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Biografie
Hieronymus Boschs Leben als Comic

Im Jahr 1516, vor einem halben Jahrtausend, ist der holländische Maler Jeroen van Aken gestorben – genannt Hieronymus Bosch. Zum runden Todestag gibt es in seiner Heimat Holland eine große Ausstellung mit umfangreichem Rahmenprogramm. Begleitend sind auch zahlreiche Bücher und eine Comic-Biografie erschienen.

Von Kai Löffler | 29.02.2016
    Das Cover der Hieronymus Bosch-Comic-Biografie.
    Das Cover der Hieronymus Bosch-Comic-Biografie. (Avant-Verlag)
    "Warum sollte ich beweisen müssen, dass Bosch ein Genie war? Jeder weiß das. Nein, ich versuche, das Menschliche an ihm zu zeigen. Das ist bei einem biografischen Band über eine quasi-mystische Figur der größte Stolperstein", sagt Marcel Ruijters.
    Zum 500. Todestag von Hieronymus Bosch hat Marcel Ruijters eine Comic-Biografie des legendären Malers geschrieben. Eine solcher Band kann schnell zu verklärter Beweihräucherung werden; Ruijters wollte aber genau das vermeiden.
    "Er war ein normaler Mensch, mit den gleichen Hoffnungen und Problemen wie wir. Das zu zeigen war meine Herausforderung und mein Ziel."
    Seit frühster Kindheit interessiert sich Ruijters für Comics, vor allem frankobelgische. Stilistisch hat ihn dagegen schon immer die Kunst des Mittelalters fasziniert.
    "Es hat lange gedauert bis ich verstanden habe, was in jungen Jahren wahrscheinlich diese Faszination bei mir ausgelöst hat."
    Die Schlümpfe, Dante, und dann Hieronymus Bosch
    Vor seinem Band über den Höllenmaler Bosch hat Ruijters Dantes Inferno als Comic adaptiert; allerdings war sein erstes großes Vorbild weit weniger infernalisch:
    "Das waren ungelogen die Schlümpfe. Worauf ich hinauswollte ist, dass die Schlümpfe alle gleich aussehen. Mit ist erst kürzlich klar geworden, dass genau so mittelalterliche Kunst funktioniert. Ein König hat das gleiche Gesicht wie alle anderen, nur eben mit einer Krone auf dem Kopf. Deshalb ist er der König."
    Eine Chronik der produktivsten Jahre
    In seinem aktuellen Band sehen die Menschen allerdings überhaupt nicht gleich aus; weder die Hauptfiguren, noch die im Hintergrund. Ihre Gesichter sind grotesk überzeichnete Karikaturen, denen Ruijters viel Persönlichkeit verleiht. "Hieronymus Bosch" ist eine Chronik der produktivsten Jahre aus dem Leben des Malers. Ruijters zeigt Boschs Alltag, zeigt ihn in Gesprächen mit Kollegen und Familie; in einer Rückblende erfahren wir, dass er als Kind einen Großbrand überlebt hat, und der Comic spekuliert, dass Bosch später selbst ein Kind verliert. Ein aufregendes Leben scheint er nicht gehabt zu haben.
    Er hatte kein aufregendes Leben
    "Er hat wahrscheinlich einen eher eintönigen Alltag gehabt. Vom Atelier in die Kirche und wieder zurück. Die Aussicht, ein Buch über jemanden zu schreiben, dessen Leben so langweilig war, war erst mal entmutigend."
    Ruijters konzentriert sich deswegen vor allem auf dessen Träume, seine Inspiration und die oft menschenverachtende Welt des Mittelalters. Die Lebensgeschichte des legendären Höllenmalers authentisch und trotzdem spannend zu erzählen, war aber bei Weitem nicht die einzige Herausforderung des Projekts.
    Comic verweist immer wieder auf Boschs Gemälde
    "Bei einem Buch über einen berühmten Maler wie Bosch neigt man leicht dazu, mit ihm konkurrieren zu wollen und seinen Stil nachzuahmen. Man will "seinem Sujet treu bleiben" und so weiter. Aber dabei ziehst du immer den Kürzeren. Also, lass es bleiben. Wie die Pest hab ich das gemieden."
    Während Ruijters Stil nicht an Bosch angelehnt ist, versteckt er in seinen Zeichnungen hier und da ein paar "Easter Eggs", kleine Elemente aus Boschs Gemälden. In Holland findet zur Zeit eine große Ausstellung der berühmten Bosch-Gemälde statt, weswegen die Bilder im Bewusstsein der Öffentlichkeit sehr präsent sind.
    "Vor ein paar Tagen habe ich noch mit jemanden gesprochen, der Schuhe mit Boschs ‚Heuwagen‘ herstellt. Ein Modedesigner, der außerdem Kleider mit Bosch-Drucken produziert. Ich hab nichts gegen die Vermarktung, aber so sind die Bilder nichtssagend, sie wollen nur die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Du denkst dann einfach ‚Okay, da ist wieder Bosch‘, es fehlt jede Substanz."
    Dem Maler erstaunlich nahe gekommen
    Diesen Vorwurf muss Ruijters Comic sich nicht gefallen lassen. Auf knapp 160 gut recherchierten und spannend erzählten Seiten umkreist er die enigmatische Figur Hieronymus Bosch und kommt ihr oft erstaunlich nah. Obwohl Bosch vor allem für seine Monumentalgemälde berühmt ist, lässt Ruijters keine Gelegenheit aus, ihn als Zeichner mit Skizzenbuch auf den Knien zu zeigen. Der Schlüssel zur Person ist aber der Kontext: Personen und Ereignisse haben immer wieder einen direkten Einfluss auf Boschs Leben und Arbeit; immer wieder tauchen Elemente aus seinen ikonischen Gemälden auf, im Alltag wie in Traumsequenzen. Der historische Kontext war ein Aspekt, bei dem das Medium Comic Marcel Ruijters einen gewaltigen Vorteil verschafft hat, denn anders als Buchautoren kann er nicht nur mit Worten arbeiten.
    "Um historischen Kontext herzustellen, musst du deshalb Fakten über Könige und Kriege heranziehen. In historischen Büchern über das Mittelalter geht es deshalb oft um Politik. In meinem Buch gibt es keine Geschichten über Könige und es geht nicht um mittelalterliche Politik. Statt dessen wollte ich es aus der Perspektive des Mittelstands erzählen."