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Biologie
Bei vielen Vogelarten geht der Bestand deutlich zurück

Die meisten Zugvögel haben sich schon auf den Weg nach Süden gemacht - und damit auf eine Reise mit vielen Gefahren. Doch auch hierzulande sind zahlreiche Vogelarten bedroht, weil Futter oder Nistmöglichkeiten verschwinden.

Von Julia Beißwenger | 03.12.2014
    Ein Sperlingsweibchen fliegt einen Nistkasten aus Holzbeton an, es hält Nistmaterial im Schnabel.
    Sperlinge werden in den Städten selten. Auch sie können mit Nistkästen in der Brutzeit unterstützt werden. (dpa / Wolfgang Kumm)
    Amseln in der Abenddämmerung. Die schwarzen Vögel sind die zweithäufigste Art in Deutschland, nur Buchfinken sind noch zahlreicher, sagt Wolfgang Mädlow von der Arbeitsgemeinschaft Berlin-Brandenburgischer Ornithologen:
    "Amseln sind Teilzieher, das heißt, einige blieben hier, andere ziehen weg. Und diese Kontaktrufe, die man jetzt im Herbst hört, das sind einfach Kontaktrufe der Vögel untereinander, unabhängig von Revieren oder Fortpflanzung."
    Wolfgang Mädlow ist einer von rund 4000 ehrenamtlichen Helfern in Deutschland, die jedes Frühjahr im Auftrag des Dachverbandes Deutscher Avifaunisten Vögel zählen. Die Ergebnisse von 2013 bestätigen einen Trend. Während seltene Arten wie Seeadler oder Steinkauz von Schutzprogrammen profitieren, geht der Bestand häufiger Arten teilweise deutlich zurück. Jede dritte Vogelart ist betroffen.
    "Das eine ist, dass es Vögel der offenen Agrarlandschaft sind, die stark zurückgehen, und zum anderen sind es Vögel, die bis nach Afrika ziehen."
    Landwirtschaft nimmt heimischen Vögel den Lebensraum
    Star, Rebhuhn, Wiesenpieper, Bluthänfling, Grauammer, Turteltaube, Uferschnepfe oder Feldsperrling. Sie alle haben seit Ende der 1970er-Jahre weit über die Hälfte ihres Bestandes eingebüßt. Das Problem begann mit der Industrialisierung der Landwirtschaft. Die Äcker wurden größer, viele Knicks und Hecken verschwanden genauso wie Stoppelfelder, die im Winter Vögeln Nahrung boten. Stattdessen säen Landwirte Wintergetreide aus, das im Frühjahr so dicht steht, dass Vögel auf dem Feld nicht brüten können.
    Seit einigen Jahren hat sich der Negativtrend nochmals verschärft. Ein Grund liefert die Politik: Bis 2007 hatte die EU Brachflächen gefördert, um Überproduktion entgegen zu wirken. Die Brachen boten ideale Brutstätten. Heute werden auf den Flächen Mais für Biogas oder Raps für Biodiesel angebaut, sagt Johannes Schwarz vom Dachverband Deutscher Avifaunisten.
    "Mais oder Raps in großen Schlägen ist besonders abträglich für die Vogelwelt. Maisäcker werden beispielsweise mit Pestiziden behandelt, um andere Pflanzen zu unterdrücken. Und Blütenpflanzen sind die Heimstatt von Insekten, die wiederum Nahrung für Vögel sind."
    Rund 250 Pestizidwirkstoffe sind auf deutschen Äckern zugelassen, darunter viele Insektizide. Die meisten töten nicht nur Schädlinge, sondern viele nützliche Insekten die Nahrungsgrundlage für Vögel sind, sagt Johannes Schwarz. Sogenannte Neonikotinoide, die seit rund zwanzig Jahren zum Einsatz kommen, stehen außerdem im Verdacht, die Fruchtbarkeit von Vögeln zu gefährden.
    Wüsten, Jäger, Hausbesitzer
    Auf dem Flug in den Süden drohen den Tieren dann noch weitere Gefahren.
    "Sicher ist ein Stichwort Desertifizierung. Das heißt Ausdehnung der Sahara. Es müssen die Vögel größere Strecken ohne Nahrungsangebot zurücklegen und ein weiterer Faktor ist die Jagd in großem Maßstab. Im Moment ist ja im Gespräch das massenhafte Fangen von Vögeln in Nordafrika, also Ägypten zum Beispiel, wo über Hunderte von Kilometern Netze am Strand stehen und die von den Brutgebieten ankommenden Vögel eingefangen, verspeist oder sonst wie vermarktet werden."
    Mehrere Millionen Vögel landen in den Netzen, darunter zum Beispiel Mauersegler oder Schwalben. Sie gehören zu den Gebäudebrütern, da sie ihre Nester an Hauswänden anbringen. Ähnlich wie die Agrararten haben sie es auch in Deutschland immer schwerer.
    "Da ist natürlich ein besonderes Problem die energetische Sanierung der Gebäude. Da werden Fassaden mehr oder weniger lückenlos eingepackt oder auch bei Neubauten aus Glas und Stahl hat natürlich kein Gebäudebrüter eine Chance."
    Zumindest bei einer Sanierung sind Hauseigentümer in Deutschland verpflichtet, auf Vögel Rücksicht zu nehmen, indem zum Beispiel Gesimskästen für Nester zugänglich bleiben. Ähnlich sind Agrarvögel auf Hilfe angewiesen. Seit einigen Jahren belassen daher viele Landwirte auf dem Acker kleine Flächen, auf denen Blütenpflanzen für Feldvogelarten wachsen. Für diese Maßnahme werben Umweltverbände und der Deutsche Bauernverband.