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Biokompatibler Magnet

Physik. – Kohlenstoff kommt in verschiedener Form daher. Neben den beiden in der Natur vorkommenden Formen Graphit und Diamant gibt es noch die fußballförmigen Fullerene, sowie die als Material der Zukunft gehandelten Nanoröhrchen. Eines ist allen gemeinsam, sie sind nicht magnetisch. Der Leipziger Physiker Pablo Esquinazi, Professor für am Institut für Experimentelle Physik II der Universität Leipzig hat jetzt doch magnetisches Graphit hergestellt und berichtet darüber im Deutschlandfunk. Die Fragen stellte Ralf Krauter.

    Krauter: Herr Professor Esquinazi, wie sind Sie vorgegangen?

    Esquinazi: Wir haben Protonen mit einem Beschleuniger implantiert, den wir hier in unserer Fakultät zur Verfügung haben. Und mit dem Beschleuniger können wir Protonen gleichzeitig implantieren und diese Protonen benutzen, um zu sehen, wie viele Verunreinigungen es gibt. Und als Funktion der Implantation können wir sehen, dass der Magnetismus tatsächlich entsteht. Das heißt es gibt eine relativ deutliche und klare Methode, mit der man beweisen kann, dass mit den implantierten Protonen, das heißt mit dem implantierten Wasserstoff, eine magnetische Ordnung in Kohlenstoff entsteht.

    Krauter: Da werden also Protonen auf Graphit geschossen und in das Kristallgitter eingebaut. Was passiert da, wie kommt die magnetische Ordnung zustande?

    Esquinazi: Es gibt vor unserer Arbeit selbstverständlich ein paar theoretische Arbeiten, die zeigen, dass es ist möglich ist, wenn das Kohlenstoffatom unterschiedliche Bindungen mit Wasserstoff hat. Man spricht von einer Mischung von SP2- und SP3-Verbindungen. Auf jeden Fall entstehen durch eine Mischung von Bindungen freie Elektronen, ein lokalisiertes Spiel von Elektronen. Das Ganze ist im Prinzip eine magnetische Ordnung, die durch diese Mischung tatsächlich bei Zimmertemperatur konstant bleibt.

    Krauter: Der Wasserstoff sind also die Protonen, die sich im Graphit ein Elektron woanders herholen?

    Esquinazi: Genau. Die Probe ist elektrisch kontaktiert, das heißt die Elektronen kommen von der elektrischen Masse, und die binden an den Protonen. Das heißt, die Protonen bleiben nicht als Protonen sondern bleiben als eine Art Wasserstoff gebunden an ein Kohlenstoffatom. Das ist das Modell, das wir haben.

    Krauter: Wie stark magnetisch wird dieser Graphit?

    Esquinazi: Das ist ein bisschen schwierig zu quantifizieren, weil wir eine makroskopische Probe haben und mit unserem Magnetometer die gesamte Probe messen. Wir wissen also nicht genau, wie groß die magnetische Masse ist. Aber nach einiger Schätzungen können wir sagen, dass es so scheint, als ob die Stärke hundertmal kleiner als die von einem magnetischen Eisenoxid ist. Sagen wir hundertmal kleiner als reines Eisen. Das wäre, wenn es wahr ist, immer noch ein extrem großes magnetisches Moment. Aber es ist nur eine Abschätzung, wir brauchen noch ein paar Jahre um genau zu wissen, wie groß die magnetische Masse ist.

    Krauter: Wäre denn diese magnetische Stärke, die man mit Graphit erzeugt hat, auch über die Grundlagenforschung hinaus interessant?

    Esquinazi: Auf jeden Fall. Genau das ist der Punkt. Physiker und Chemiker versuchen seit Jahren, organische Materialien mit metallischen und magnetischen Eigenschaften zu finden, beziehungsweise herzustellen. Warum? Organische Materialien mit Kohlenstoff und Wasserstoff oder Stickstoff wären 100-prozentig biokompatibel, und wenn wir tatsächlich ein magnetisches Material finden, nur mit Kohlenstoff und Wasserstoff, das wäre für die Umwelt überhaupt kein Problem.

    Krauter: Und wäre vermutlich auch für die Medizin sehr interessant?

    Esquinazi: Für Mediziner auf jeden Fall, denn das könnte man vielleicht gegen Tumorzellen verwenden.