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Biologische Nachkommen für alle

Medizin. - Im nordamerikanischen Seattle ist in dieser Woche alles zusammengekommen, was in der Reproduktionsmedizin Rang und Namen hat. Schon lange geht es bei den Fachleuten nicht mehr nur um Retortenbabies. Eifrig wird hier zum Beispiel diskutiert, wie man Frauen nach einer Strahlentherapie noch zu Kindern verhelfen könnte. Und auch der Klonarzt Panos Zavos wirbt für seine Fortpflanzungsklinik in Kentucky, ohne jedoch über den Status seiner Versuche, Menschen zu klonen, Auskunft zu geben. Klonen als Behandlung für unfruchtbare Paare. Das wird möglicherweise gar kein Argument mehr sein, glauben zwei Ärzte, die ihre Ergebnisse in dieser Woche ebenfalls in Seattle vorstellen.

    Von Grit Kienzlen

    Haploidisierung, heißt das Zauberwort. Mit Hilfe der Haploidisierung entstehen künstliche Eizellen oder Spermien aus ganz normalen Körperzellen unfruchtbarer Patienten, so die Vision von Zsolt Peter Nagy, der derzeit an einem Reproduktionszentrum in Atlanta forscht:

    Ich hoffe, dass diese Technologie für alle unfruchtbaren Paar das ultimative Werkzeug wird um genetisch gesehen eigenen Nachwuchs zu bekommen.

    Im Augenblick ist dies allerdings noch eine ziemlich ferne Vision. Noch gibt es kein Lebewesen, dessen väterliches oder mütterliches Erbgut von eine haploidisierten Körperzelle käme. Entgegen den üblichen Gepflogenheiten probierte Nagy die Technik im Frühjahr 2001 zunächst mit menschlichen Zellen aus und fror das Ergebnis, fast erschrocken über den Erfolg nach der ersten Reifeteilung der befruchteten künstlichen Eizelle ein. Damals arbeitete er in Sao Paulo in Brasilien.

    Wir hatten eine Patientin, erzählt Nagy, die praktisch über keine Eizellen verfügte. Wir haben damals nicht geplant, ihr mit dem Verfahren zu einem Kind zu verhelfen. Aber mit ihrer Zustimmung haben wir entschieden, diese Verfahren auszuprobieren damit sie möglicherweise in Zukunft noch davon profitieren kann, dass man Eizellen künstlich herstellt. Aber wir haben dann natürlich nicht weitergemacht. Wir wollten erst in Versuchstieren sehen, ob damit Risiken verbunden sind.

    Die Befürchtung ist berechtigt. Eine sogenannte künstliche Eizelle entsteht, indem man aus eine gespendeten Eizelle den Kern entfernt. Er wird ersetzt durch den Kern einer Körperzelle der unfruchtbaren Patientin. Soweit gleicht das Verfahren dem Klonen. Doch dann geschieht eine Aktivierung. Die Eizelle durchläuft eine Teilung, in der sie die Hälfte der Chromosomen aus der Körperzelle abspaltet und die andere behält. Wie bei einer Meiose. Damit hat sie nur noch einen Chromosomensatz wie eine natürliche Eizelle und kann mit einem Spermium befruchtet werden. Das Verfahren zur Schaffung künstlicher Spermien läuft ähnlich ab. Im Augenblick untersuchen Nagy und sein Konkurrent Gianpierro Palermo von der New Yorker Cornell Universität, ob die Verteilung der Chromosomen bei der Spaltung korrekt abläuft. Wenn sie das geklärt haben, gibt es allerdings noch viele andere mögliche Probleme. Denn das Erbgut der Körperzellen muss wie beim Klonen zurückprogrammiert werden von erwachsen auf embryonal. Zumindest beim Klonen von Tieren funktioniert das selten einwandfrei und entsprechend entstehen Fehlbildungen. Doch darüber wollen sich die Forscher jetzt noch keine Gedanken machen.

    Das ist erst ein späterer Schritt in unserer Untersuchung. Zuerst möchten wir mal lernen, wie wir eine Haploidisierung richtig hinbekommen und wenn wir das mit einer gewissen Effizienz schaffen, müssen wir die nächsten Schritte gehen und sehen, welche anderen Probleme wir haben könnten.

    Bis jetzt, erzählt Nagys Konkurrent Palermo, sind die so entstandenen Embryonen von Mäusen immer nur bis zum Stadium eine Hohlkugel, einer Blastocyste herangewachsen. In diesem Stadium könnte man sie einpflanzen und weiter wachsen lassen, aber davon verspricht er sich vorerst nichts. Von den künstlichen Eizellen muss man nach einer Befruchtung ja erst mal zur Blastocyste kommen. Das gelingt in etwa sechs Prozent der Fälle und wenn man die verpflanzen würde, hätte man kaum noch Chancen, dass davon welche überleben. Weit entfernt also noch das ganze, aber ein Hoffnungsschimmer für Paare, die sich um jeden Preis biologisch eigenen Nachwuchs wünschen. Dort sieht Palermo auch seine potentielle Klientel. Patientinnen, die 40 Jahre und älter sind oder solche, die frühzeitig keine eigenen Eizellen mehr haben, jüngere Patientinnen, die durch eine Krebsbehandlung unfruchtbar wurden oder die ein Zyste hatten und die Eierstöcke konnten nicht gerettet werden. Und männliche Patienten, die keine Spermien produzieren.