatur-Biofeedback gemacht. Das heißt die Patienten haben gelernt, ihre Hände zu erwärmen. Und das ist eine Reaktion, die dieser Stressreaktion - wenn man das so bezeichnen will - bei der Migräne entgegenwirkt. Mittlerweile ist man von der Technik her weiter. Es wird ein Sensor, der die Durchblutung der Temporalis-Arterie, das ist die Schläfen-Arterie, der misst die und meldet das an den Patienten über einen Bildschirm zurück. Und der Patient hat dann die Aufgabe, die Schläfen-Arterie zu verengen."

    Wodurch er die Schmerz-Attacke in vielen Fällen abschwächen oder sogar verhindern kann. Allerdings ist es gar nicht so einfach, ein Blutgefäß zu beeinflussen. Schließlich handelt es sich dabei nicht um Muskulatur, die sich gezielt anspannen lässt. Trotzdem können es Patienten trainieren, den Querschnitt der Arterie zu steuern. Sie brauchen dazu allerdings eine Rückmeldung, was in ihrem Körper passiert. Deshalb spricht man von Bio-Feedback, also Rückkoppelung. In diesem Fall misst ein Sensor die Durchblutung der Schläfen-Arterie und ein Computer setzt diesen Messwert grafisch um.

    "Früher war das einfach eine Kurve oder ein Balken, der enger oder weiter wird. Heute kann man mit der Computertechnik wunderbare Sachen machen. Also bei Kindern arbeitet man zum Beispiel mit einem Elefant, der ein Wasserbecken vollspritzt mit seinem Rüssel. Oder man kann einen Ballon nehmen, der hochsteigt oder absinkt. Also, alles, was ich machen will, geht letztendlich, weil ich ja nur ein physiologisches Signal umsetze auf ein anderes Signal."

    Wie es ihren Patienten dabei gelingt, die Arterie zu verengen, können Jörg Heuser und seine Kollegen gar nicht so genau sagen.

    "Die Patienten berichten über ganz unterschiedliche Strategien. Viele arbeiten mit Bildern. ZUM BEISPIEL das Bild, in so einen Tunnel reinzugehen, der sich immer mehr verengt. Andere stellen sich vor: einen Baum, der sich nach oben immer mehr verjüngt. Andere stellen sich sozusagen die Arterie als Gefäß oder als Ball vor, den sie verengen wollen. Wir wissen nicht genau, was die Patienten machen. Das ist auch nicht entscheidend, also wir geben wenig Bilder vor, sondern das Entscheidende ist, dass der Patient direkt am Bildschirm sozusagen sehen kann, ob das, was er macht, eine Auswirkung hat."

    Sensor und Computer sind aber nur für das Training notwendig. Sobald die Betroffenen gelernt haben, die Durchblutung der Arterie zu beeinflussen - indem sie sich zum Beispiel ein bestimmtes Bild vorstellen -, brauchen sie die Rückmeldung durch die Geräte nicht mehr.
    Für das Biofeedback müssen Migräne-Patienten übrigens keine besonderen Voraussetzungen mitbringen.

    "Also, es kann jeder lernen, ganz klar, auch vom Alter her. Es gibt viele auch, die mit sehr kleinen Kindern schon anfangen, vier, fünf Jahre. Also das Kind muss halt in der Lage sein, eine gewisse Zeit die Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten. Durch diese Computerrückmeldung kann man das wirklich sehr spielerisch machen. Man muss motiviert sein. Man braucht sozusagen Geduld dafür. Wir sagen, im Schnitt brauche ich acht Stunden, bis ich das stabil kann. Und so Erfolgszahlen - wenn man sich mal die wissenschaftliche Literatur anschaut: ungefähr 70 Prozent profitieren, also können die Migräne beeinflussen, 30 Prozent erreichen keine Verbesserung."