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Biologie
Die Dattel ist für alle da

Weinreben, Dattelpalmen und Granatapfelbäume wachsen nicht nur in den Geschichten der Bibel, sonder auch im Koran. Der Biologe Wilhelm Barthlott, Entdecker des Lotus-Effekts, hat die beiden Heiligen Bücher nach Pflanzen durchsucht und festgestellt: Das Lob der Artenvielfalt verbindet. Gemeinsam mit einem muslimischen Kollegen und einer Botanikerin präsentiert er die Früchte der Arbeit.

Von Irene Geuer | 19.01.2017
    Dattelpalme im Gafsa-Oasen-Projekt in Tunesien
    Dattelpalme im Gafsa-Oasen-Projekt in Tunesien (Alexander Göbel)
    "Vielleicht sind Pflanzen der liebenswürdigste, mit Sicherheit aber der wichtigste Teil unserer Umwelt."
    So lautet der erste Satz des Buches von Wilhelm Barthlott. Er lächelt, als er das Wort "liebenswürdig" erklärt.
    "Wie wird unsere Zukunft aussehen? Wenn ich an Biodiversität, Umweltwandel denke, Daten liefern die Naturwissenschaften, aber entscheiden tun Wirtschaft, Politik, Weltanschauung, auch die Religion und Emotionen, Emotionen, das ist unglaublich wichtig. Und das ist ein Grund, warum ich das Wort benutzt habe, das mein Wort ist."
    Was Loki Schmidt schon wusste
    Und das er bereits früher schon einmal benutzt hat.
    "…in einem Buch von Loki Schmidt, mit der ich sehr eng befreundet war, und wir haben lange darüber geredet, ob wir das Wort liebenswürdig nehmen und sie fand das auch toll. Pflanzen sind der liebenswürdigste Teil unserer Umwelt."
    Weil, wie er auch im Buch ausführt, die Pflanzen das Leben von Tier und Mensch erst ermöglichen. Weil sie Sauerstoff liefern, weil sie uns mit Nahrung direkt und indirekt versorgen, weil sie uns in fossiler Form, also als Öl oder Kohle, Energie liefern. Und weil sie uns anziehen, Stichwort Baumwolle, und uns heilen. Aber, so steht es in der Einleitung:
    "Die meisten Biologen gehen davon aus, dass wir am Beginn einer Aussterbekatastrophe erdgeschichtlichen Ausmaßes stehen. Die Atmosphäre des Planeten befindet sich in einer kritischen Phase, vor allem in Bezug auf den Klimawandel. Es wird erwartet, dass extreme Wetterereignisse, wie Hitzewellen, Dürren und Starkregen an Häufigkeit und Intensität zunehmen werden."
    Diese Prognosen haben Barthlott an das erinnert, wovon er schon in der Kindheit gelesen hatte: die biblische Geschichte von Noah. Dann hat er den Koran gelesen, auch dort gibt es die Erzählung von Sintflut. Und das war für ihn faszinierend:
    Noah und der Klimawandel
    "Die unglaublich große Übereinstimmung der Geschichten, die da auftauchen, es sind die gleichen Geschichten, es ist Adam und Eva, es ist die Geschichte vom Paradies, von der Arche Noah und vom Turmbau zu Babel, gerade die letzten beiden haben eine tiefe Symbolik, die Grundwerte, die da drin stehen, sind die gleichen."
    Auch wenn die Geschichten jeweils etwas anders erzählt werden. Den Turmbau zu Babel übersetzt der Bonner Wissenschaftler mit: Die Grenzen des Wachstums sehen und akzeptieren. Für die Sintflut verwendet er die zeitgemäßere Vokabel Tsunami.
    "Im Koran hat das Ganze noch eine interessante Facette, Noah wird ausgelacht, du übertreibst, das kommt doch gar nicht. Das ist tagespolitisch aktuell. Beobachten Sie doch mal die Klimapolitik und die unterschiedliche Reaktion von Staaten. Noah wird ausgelacht und trotzdem tut er es. Und die Geschichte gibt ihm Recht. Großartige Bilder."
    Bilder, die Barthlott ermutigt haben zu dem Gedanken, dass die großen Religionen zum Erhalt der Natur eine Menge beitragen und dabei auch einen Schulterschluss eingehen könnten. Daud Rafiqpoor hat sich dazugesellt und nickt. Er ist promovierter Biogeograph und Klimatologe am Nes Institut für Biodiversität der Pflanzen an der Uni Bonn und er hat an dem Buch mitgearbeitet.
    "Als Moslem lernt man, dass man alle die Buchreligionen akzeptieren muss, weil die Propheten, die sind alle Gesandte Gottes und für mich war die Gemeinsamkeiten der Religionen ausschlaggebend, weil heute von Differenzen gesprochen wird, sowohl von der islamischen Seite, als auch teilweise von der christlichen Seite, von daher war für mich diese Gemeinsamkeit im Bereich der Biologie, der Botanik, ein wichtiger Aspekt."
    Die Palme steht für Heiligkeit und Rechtschaffenheit
    Über fünf Jahre haben Barthlott, Rafiqpoor zusammen mit Jasmin Obholzer von den Botanischen Gärten in Bonn immer wieder, wenn es die übrige Arbeit zuließ, auf die Erwähnungen von Pflanzen in Koran und Bibel geschaut, sie haben sie geordnet, verglichen und mit ihren Bedeutungen versehen, die so oft gleich oder sehr ähnlich sind. Nehmen wir das Beispiel Dattelpalme:
    "Im christlichen Glauben ist die Dattel bis heute Symbol für Heiligkeit und Auferstehung. Im alten Israel und den Nachbarländern stand die Dattelpalme wegen ihres geraden, unverzweigten Stammes für Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit. Zudem zählt die Dattelpalme zu den ältesten Obstbäumen in Palästina. Im Koran ist die Palme die am häufigsten erwähnte Pflanze."
    Und auch im Koran wird sie als segensreich und heilbringend gepriesen. Zu den in beiden Büchern erwähnten Pflanzen gehören auch Zwiebel und Knoblauch oder der Granatapfel:
    "Mit Granatäpfeln wurden nicht nur die Priestergewänder geschmückt, sondern die Frucht wurde oft als Schmuck verwendet. Der Granatapfel war auch eines der Segenszeichen des Israel verheißenen "Gelobten Landes". Auch im Koran wird der Granatapfel drei Mal erwähnt, er ist Zeichen göttlicher Fürsorge."
    Verschiedene Religionen, ein und dieselbe Natur
    Noch ein Beispiel: Die Weinrebe
    "Vermutlich ist keine andere Pflanze für das Land der Bibel und seine Menschen so typisch wie die Weinrebe. Deshalb wird sie in der Bibel auch so häufig erwähnt. Im Koran findet die Weinrebe elf Mal Erwähnung. Die genaue Herkunft des Wortes Wein bleibt bis heute unklar. Sicher ist jedoch, dass es sich um ein im gesamten Mittelmeerraum verbreitetes Wanderwort handelte. Es ist sowohl im Altarabischen als auch im Lateinischen und Altgriechischen bezeugt."
    Solche Sätze machen klar: Den Wissenschaftlern geht es nicht um Grundsätze der einzelnen Religionen, zum Beispiel um die Bedeutung des Alkohols im Islam, obwohl auch das kurz erwähnt wird. Es geht vielmehr darum, dass in den Heiligen Büchern ein und dieselbe Natur geschätzt und verehrt wird. Für Rafiqpoor ist das auch in der gegenwärtigen Situation in Deutschland eine wichtige Erkenntnis.
    Daud Rafiqpoor sagt: "Das ist auch ein Motiv im Rahmen der vielen Flüchtlinge, die kommen, auch ein Beitrag zur Völkerverständigung zu leisten."
    Deshalb sehen Die Wissenschaftler sehen ihr Buch "Pflanzen in den Heiligen Büchern Bibel und Koran" auch als Teil der vom Bundesumweltministerium 2007 entwickelten Strategie zur biologischen Vielfalt. Diese sieht eine intensivere Zusammenarbeit mit Religionsgemeinschaften vor. 2015 organisierte das Abrahamische Forum in Bonn ein Dialogforum zum Thema "Religionen und Naturschutz – Gemeinsam für biologische Vielfalt". Und der Bonner Biologe Wilhelm Barthlott gehört zu denen, die solche Dialoge auch in Zukunft vorantreiben wollen – nicht zur zum Erhalt der 90 Pflanzenarten, die in Bibel und Koran vorkommen, von denen übrigens eine ein Geheimnis bleibt. Der verbotene Baum der Erkenntnis lässt sich botanisch nicht zuordnen, zumal er in keinem Heiligen Buch einen Namen bekommen hat. Die Wissenschaftler sind sich sicher, dass er kein Apfelbaum war, so wie er im Christentum oft dargestellt ist.
    Wilhelm Barthlott sagt: "Eigentlich ist die Botschaft ganz klar. Er hat keinen Namen. Offensichtlich will Gott den Namen nicht geben, das wäre mal eine ganz klare Interpretation."
    Wilhelm Barthlott, Jasmin Obholzer, Daud Rafiqpoor: Pflanzen der Heiligen Bücher Bibel und Koran.
    Herausgegeben vom Bundesamt für Naturschutz in Bonn. Download unter: www.bfn.de/religionen_und_natur.html.